Nach Euro- und Schengen-Beitritt zum Jahresbeginn erlebt das Land einen wahren Urlauberansturm. Die wachsende Popularität hat aber auch negative Folgen.
"Im Vergleich zu den Vorjahren und der Zeit vor der Pandemie war in der ersten Hälfte des Jahres 2023 ein Anstieg des Tourismusverkehrs zu verzeichnen", so ein Sprecher des Ministeriums. Das sei unter anderem Städtereisen und dem Wochenendtourismus zu verdanken, die durch die einfachere Anreise aus anderen Schengen-Ländern begünstigt würden. Bereits in den vergangenen Jahren hatte der Tourismus bis zu 20 Prozent zum kroatischen Bruttoinlandsprodukt beigetragen und war insbesondere in den Küstenregionen zum entscheidenden Wirtschaftsfaktor geworden.
Der Euro macht das Reisen leichter
Der Beitritt zur Eurozone wiederum habe die Markttransparenz erhöht, indem das Preis-Leistungs-Verhältnis für Urlauber nun klarer sei, so ein Ministeriumssprecher. Zudem seien die Unsicherheiten im Zusammenhang mit Wechselkursschwankungen weggefallen. Das erleichtere den Touristen die Planung ihrer Reise und ihres Budgets. "Der Beitritt zu Schengen- und Euro-Zone bringt dem kroatischen Tourismus beträchtliche Vorteile", heißt es aus dem Ministerium. "Insbesondere wenn man bedenkt, dass rund 80 Prozent der Übernachtungsurlauber in Kroatien aus dem Schengen-Raum und fast 60 Prozent aus der Eurozone kommen."
Dass die neue Situation aber auch neue Probleme mit sich bringt, räumt man in Zagreb ebenfalls ein. So hatte es zuletzt vermehrt Klagen wegen stark gestiegener Preise gegeben. "Wir sind uns dessen bewusst", so ein Ministeriumssprecher. Das sei aber weniger der Währungsumstellung geschuldet, als der weltweiten Inflation. Analysen hätten ergeben, dass die Preise auch in anderen Mittelmeerdestinationen gestiegen sind, die schon viel länger der Eurozone angehören. "Leider gab es auch Fälle, in denen die Einführung des Euro als Vorwand für Preiserhöhungen genutzt wurde." Solche "unlauteren Praktiken" würden von den zuständigen Behörden überwacht. Man finde in Kroatien aber beispielsweise auch weiterhin die niedrigsten Benzinpreise in der EU.
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Umweltschützer üben Kritik
Klar ist jedoch: Die wachsende Popularität des Landes mit seinen 1880 Kilometern Küste, den mehr als 600 Inseln und touristischen Hotspots wie etwa Dubrovnik hat auch eine Kehrseite. Die negativen Folgen des Massentourismus bleiben nicht aus. Wie etwa in Istrien, im Norden des Landes, der Region mit den bei weitem höchsten Urlauberzahlen. Kritik an der Entwicklung üben beispielsweise die Umweltschützer von Zelena Istra (Grünes Istrien).
Die Probleme reichten von der unzureichenden Infrastruktur, etwa bei der Abfallentsorgung, über illegale Bauvorhaben und die Errichtung ganzer Siedlungen, die im Sommer zur Ferienvermietung dienen und danach monatelang leer stehen, bis hin zur Privatisierung von Stränden: Die lokale Bevölkerung verliere in solchen Fällen den freien Zugang zur Küste, so Dunja Mickov von Zelena Istra. Auch die künstliche "Verschönerung" von Stränden sei nicht vertretbar. Immer wieder würden eigentlich felsige Bereiche mit Sand aufgeschüttet, um die touristische Nutzung zu erleichtern.
Der Verlust der biologischen Vielfalt, die Verschmutzung der Luft, des Meeres und der Grundwasservorkommen seien nur einige der Folgen des Massentourismus für die Umwelt. "Aber wer überwacht das schon? Wer kümmert sich darum? Alles geschieht viel zu schnell. Eine Reaktion der Kontrollinstanzen bleibt aus und es gibt keine Strafen für diejenigen, die sich nicht an die Gesetze halten", so Mickov.
Zertifikat für nachhaltige Unterkünfte
Auch bei der Umweltschutzorganisation Sunce macht man sich Gedanken darüber, wie sich die Urlaubsindustrie künftig nachhaltig entwickeln kann. "Kroatien hat in den letzten Jahren ein erhebliches Wachstum des Tourismus erlebt", so ein Sprecher der Gruppierung. Es sei eine Herausforderung, den großen Andrang mit der Erhaltung der natürlichen Ressourcen und des kulturellen Erbes in Einklang zu bringen. Zuletzt hat Sunce das Zertifizierungsprojekt Dalmatia Green auf die Beine gestellt, in dessen Rahmen besonders nachhaltige touristische Unterkünfte in der Region ausgezeichnet werden. Die Regierung in Zagreb unterstützt das Projekt.
