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PolitikAsien

Kritik an Thailands Monarchie wird lauter

Julian Küng
11. August 2020

Seit Wochen gehen junge Demonstranten in Thailand trotz geltender Corona-Beschränkungen auf die Straße mit dem Ziel, die Regierung zu stürzen. Auch die Monarchie wird immer offener kritisiert.

Demonstrant mit Sonnenhut und Sonnenbrille und vermummtem Gesicht hebt den linken Arm Thailand Bangkok | Protest gegen die Regierung
Bild: Getty Images/AFP/A. Jones

Hunderte Demonstranten bevölkern die Fußgängerbrücke neben dem Bangkoker Kulturzentrum im Herzen der Hauptstadt am vergangenen Samstag. "Hört auf, die Leute zu bedrohen!" schreien sie den Polizisten entgegen, die vergeblich versuchen, die Ansammlung aufzulösen. Seit rund zwei Wochen demonstriert die Gruppe "Freie Jugend" fast täglich in zahlreichen Provinzen des Königreichs und fordert nicht weniger als die Absetzung der militärnahen Regierung und eine neue Verfassung. Bestärkt wird ihr Aktivismus durch die Auflösung der Zukunftspartei (Future-Forward-Partei).

Straßenprotest in Thailand am 17. JuliBild: Getty Images/AFP/A. Jones

Die einst zweitgrößte Oppositionskraft, in der reformorientierte, überwiegend junge Wähler eine politische Heimat fanden, wurde im Februar vom Verfassungsgericht verboten. Jetzt kommt der wegen der Corona-Epidemie verhängte Ausnahmezustand hinzu. Viele Demonstranten sind überzeugt, dass der verlängert wird, um politische Gegner zu unterdrücken.

Aktivisten beschuldigt und gegen Kaution freigelassen

Am Samstagnachmittag richten sich ihre Parolen hauptsächlich gegen die Verhaftung zweier Führungsfiguren der Protestbewegung. "Rettet Anwalt Anon", ist auf den Transparenten zu lesen. Der 35-jährige Menschenrechtsanwalt Anon Nampa ist einer der Wortführer der jungen Bewegung, die in bisher unerhörter Art und Weise die alten Machtstrukturen Thailands kritisiert, einschließlich der Monarchie.

Er war mit einem Mitstreiter vorübergehend festgenommen worden. Bei ihrer Teilnahme an den Regierungsprotesten vom 18. Juli, einer der größten Kundgebungen seit dem Militärputsch 2014, sollen sie gegen sieben Gesetze verstoßen haben, darunter Anstiftung zu Aufruhr, Teilnahme an einer Versammlung von mehr als zehn Personen und Aktivitäten, bei denen das Risiko der Verbreitung ansteckender Krankheiten besteht. Der schwerwiegende Vorwurf der Majestätsbeleidigung war nicht darunter.

Aber alleine der Verstoß gegen Paragraph 116, der die Anstiftung zu Unruhe oder Aufruhr unter Strafe stellt, kann mit bis zu sieben Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden. Nach Berichten lokaler Medien, die sich auf Polizeiquellen berufen, sollen bald noch mehrere Dutzend weitere Demonstranten verhaftet werden.

Demonstration in der Hauptstadt Bangkok am 24. Juni 2020Bild: Reuters/J. Silva

"Macht des Volkes"

Am Samstagnachmittag (08.08.2020), während die Proteste in der Innenstadt hochkochen, kommen die Aktivisten wieder auf freien Fuß. Auf der Fußgängerbrücke im Stadtzentrum Bangkoks geht ein frenetischer Jubel durch die Protestbewegung. "Das war die Macht vom Volk! Von uns!", schreit eine Demonstrantin.

Die Beschuldigten wurden gegen eine Kaution von 100.000 Baht (umgerechnet rund 2700 Euro) freigelassen. Jedoch hat das Gericht die Freilassung an die Bedingung geknüpft, dass sie nicht erneut gegen die genannten Paragraphen verstoßen. Die Entlassung der Aktivisten kann die Demonstranten aber nicht besänftigen. Bis zum späten Abend protestiert die Gruppe "Freie Jugend" weiter.

