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Kroatien: Langsame Fortschritte im Umgang mit Kriegsverbrechern

15. Februar 2007

Seit Jahren steht die kroatische Justiz wegen ihres Umgangs mit Kriegsverbrechern in der Kritik. Menschenrechtler beobachten zwar Verbesserungen, haben jedoch auch noch viele Mängel zu beklagen.

Gerichte arbeiten ausgewogenerBild: Illuscope

Seit Jahren muss sich die kroatische Justiz Vorwürfe darüber anhören, sie sei zu einseitig bei der Verurteilung von Kriegsverbrechern. Zum Beispiel im Hinblick auf die Zahl der Angeklagten serbischer paramilitärischer Kräfte im Verhältnis zur Zahl der Angeklagten aus den Reihen der kroatischen Armee und Polizei. So mussten sich in den vergangenen 15 Jahren in Kroatien rund 600 Personen wegen Verbrechen gegen internationales Recht vor Gericht verantworten – darunter nur 12 Angehörige der kroatischen Streit- und Polizeikräfte. Das kroatische Helsinki-Komitee sowie zwei weitere Menschenrechtsorganisationen kommen nun dennoch zu dem Schluss, dass sich die Dinge langsam zum Positiven verändern: In ihrem jüngsten Bericht für 2006 heißt es, bei den höchsten gerichtlichen Instanzen seien Schritte in Richtung einer professionellen und nicht-einseitigen Arbeit festzustellen. Dafür spreche auch, dass Den Haag die Fälle der Generäle Rahim Ademi und Mirko Norac kroatischen Gerichten überlassen habe. Den beiden Angeklagten werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Verletzung des Kriegsrechtes vorgeworfen. Sie sollen während einer Militäroperation im September 1993 gegen serbische Zivilisten und ihr Eigentum vorgegangen sein. Allerdings, so der Bericht, seien auf unterer Ebene - bei regionalen Gespanschaftsgerichten - noch keine Verbesserungen festzustellen.

Prozesse gegen Abwesende

Ein Problem ist, dass noch zahlreiche Verfahren gegen Angeklagte in deren Abwesenheit geführt werden, weil die Beschuldigten flüchtig sind. Bei den 18 Verfahren, die von den Organisationen beobachtet wurden, waren nur 44 Prozent der Fälle die Angeklagten tatsächlich anwesend. Veselinka Kastratovic aus dem "Zentrum für Frieden" im ostkroatischen Osijek hält diese Praxis für teuer: Die Verfahren müssten schließlich irgendwann wiederholt werden, wenn der Angeklagte für die kroatischen Gerichte wieder verfügbar sei. In einigen Fällen hätten sie auch festgestellt, dass die überlebenden Opfer der Verbrechen und deren Angehörige sich über Prozesse gegen Angeklagte, die nicht anwesend seien, beschwerten. "Denn man spürt ja die Auswirkungen eines Urteils in Abwesenheit nicht. Deshalb können die Opfer auch nicht die Genugtuung erhalten, die sie sich, wenigstens teilweise, von einem Prozess erhoffen", so Veselinka Kastratovic.

Angeklagte "zu Besuch" im Gericht

In einem Verfahren, dass in Vukovar anhängig ist, sind sogar 19 der Angeklagten auf der Flucht. Und die, die vor Ort sind, befinden sich in Freiheit, worüber sich Zarko Puhovski vom kroatischen Helsinki-Komitee nicht aufhören kann zu wundern. Sieben der des Völkermordes Angeklagten seien nicht in Untersuchungshaft. Soweit es dem Komitee bekannt ist, sei dies einzigartig auf der Welt. "Stellen Sie sich vor: Die schlafen zu Hause, rasieren sich, gehen zum Gericht, um sich wegen Völkermordes zu verteidigen! Das ist keine rechtliche Frage, das ist - wenn Sie so wollen - eine moralische, soziale Frage. Darüber hinaus besteht die große Gefahr, dass diese Menschen für ihre Umgebung auch eine Gefahr darstellen", mahnt Puhovski.

Eingeschüchterte Zeugen

Zeugen und Opfer, so die zweite wichtige Anmerkung des Berichtes, werde immer noch nicht genug Unterstützung angeboten. Anders als im Bericht des vergangenen Jahres fehlt jedoch der Passus über Angriffe auf Zeugen auf den Fluren der Gerichte oder Pöbeleien des Publikums im Gerichtssaal. Dennoch gibt Veselinka Kastratovic vom "Zentrum für Frieden" zu bedenken, dass vor allem in Prozessen gegen Angehörige der kroatischen Streit- und Polizeikräfte die Zeugen häufig ihre Aussage änderten: "Keiner der Zeugen sagt explizit, dass er sich fürchtet. Dennoch machen sie vor Gericht eine andere Aussage als im Vernehmungsprotokoll. Oder sie erklären, dass sie inzwischen vergessen hätten, was passiert ist, weil alles so lange her sei."

Als positive Veränderung sehen die Menschenrechtsorganisationen hingegen, dass sich die Zusammenarbeit der Polizei, Staatsanwälte und Richter in Kroatien, Bosnien und Serbien verbessert habe. Erst vor kurzem fand in Belgrad ein Treffen aller drei Seiten statt, bei dem die Beteiligten ein Abkommen über noch intensivere Zusammenarbeit unterzeichneten.

Tatjana Mautner, Osijek
DW-RADIO/Kroatisch, 12.2.2007, Fokus Ost-Südost

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