Tatsächlich scheint man auch in der Hauptstadt erkannt zu haben, dass es ohne stärkere Eingriffe nicht geht. Die Regierung plant nun ein umfassendes Tourismusgesetz, das die Entwicklung auf der Grundlage objektiver Daten steuern soll, wie es aus dem Ministerium heißt. Neben anderen Maßnahmen sei auch eine Urlauberabgabe vorgesehen. Die Einnahmen daraus sollen der Umwelt zugutekommen. Die Steuer werde aber ausschließlich in Gegenden eingeführt, die unter den negativen Auswirkungen des Urlauberbooms leiden. Mit der Einführung sei nicht vor 2025 zu rechnen. "Massentourismus ist definitiv nicht das, was wir wollen", heißt es. Über die aktuell steigenden Besucherzahlen freut man sich in Zagreb aber dennoch.
Der Kampf gegen den Massentourismus
Touristen bringen Leben und Geld in die Stadt. Zu viele Touristen bringen zu viel Leben in eine Stadt - und das Geld wiegt die Nachteile des Massentourismus oft nicht auf. Jetzt schlagen Touristen-Ziele in Europa zurück.
Bild: AFP/M. Medina
Einmal sitzen: 400 Euro
Einmal Rom besuchen und sich auf die Spanische Treppe setzen. Das kann man machen, wenn man 400 Euro dabei hat. Denn der Stadtrat hat vor kurzem beschlossen, dass es verboten ist, sich auf die berühmte Treppe im historischen Stadtzentrum zu setzen. Seit dieser Woche überwachen Polizisten das Verbot. Wer trotz Aufforderung sitzen bleibt, riskiert ein Bußgeld von bis zu 400 Euro.
Bild: Reuters/R. Casilli
Meisterwerke sind nicht zum Sitzen da
Der Grund: Zum einen hinterlassen die Touristen auf der Treppe deutliche Spuren wie Kaugummi-Reste, Kaffee- und Rotweinflecken, zum anderen verdecken sie mit ihrem Herumsitzen auch das Meisterwerk. Rom ist mit gut sieben Millionen Übernachtungsgästen pro Jahr eine der meistbesuchten Städte Europas - und nicht die einzige, die unter der Touristenlast ächzt und daher Maßnahmen ergreift.
Bild: picture-alliance/H.-C.Dittrich
In Ruhe flanieren? Fehlanzeige!
Touristenmassen schieben sich durch Barcelona, wie hier durch die Promenade "Las Ramblas". Um den Touristenansturm zu bremsen, hat die zweitgrößte Stadt Spaniens den Bau neuer Hotels verboten und strengere Regeln für das Vermieten von Ferienwohnungen erlassen. Denn die Einwohner der 1,6-Millionen-Stadt leiden unter dem Gedränge und den extrem hohen Mieten.
Bild: Getty Images/D. Ramos
Was passt nicht ins Stadtbild?
Die Mitmachfrage dürfte nicht allzu schwer zu beantworten sein, denn so ganz klein ist das Schiff nicht, das Touristen nach Venedig bringt. Venedig wiederum ist recht klein. Die italienische Küstenstadt, die zu großen Teilen auf Pfählen im Meer errichtet wurde, hat nur rund 260.000 Einwohner, aber ähnlich viele Übernachtungsgäste wie Berlin - das rund 3,5 Millionen Einwohner hat.
Bild: AFP/M. Medina
Ahoi!
Zählt man noch die Tagestouristen hinzu, lässt Venedig Berlin weit hinter sich. Nach Schätzungen sollen bis zu 30 Millionen Menschen pro Jahr das Städtchen besuchen. Dabei sind Tagestouristen für Städte oft undankbare Gäste: Sie bleiben nur kurz und geben daher nur wenig Geld aus, überschwemmen aber die Straßen und Plätze. Kreuzfahrtschiffe spucken in kurzer Zeit mehrere Tausend Touristen aus.
Bild: AFP/M. Medina
Welches Schiff wirkt hier überdimensioniert?
Venedig möchte daher die Kreuzfahrtriesen aus dem historischen Stadtkern verbannen und an einen anderen Hafen verweisen. Da dafür aber noch ein Terminal gebaut werden muss, kann das noch dauern. Schneller umsetzen ließ sich das "Eintrittsgeld", das Tagestouristen bezahlen müssen. Es soll in den nächsten Jahren noch steigen und zu Stoßzeiten bis zu zehn Euro für Tagestouristen betragen.
Bild: AFP/M. Medina
Kamera läuft
Die US-Serie "Game of Thrones" ist eine der erfolgreichsten Serien der Welt. Gedreht wurde sie zum großen Teil in Dubrovnik im Süden Kroatiens. Die Serie hat weltweit viele Fans. Zählt man diese Informationen zusammen, lässt sich leicht erahnen, was die Serie für den 40.000-Einwohner-Ort bedeutet: Touristenmassen!