Inmitten des Trubels steht ein alter Mann, der mit gebügelter Bundfaltenhose und bis zum Hals zugeknöpftem Nadelstreifenhemd nicht zum Rest der Demonstranten zu passen scheint. "Ich bin schon 63 Jahre alt. Wir Älteren müssen Platz machen für die neue Generation", sagt er lächelnd. An seinem Kameraobjektiv klemmt ein gelbes Gummiband mit der Inschrift "Wir lieben den König". "Ich bin hier um für Demokratie einzustehen. Wenn die Demonstranten das Königshaus erwähnen, versuche ich, so gut es geht, nicht hinzuhören."

"Lauf gegen die Diktatur"

02:46

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10-Punkte-Programm zur Reform der Monarchie

Am Montag (10.08.2020) veröffentlichte eine Studentengruppe von der Universität Thammasat in Bangkok ein Zehn-Punkte-Programm zur Reform der Monarchie. Unter anderem soll das Parlament "Fehlverhalten des Königs" untersuchen dürfen. Auch soll die Übertragung des gesamten Kronbesitzes in das persönliche Vermögen des neuen Königs rückgängig gemacht, die Zuwendungen aus dem Staatshaushalt für die Monarchie verringert werden. "Einseitige und exzessive Glorifizierung der Monarchie" soll in Schulunterricht und Veröffentlichungen aufhören, berichtet die Online-Zeitung Prachatai.

Der Forderungskatalog wurde parallel zu einer Demonstration von mehreren tausend Studenten auf dem Campusgelände der Universität bekanntgegeben, auf der unter anderem der Rücktritt der Regierung gefordert wurde. Auch hier traten Anwalt Anon Nampa und sein Mitstreiter Panupong Jadnok auf, trotz der Gerichtsauflagen.

Die kontroversen Forderungen der Studenten blieben nicht ohne Gegenreaktion.Die Redner hätten die Gefühle von "zig Millionen von Menschen" verletzt, sagte Senator Suwaphan Tanyuvardhana, Leiter des Komitees zum Schutz der Monarchie. Der Vizerektor der Thammasat-Universität entschuldigte sich auf Facebook für die "problematischen Ansprachen". Er sei im Vorfeld nicht darüber informiert worden, dass die Reden solch "sensible" Themen behandeln würden.  

Premier Prayut: "Macht nicht zu viele Probleme!"Bild: picture-alliance/dpa/S. Lalit

Entwicklung der Konfrontation offen

Thailands Premierminister Prayuth Chan-o-cha hatte noch vergangene Woche die Hoffnung auf politische Teilhabe geweckt, indem er zeitnah eine Änderung der Verfassung in Aussicht stellte. "Das ist der korrekte Mechanismus. Also macht zu dieser Zeit nicht zu viele Probleme. Wir versuchen im Moment, mehrere Probleme zu lösen", sagte der Machthaber nach einer Kabinettsitzung. Armeechef Apirat Kongsompon äußerte sich gleichzeitig bei einer Rede vor Militärkadetten weniger kompromissbereit: "Hass auf das eigene Land ist eine unheilbare Krankheit, anders als COVID-19."

Ob die Proteste weiter zunehmen, wird sich am kommenden Sonntag zeigen. Die Protestbewegung "Freie Jugend" hat für den 16. August zu einem zentralen Massenprotest in der Hauptstadt aufgerufen. "Die Regierung wird wohl alles daransetzen, dies zu verhindern", meint der in Thailand lebende deutsche Politikwissenschaftler Michael Nelson. "Einen Vorgeschmack mag die Demonstration in Phitsanulok gegeben haben." Laut "Human Rights Watch" wurden in der nördlichen Provinz bei einer Kundgebung sechs Studenten ohne Anklage mehrere Stunden festgehalten. Die Regierung dementierte, Studentenproteste unterdrückt zu haben.

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