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Politik

Kritik an Seehofers Abschiebe-Regelung

17. April 2019

Bundesinnenminister Horst Seehofer von der CSU will abgelehnte Asylbewerber notfalls auch in herkömmlichen Gefängnissen unterbringen. Daran gibt es zum Teil heftige Kritik - aber auch Zustimmung.

Abschiebung abgelehnter Asylbewerber
Abgelehnte Asylbewerber steigen im Rahmen einer Sammelabschiebung in ein Flugzeug (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/P.Seeger

Es ist in der deutschen Politik Mode geworden, neue Gesetze mit plakativen Überschriften zu versehen. So gibt es bereits das "Gute-Kita-Gesetz", und nun hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) das "Geordnete-Rückkehr-Gesetz" vorgelegt, und das Bundeskabinett hat ihm zugestimmt. Inhalt: Die Regelungen für die Abschiebung von Menschen, die keine Aussicht auf Asyl in Deutschland haben, werden verschärft.

Asylsuchende in Gefängnissen?

Am Mittwochmittag sitzt Seehofer in seinem Ministerium vor den Journalisten und berichtete von den Details der neuen Regelung. Es gehe, das macht der CSU-Politiker deutlich, um wenige Flüchtlinge, aber um die, die besondere Probleme machten. Konkret: Um abgelehnte Asylbewerber, die ihre Identität nicht preisgeben, nicht kooperativ sind, sich der Abschiebung entziehen. Und die sollen künftig zur Not auch in herkömmlichen Gefängnissen untergebracht werden, bis sie das Land verlassen müssen. Das hatte in den letzten Tagen in Deutschland große Aufregung verursacht. 

Das Problem des Untertauchens

Rund 180.000 Flüchtlinge sind im vergangenen Jahr nach Deutschland gekommen, wesentlich weniger als 2015 und 2016, als das Land über eine Million Asylsuchende aufnahm. Seehofer berichtet zunächst von seinen Reisen durch das Land, von Gesprächen mit Behörden, Flüchtlingen, Polizisten, freiwilligen Helfern: "Ich höre immer: Wir haben jetzt die Dinge weitgehend im Griff, aber wir haben das Problem des Untertauchens." Gemeint ist das Untertauchen, wenn eine Abschiebung droht. 25.000 Menschen seien im letzten Jahr abgeschoben worden, berichtet Seehofer weiter, aber in 31.000 Fällen seien diese Abschiebungen abgebrochen worden: Der Betroffene sei nicht auffindbar gewesen.

Und deshalb: Wenn ein Asylantrag abgelehnt ist, der Betroffene die Identität verschleiert, sich nicht kooperativ zeigt, dann sollen zunächst Bußgelder verhängt werden, am Ende könne aber auch eine Inhaftierung stehen. Auch hier steuert Seehofer eine persönliche Erfahrung bei: "In allen Fällen, mit denen ich mich persönlich befasst habe, hatte der Betreffende gleich mehrere Identitäten."

Seehofer will die Abschiebeplätze verdoppeln

Bundesinnenminister Horst SeehoferBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Eigentlich sind herkömmliche Haft und Abschiebehaft in Deutschland streng getrennt. Es soll nicht der Eindruck entstehen, dass Flüchtlinge mit Straftätern gleichgesetzt werden. Seehofer hält dagegen: Nur rund 500 Abschiebehaft-Plätze gebe es in ganz Deutschland, diese Zahl wolle er jetzt verdoppeln auf 1000, und die könnten auch in den bestehenden Gefängnissen bereitgehalten werden. "500 Plätze in allen 16 Bundesländern, wohlgemerkt, gibt es bislang", fügt Seehofer noch an, und es ist klar, dass er das nicht für ausreichend hält.

Kritik und Zustimmung

Aber deshalb Flüchtlingen neben verurteilten Straftätern? Das verursachte heftige Gegenreaktionen, vor allem unter den Justizministern in fast allen Bundesländern, auch unter solchen, die der konservativen CDU angehören. Sie halten die Regelung für schlicht nicht verfassungskonform. Und Kritik kommt auch von den Flüchtlings-Organisationen. "Unsicherheit, Entrechtung, Haft", lautet die Überschrift einer Pressemitteilung von "Pro Asyl". Darin heißt es: "Eine solch krasse Verschiebung zu Ungunsten der Betroffenen, die nicht einmal einen Anwalt oder eine Anwältin gestellt bekommen sollen, steht nicht im Einklang mit dem Grundsatz, dass jede Inhaftierung nur als letztes Mittel angewandt werden soll. So sieht das auch die FDP. Deren stellvertretender Fraktionsvorsitzender Stephan Thomae sagte der "Augsburger Allgemeinen": "Die Unterbringung von Abschiebe-Häftlingen in normalen Gefängnissen wäre ein rechtswidriger Systembruch." 

Zustimmung kommt dagegen von den Städten und Gemeinden. Der Hauptgeschäftsführer des Städte-und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", das Gesetz sei ein gutes Instrument, um der Überforderung  der Kommunen zu begegnen. Viele der Flüchtlinge  würden in den Herkunftsländern nicht verfolgt, sondern kämen aus wirtschaftlichen Gründen: "Trotz klarer Rechtsregeln gelingt es aber immer weniger, dass diese Menschen in ihre Herkunftsländer zurückkehren."

Kaum beachtet: Der SPD-Teil des neuen Asyl-Pakets

Fast in den Hintergrund gerät bei all dem Streit, dass das Asylpaket, das jetzt beschlossen wurde, auch eine zweite Seite hat. Arbeitsminister Hubertus Heil von der SPD hat den Entwurf eines Gesetzes vorgelegt, mit dem Flüchtlingen der Zugang zu Sprachkursen und Maßnahmen zur beruflichen Förderung erleichtert werden soll.

Abschiebung eines Asylsuchenden nach Afghanistan in Frankfurt am Main im Februar diesen JahresBild: picture-alliance/dpa/B. Roessler

Dieser Vorschlag wiederum fand die Zustimmung der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz, die der CDU angehört. Am Mittwoch sagte sie im Deutschlandfunk, das neue Gesetz sei "wichtig, denn wir tragen damit bei, dass Menschen Zugang zu Arbeit, zu Sprache und zu unseren Werten erhalten können, und das befördert das gute Zusammenleben."

Wohl noch Änderungen im Bundestag

Aber die Schlagzeilen bestimmt Seehofer. Eigentlich hat der Europäische Gerichtshofs vor fünf Jahren geurteilt: Abschiebe-Häftlinge müssen getrennt von regulären Strafgefangenen untergebracht werden. Aber in vielen europäischen Ländern mangelt als an Abschiebe-Plätzen. Und deshalb sieht das Gesetz vor, dass einzelne Ländern für drei Jahre von dem Trennungsgebot abweichen können. Und genau das tut Deutschland jetzt. Jedenfalls, wenn es nach Seehofer geht. Aber sogar aus der CDU heißt es, über viele Details des Gesetzes müsse noch geredet werden, bevor es im Bundestag beschlossen werden kann.