Kroatien: 500.000 Zuschauer für rechtsextremen Sänger
3. Juli 2025
Eine derartige Spannung am Vorabend eines Popkultur-Events hat Kroatiens Hauptstadt noch nie erlebt. Das Konzert des rechtsnationalistischen Sängers Marko Perkovic alias "Thompson", das am kommenden Samstag (5.07.2025) in der Zagreber Pferderennbahn stattfinden soll, übertrifft alle vergleichbaren Veranstaltungen. Dabei geht es nicht nur um die extremen politischen Ansichten des 58-jährigen Musikers, der sich nach der Maschinenpistole nennt, die er im kroatischen Unabhängigkeitskrieg 1992 bis 95 benutzte.
Diskutiert wird auch die Frage, wie die 800.000-Einwohner-Stadt mit den rund 500.000 Konzertbesuchern fertig werden soll, die bis heute eine Karte im Vorverkauf erworben haben. Angesichts dieser Menschenmasse wird schlimmstenfalls ein Zusammenbruch des Verkehrs, der Gesundheitsversorgung und der öffentlichen Sicherheit befürchtet. Schon die Sicherung des Konzerts ist für den Vier-Millionen-Einwohner-Staat Kroatien eine Herausforderung. Hinzu kommen Rettungsdienste, Parkplätze und öffentlicher Nahverkehr.
Parallel dazu geht die Debatte über die Gründe für Perkovics Popularität weiter. Unbestritten ist, dass Thompsons Auftritte bei diversen Siegesfeiern der kroatischen Fußballnationalmannschaft einen gewaltigen Beitrag zu seiner Karriere geleistet haben. Dabei waren mehrfach führende Politiker des jüngsten Mitgliedslandes der EU anwesend - obwohl Thompson in seinen Liedern und auf seinen Konzerten offen die im Zweiten Weltkrieg mit Hitler-Deutschland verbündeten kroatischen Ustasa-Faschisten verherrlicht.
Salonfähiger Rechtsextremismus
"Angesichts des allgemeinen Rechtsrucks nicht nur in Kroatien, sondern in ganz Europa und der Welt, überrascht Thompsons Popularität eigentlich nicht", meint die Musikwissenschaftlerin und -historikerin Lada Durakovic im Gespräch mit der DW. In Kroatien selbst sei die Ursache für den Erfolg des rechtsextremen Sängers weniger der Krieg zwischen Kroaten und Serben in den 1990er Jahren als die serbische Besetzung eines Drittels Kroatiens 1992 und die anschließende Befreiung des Landes 1995. In diesem Zeitraum sei Rechtsextremismus in der kroatischen Gesellschaft salonfähig geworden - und zwar auf Initiative der Eliten des Landes.
So wurde etwa die Verwendung des Ustasa-Grußes "Für die Heimat - bereit!" (Kroatisch: Za dom - spremni) legalisiert. Thompson nutzt den Gruß etwa bei seinen Auftritten als Intro zu seinem ersten und vielleicht größten Hit, "Cavoglave" - so der Name des Dorfes, aus dem der Sänger stammt und das er im Unabhängigkeitskrieg gegen serbische Kämpfer verteidigte. Auch in anderen Liedern zeigt Perkovic offen seine großkroatische Haltung, etwa in "Lijepa li si" (Du bist schön), in dem er eine Region des Nachbarlandes Bosnien und Herzegowina als Teil Kroatiens bezeichnet.
Reaktion auf tiefe soziale Frustration
"In einem Land, in dem die Akademie der Wissenschaften und Künste die Ustasa-Ikonographie reinwäscht, sind die Ustasa-Symbole bei Thompsons Konzerten kein Skandal, sondern Teil des Prozesses der institutionellen Normalisierung von Geschichtsrevisionismus", meint Lada Durakovic. Insofern sei Perkovic "Teil einer vom Staat genehmigten Kulturpolitik". Zumindest für einen Teil des Publikums sei Thompsons Popularität eine bewusste ideologische Entscheidung: "Diese Menschen teilen sein Narrativ, sie unterstützen die Verharmlosung und Relativierung faschistischer Verbrechen."
Trotzdem sei es eine Vereinfachung, die Popularität des rechtsextremen Sängers nur aus einer politischen Perspektive zu betrachten. Mindestens genauso wichtig sei seine Musik: "Hardrock- oder Heavy-Metal-Muster mit melodischen Refrains und starkem Rhythmus, einfache harmonische Übergänge, verzerrte Gitarren, kraftvolles Schlagzeug, gelegentlicher Einsatz traditioneller Instrumente und dominant emotional artikulierter Gesang - das ist der Kern von Thompsons Anziehungskraft", so Musikwissenschaftlerin Durakovic. "Thompson bietet Antworten auf Probleme wie materielle Unsicherheit, kulturelle Desorientierung, symbolische Leere. Wer sind wir? Was haben wir überlebt? Wofür haben wir gekämpft? Ist dies das Kroatien, von dem wir geträumt haben? Und seine Antworten lauten: Euer Leiden ist legitim, die Zugehörigkeit zum kroatischen Volk heilig, euer Opfer wahrhaftig und historisch."
Thompson sei für viele Menschen in Kroatien "eine stabile affektive Landkarte", so Durakovic weiter: "Ich weiß, wie du dich fühlst - und meine Musik bestätigt, dass du Recht hast." Deshalb sei Perkovic "nicht einfach irgendein Sänger, sondern ein emotionales Zentrum für Tausende, ein Regulator des Identitätsgefühls, ein Produzent einer Art kollektiven affektiven Zusammenhalts, der in einer Gesellschaft tiefer Unsicherheit ein Gefühl von Ordnung, Sinn und Zugehörigkeit vermittelt."