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Kroaten und Serben gedenken der Militäroperation "Sturm"

4. August 2025

Vor drei Jahrzehnten beendete die kroatische Militäroperation "Oluja" (Sturm) nach über drei Jahren den Kroatien-Krieg. Bis heute sind Serbien und Kroatien im Gedenken gespalten.

Eine überdimensionierte kroatische Flagge weht auf einer Burg, die von unten fotografiert ist
Auf der Burg von Knin in Kroatien wird jedes Jahr der Jahrestag der Operation "Oluja" begangenBild: AA/picture alliance

Einmal im Jahr, am 5. August, wacht das kleine, verschlafene Städtchen Knin im Hinterland Norddalmatiens auf und wird zum Zentrum des politischen Lebens in Kroatien. Die politische und militärische Elite des Landes versammelt sich unter der 20 Meter großen Nationalflagge auf der Burgruine oberhalb der Stadt, es werden mit viel Pathos patriotische Reden gehalten und Orden verliehen. Man feiert den "Tag des Sieges und der heimatlichen Dankbarkeit" sowie den "Tag der kroatischen Verteidiger", in Erinnerung an die vom 4. bis 7. August 1995 durchgeführte Militäroperation "Oluja" (Sturm).

Das Hissen der überdimensionierten Flagge über der Festung von Knin gilt bis heute als Sinnbild des glorreichen Sieges der kroatischen Truppen über die Serben Kroatiens während der Jugoslawienkriege der 1990er Jahre. Damals eroberten die kroatische Armee und Polizeieinheiten in einer Großoffensive innerhalb von 85 Stunden die ganze Krajina [Region an der Grenze Bosniens, Anm. d. Red.] zurück - und damit den größten Teil des von den aufständischen Serben seit 1991 besetzten Drittels des kroatischen Territoriums.

Wende auch im Bosnien-Krieg

Gleichzeitig brachte Oluja auch die militärische Wende im Krieg im benachbarten Bosnien und Herzegowina: In einer koordinierten Aktion der kroatischen und bosnisch-herzegowinischen Armeen - mit begrenzter Luftunterstützung der NATO - wurde die jahrelange serbische Belagerung der westbosnischen Stadt Bihac beendet und ganz West-Bosnien zurückerobert. Kurze Zeit später brachten kroatisch-bosnische Verbände auch andere Teile Bosniens unter ihre Kontrolle. Das serbisch kontrollierte Territorium schrumpfte von 70 auf 49 Prozent des Landes, was letztendlich zu dem von den USA ausgehandelten Friedensabkommen von Dayton führte.

Kapitulation der Armee der serbischen Republik Krajina am 8.08.1995 in Glina/KroatienBild: Privat

Die Kriege auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens, die ihren Anfang 1991 mit den Unabhängigkeitserklärungen Sloweniens und Kroatiens vom gemeinsamen jugoslawischen Staat und dem darauffolgenden Zehn-Tage-Krieg in Slowenien nahmen, waren damit vorläufig beendet. Endgültig vorbei waren sie allerdings erst vier Jahre später nach dem Kosovo-Krieg , der zur Gründung des unabhängigen Staates Kosovo führte.

Die Flucht der Serben

Die kroatische Militäroperation Sturm brachte aber noch eine gravierende und, wie es sich später herausstellen wird, nachhaltige Veränderung für das Land: während dieser 85 Stunden und unmittelbar danach verließen etwa 200.000 Serben das Gebiet der Krajina in Richtung Serbien. Viele wurden dabei gewaltsam vertrieben, die meisten aber flüchteten aus Angst vor der Rache der anrückenden kroatischen Truppen. In den Jahren davor waren mehr als 170.000 Kroaten aus den serbisch dominierten Gebieten Kroatiens vertrieben worden, vor allem direkt zu Beginn des Krieges. Und es gab hundertfache Verbrechen der serbischen Truppen an kroatischen Zivilisten.

Serben aus Kroatien fliehen am 1. August 1995 vor kroatischen Truppen Richtung SerbienBild: Jens Assur/TT/IMAGO

Wie sich herausstellte, war diese Angst begründet: Im Zusammenhang mit Oluja kam es laut der kroatischen Menschenrechts-NGO documenta.hr zu zahlreichen Plünderungen, viele serbische Häuser und sogar ganze Dörfer wurden zerstört und in Brand gesetzt, über 1000 serbische Zivilisten, die geblieben waren, wurden dabei ermordet. 

