Die Archäologie erforscht die Menschheitsgeschichte. Auf der Suche nach dem materiellen Erbe können Forscherdrang und Eitelkeit den Blick auf die Realitäten jedoch verklären, wie eine Ausstellung in Hildesheim beweist.
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Zu schön, um wahr zu sein
Mythen, Grabungen und Funde faszinieren die Menschen seit Jahrhunderten: Ist ein Objekt tatsächlich das, wofür man es halten will? Der Glaube überstrahlt die Realität, etwa beim Knochenfund eines Fabelwesens.
Bild: Museum der Archäologie Herne/LWL/ S. Brentführer
Wenn es zu schön ist, kann es dann echt sein?
Für 200.000 Francs kaufte der Louvre 1896 einen Goldschatz aus der Nähe der antiken Schwarzmeerstadt Olbia, darunter eine reich verzierte Tiara (Krone). Der deutsche Archäologe Adolf Furtwängler schimpfte über die "widerwärtige Fälschung", 1903 gab der Goldschmied Israel Ruchomowski aus Odessa zu, Urheber der Tiara zu sein, die er im Auftrag russischer Händler angefertigt hatte.
Bild: bpk/RMN-Grand Palais/Hervé Lewandowski
Deutlich jünger als gedacht
25.000 D-Mark (heute etwa 56.000 Euro) ließ sich die Stadt Hildesheim anno 1960 den Kauf einer goldenen Figur des ägyptischen Gottes Amun-Re kosten. Erst vor kurzem überführten eine Radiokarbondatierung sowie eine Goldanalyse die Figur, die kein 3200 Jahre altes Original, sondern eine rund 100 Jahre alte Fälschung ist.
Bild: Museum der Archäologie Herne/LWL/ S. Brentführer
Gefälschte Reliefs
Das südpfälzische Rheinzabern war im 19. Jahrhundert als Fundort römischer Antiken bekannt. Der Maurer Michael Kaufmann stieß auf der Suche nach alten Steinen und Ziegeln als Baumaterial auf Reliefs, Skulpturen und Keramiken aus der früheren antiken Römersiedlung. Manche Objekte ähnelten sich derart, dass eines Tages Zweifel an deren antiker Herkunft aufkamen.
Bild: Historisches Museum Pfalz Speyer/P. Haag-Kirchner
Das letzte Einhorn
Der Naturwissenschaftler Otto von Guericke (1602 - 1668) war von der Existenz des Fabelwesens überzeugt. 1663 rekonstruierte er aus bei Quedlinburg gefundenen Knochen das Skelett eines Einhorns. Die daraus resultierende Zeichnung erschien in einem Standardwerk der Fossilienkunde. Tatsächlich stammten die Knochen von schnöden eiszeitlichen Nashörnern und Mammuts.
Bild: Gottfried Wilhelm Leibniz 1749
(K)Ein journalistischer Coup
Stolz präsentierte "Stern"-Redakteur Gerd Heidemann im April 1983 die Tagebücher Adolf Hitlers. An deren Echtheit gab es kaum einen Zweifel, bis Bundesarchiv und Bundeskriminalamt die Tagebücher als Fälschungen überführten. Da hatte der Verlag Gruner + Jahr schon 9,3 Millionen Mark für die Kladden gezahlt. Heidemann und der Fälscher Konrad Paul-Kujau wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
Bild: picture-alliance/dpa/C. Pohlert
Die Klobürste als Zepter
Zum Einstieg in die Ausstellung "Irrtümer & Fälschungen der Archäologie" zeigt das Roemer- und Pelizaeus-Museum die Zukunftsvision "Motel der Mysterien" des amerikanischen Zeichners David Macaulay. In der Graphic Novel stoßen Archäologen im Jahr 4022 auf dem Gebiet der USA auf das Inventar eines verschütteten Motels, dem die Forscher die Bedeutung des Grabs Tutanchamuns beimessen.
Bild: David Macaulay
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Die Wissenschaft soll uns helfen, Zusammenhänge zu verstehen. So ist es an den Archäologen, die kulturelle Entwicklung der Menschheit zu erforschen: Wo liegen unsere Ursprünge, wie haben unsere Vorfahren gelebt, gearbeitet, gekämpft, wie sind sie gereist? Manche Dinge sind bereits gut erforscht, andere Funde sind auch heute noch Sensationen. Die ältesten bislang ausgegrabenen Steinwerkzeuge sind mehr als drei Millionen Jahre alt.
Die Historie belegt auch, dass nicht nur die Wissenschaftler selbst in ihrem Eifer Fehleinschätzungen unterliegen. Auch Würdenträger, die sich mit kostbaren Entdeckungen schmücken wollten, und zufällige Finder, die ein Geschäft witterten, haben zu den Irrtümern ebenso beigetragen wie einfallsreiche Fälscher.
Wie sehr einem die Fantasie einen Streich spielen kann, will man nur fest genug daran glauben, dass es sich bei einem Gegenstand um eine echte Entdeckung handelt, zeigt etwa ein Fund aus Eisen, mit Zierbeschlägen, einem Henkel und Kupferlegierung besetzt. Keine Frage: Das musste eine Krone sein.
Alles im Eimer
Wie sich später herausstellte, handelte es sich tatsächlich um den Beschlag eines Eimers aus dem 6. Jahrhundert nach Christus. Die in der Schau ausgestellten Objekte sollen erklären, wodurch sie zunächst als wissenschaftlich relevante Funde überzeugen konnten. Darüber hinaus stellt das Museum dar, mit welchen technischen Methoden die Klärung der Fälle gelang.
Die Sonderausstellung des LWL-Museums für Archäologie Herne ist noch bis zum 26. Mai 2019 in Hildesheim zu sehen.
Welchen Irrtümern die Archäologen auf den Leim gingen und was die Suche nach einem Einhorn damit zu tun hat, erfahren Sie beim Klicken durch unsere Bildergalerie.