Bild: Imago Images/Pixsell
"Game of Tourists"
Viele Serien-Fans wollen die Orte, die sie bisher nur aus dem Fernsehen kannten, in echt sehen. Ergebnis: Mehr als ein halbes Dutzend Kreuzfahrtschiffe und 10.000 Touristen - pro Tag. Zu viel für die Altstadt mit ihren schmalen Gassen und ihren 2000 Einwohnern. Die UNESCO hatte sogar damit gedroht, der Stadt an der Adria den Titel Weltkulturerbe zu entziehen. Soweit soll es nicht kommen.
Bild: Imago Images/Pixsell
Touristen-Obergrenze
Darum hat die Stadt hat entschieden: Pro Tag dürfen nur noch zwei Kreuzfahrtschiffe anlegen und die dürfen auch nur maximal 5000 Touristen an Land lassen. Reich geworden ist Dubrovnik durch den Touristenansturm angeblich nicht. Denn die meisten Touristen sollen nur weniger Stunden in der Stadt verbracht und im Schnitt weniger als zehn Euro ausgegeben haben - und reiche Touristen vertrieben haben.
Bild: picture-alliance/Pixsell/Z. Lukunic
Viele Anwohner sehen rot
Die meisten überfüllten Touristen-Hotspots befinden sich in Südeuropa. Aber es gibt natürlich auch Orte in Westeuropa, die Probleme mit dem Touristenansturm haben: Amsterdam zum Beispiel. Besonders beliebt: das Rotlichtviertel. Aber auch die Kneipen, Bars und Coffeeshops ziehen die Touristen an. Ergebnis: Viele betrunkene, grölende und sich übergebende Touristen.
Bild: Imago Images/Pro Shots
Maßnahmenpaket gegen Massentourismus
Zählt man die Tagestouristen dazu, sollen im vergangenen Jahr rund 19 Millionen Menschen die niederländische Stadt besucht haben - die selbst gerade einmal 820.000 Einwohner hat. Vielen Einwohnern reicht es. Darum steuert Amsterdam jetzt stark gegen. So dürfen im Stadtzentrum keine neuen Hotels und Souvenirläden mehr eröffnet werden. Das Kreuzfahrtterminal soll an den Stadtrand verlegt werden.
Bild: DW/D. Dedović
Huch, wo ist er denn?
Wohnungseigentümer dürfen ihre Wohnungen nur noch maximal 30 Tage pro Jahr an Urlauber vermieten. Für einige Straßen ist sogar ein komplettes Verbot der Vermietung an Touristen im Gespräch. Ja, und dann hat Amsterdam auch noch den weltbekannten Schriftzug "I amsterdam" vor dem Reichsmuseum abgebaut. Es wollten einfach zu viele Touristen dort ein Foto machen.
Bild: picture-alliance/dpa/E. Leanza
Übertourismus
Wie lebt es sich wohl in einem Dorf mit 770 Einwohnern an einem ruhigen See in malerischer Landschaft? Vermutlich ganz gut. Schwierig wird es nur dann, wenn die 770 Einwohner jedes Jahr Besuch bekommen von rund 1.000.000 Touristen, die mit 20.000 Bussen anreisen. Ganz schwierig wird es, wenn die das ganze Dorf als Disneyland ansehen, Privathäuser und -gärten fotografieren und dann wieder abhauen.
Bild: Reuters/L. Niesner
Heuschrecken?
Diesen Ort gibt es: Er heißt Hallstatt und liegt in Österreich. Ein wenig erinnern die Touristenmassen hier an Heuschreckenschwärme, die in einer Gegend einfallen, Schaden anrichten und dann weiterziehen. An manchen Tagen quetschen sich 10.000 Touristen durch die kleinen Straßen des 770-Seelen-Nests.
Bild: Reuters/L. Niesner
Mindestens 150 Minuten
Der kleinen vor allem bei asiatischen Touristen beliebten Gemeinde reicht es. Ab 2020 dürfen nur noch Busse mit Zufahrtsticket Hallstatt anfahren. Damit soll die Zahl der Busse von 20.000 auf 8000 reduziert werden. Außerdem müssen die Touristen dann mindestens 150 Minuten im Ort bleiben. Dann lassen sie vielleicht auch mehr Geld in Hallstatt..
Bild: Imago Imagse/J. Tack
Copy and Paste mit Orten
Angeblich soll den meisten Chinesen Hallstatt ein Begriff sein. Der Ort in Österreich ist so beliebt, dass er in der Provinz Guandong originalgetreu für fast 800 Millionen Euro nachgebaut wurde - rund 7000 Kilometer entfernt vom echten Hallstatt. Vielleicht wäre das ja eine Lösung für alle überlaufenen Touristen-Ziele: einfach den Ort nochmal woanders bauen und die Touristen dann dahin schicken.