Kriegsverbrecher-Tribunal in den Haag

Auch wenn die meisten dieser Verbrechen gut dokumentiert sind, wurde kaum jemand für sie verklagt oder gar verurteilt. Die Justizbehörden in Kroatien zeigten nach dem Krieg wenig Interesse, Verbrechen kroatischer Soldaten zu untersuchen.

Und auch das Internationale Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) in Den Haag fand keine Verantwortlichen. So wurden zwar Ante Gotovina, einer der kroatischen Oberbefehlshaber, sowie ein anderer General der kroatischen Armee 2011 wegen Verantwortung für Kriegsverbrechen zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Kurz darauf wurden aber beide in der zweiten Instanz freigesprochen und aus der Haft entlassen.

Die Dörfer Plavno bei Knin und Donji Lapac in der Krajina waren früher überwiegend von Serben bewohnt. Heute leben dort nur noch wenige Menschen, vor allem AlteBild: Slađan Tomić/DW

Auch wenn in den Jahren seit dem Krieg viele der Geflüchteten nach Kroatien zurückgekehrt sind: Serben, die vor dem Krieg als eine konstitutive Minderheit eine wichtige Rolle im politischen Gefüge des Landes spielten, haben heute nur noch eine marginale Bedeutung in der kroatischen Gesellschaft.

Kroatien: Ein heldenhafter Sieg

Obwohl schon drei Jahrzehnte seit Oluja vergangen sind, unterscheiden sich die Bewertungen der serbischen und der kroatischen Seite sehr. In Kroatien ist sie eindeutig positiv besetzt, man sieht sie als eine im jeder Hinsicht legitime, gerechtfertigte und heldenhafte militärische Operation in Rahmen eines Verteidigungskrieges.

Militärparade in Zagreb am 31.07.2025 zum 30. Jahrestag der Operation OlujaBild: Stipe Majic/Anadolu/picture alliance

Zum 30. Jahrestag wurde in der Hauptstadt Zagreb am 31.07.2025 eine große Militärparade veranstaltet. In einer langen Kolonne wurde alles militärische Material gezeigt, über das die kroatische Armee heute verfügt. Viele Soldaten waren dabei und viel Technik, über die Zuschauer flogen neu beschaffte französische Rafale-Kampfflugzeuge. Zum ersten Mal nahmen an solch einer Schau auch Soldaten aus anderen NATO-Staaten teil, denn Kroatien ist seit 2009 Mitglied des Bündnisses. Auch zwei Leopard-Panzer hat man für die Parade von Deutschland ausgeliehen: bisher hat die kroatische Armee sie noch nicht, sie wurden aber bestellt.

Kroatiens Präsident Zoran Milanovic schrieb aus diesem Anlass auf seinem Facebook-Profil: "Wir feiern unsere Siege, wir hassen niemanden. Wir sind uns völlig bewusst - und ich möchte, dass sich auch diejenigen, die nach uns kommen, dessen bewusst sind -, dass es ein Sieg der kroatischen Soldaten, des kroatischen Volkes und der damaligen kroatischen Führung war."

Serbien: Ein Pogrom

Auf serbischer Seite hingegen gilt die Operation Oluja nicht nur als größte militärische Niederlage im Jugoslawienkrieg, sondern auch als ein Synonym für die Vertreibung der Serben und ihrerseits erlittene Kriegsverbrechen und Verwüstungen. In diesem Sinne wiederholte der serbische Präsident Aleksandar Vucic bei der diesjährigen Gedenkfeier, die unter dem Motto "Oluja ist ein Pogrom - Wir erinnern für immer" stattfand, das alte Narrativ, wonach die Serben seit 30 Jahren unter enormer Ungerechtigkeit der internationalen Gemeinschaft leiden.

"Wir werden nie wieder zulassen, dass irgendjemand die Freiheit der Serben bedroht", sagte Vucic und fügte hinzu, dass das Ausland alle Staaten um Serbien herum stärken und nur sein Land schwächen würde. Weiter sagte Vucic, Serbien bedrohe niemanden, werde aber am 20. September jedem zeigen "was für eine Volksarmee wir geschaffen haben" und dass Serbien stark genug ist, um sich selbst zu verteidigen. Für diesen Tag ist in Belgrad eine große Militärparade geplant. Und auch bei dieser Schau werden französische Kampfflugzeuge Rafale über die Zuschauer fliegen wie in Zagreb: der Rüstungsmarkt ist zurzeit heiß umkämpft.