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Politik

Kronzeugen-Bericht löst Dementis aus

17. Dezember 2019

Betroffenheit, die Forderung nach umfassender Aufklärung, aber auch Widerspruch: So lässt sich zusammenfassen, was der DW-Bericht über mutmaßliche Staatsmorde in Weißrussland vor 20 Jahren hervorgerufen hat.

Die Morde von Minsk - Ein Kronzeuge bricht sein Schweigen

28:35

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Die DW hatte am Montag über einen vermutlichen Kronzeugen berichtet, der detailliert und mit offensichtlichem Täterwissen über das Verschwinden dreier weißrussischer Oppositionspolitiker Auskunft gab. Im Jahr 1999 waren der ehemalige weißrussische Innenminister Juri Sacharenko, der frühere Leiter der zentralen Wahlkommission, Viktor Gontschar, und der Geschäftsmann Anatoli Krassowski spurlos verschwunden. Ihr Schicksal ist bis heute nicht restlos aufgeklärt.

Im Exklusiv-Interview mit der DW hatte Juri Garawski den Gründer der paramilitärischen Sondereinheit "SOBR", den damaligen Oberstleutnant Dmitri Pawlitschenko, einen Offizier des weißrussischen Innenministeriums, schwer belastet. Er habe die Entführungen und Ermordungen der Oppositionellen geplant und befehligt, er habe die drei Politiker kaltblütig erschossen. 

Generalstaatsanwaltschaft: Fälle nicht abgeschlossen 

Pawlitschenko reagierte am Montag, wenige Stunden nach Veröffentlichung des DW-Berichts. Gegenüber dem weißrussischen Portal "tut.by" bezeichnete er Garawskis Aussagen als "Unsinn" und zog die Glaubwürdigkeit des Zeugen in Zweifel. Er bestätigte aber, dass Garawski in der Einheit  Nr. 3214 als Wehrpflichtiger gedient habe. Aus dieser Einheit heraus war 1999 die Eingreiftruppe "SOBR" rekrutiert worden. Pawlitschenko behauptet, Garawski sei nie Mitglied in der "SOBR"-Truppe gewesen. Zum Zeitpunkt des Verschwindens der drei Politiker sei der Zeuge wegen verschiedener Delikte inhaftiert gewesen.

Kronzeuge Juri Garawski: Nur "Unsinn" erzählt?Bild: DW

Die weißrussische Generalstaatsanwaltschaft erklärte, der Fall der drei verschwundenen Oppositionspolitiker sei für sie nicht abgeschlossen. Gegenüber "Radio Swoboda" sagte der Sprecher der Behörde, Dmitri Brilew, alle neu aufgetauchten Informationen würden in Erwägung gezogen. Garawski hatte im Interview mit der DW angekündigt, dass er umfassend mit allen Ermittlern kooperieren und seine Aussagen vor einem Strafgericht in Europa unter Eid wiederholen würde. 

Akten freigeben 

Mittlerweile hat sich Anatolij Lebedko, ein enger politischer Weggefährte und persönlicher Freund von Viktor Gontschar, offiziell an die Behörden in Minsk gewandt. Die Aussagen des Kronzeugen seien wichtig. "Deshalb habe ich heute zwei Schreiben an das Ermittlungs-Komitee und an die Generalstaatsanwaltschaft von Belarus geschickt, mit dem Vorschlag, die 20 Jahre alten Akten freizugeben und diese aufsehenerregenden Fälle zu untersuchen", so Lebedko gegenüber der DW. Er verspüre eine "persönliche Verpflichtung" gegenüber den Familien Gontschar und Sacharenko. 

Demonstrantinnen erinnern mit Plakaten an die verschwundenen Oppositionellen Bild: picture-alliance/dpa/EPA/Bildfunk/T. Zenkovich

Forderungen nach lückenloser Aufklärung kommen auch aus der deutschen Politik. Bei diesem "sehr dunklen Kapitel in der Geschichte Weißrusslands" müssten alle Fakten auf den Tisch, fordert Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der CDU-CSU-Bundestagsfraktion. Gegenüber der DW weist Hardt aber auch auf eine "positive Entwicklung" hin: So habe der Druck der EU in den vergangenen Jahren zu einer Verbesserung der Menschenrechtslage in Minsk geführt. Die Hand Europas bleibe ausgestreckt, "wenn Weißrussland bereit ist, seine Geschichte und die Verwicklung staatlicher Stellen in repressive Gewalt aufzuarbeiten und weitere Fortschritte bei der Demokratisierung macht", so Hardt.

Warnung vor vorschnellen Urteilen 

Kontakte nach Minsk pflegt der Deutsche Bundestag über eine eigne Parlamentariergruppe. Oliver Kaczmarek ist ihr stellvertretender Vorsitzender. Der SPD-Politiker sagte der DW: "Wir begrüßen im Sinne der Familien der Opfer die konstruktive Aufklärung der Fälle." Seine Partei betone "bei allen Gesprächen mit den belarussischen Organen die Bedeutung von Menschenrechtsfragen". Er warnte aber auch vor vorschnellen Urteilen vor Abschluss von Ermittlungen, die nach internationalen Rechtsstandards geführt werden müssten.

FDP-Menschenrechtsbeaufragte Gyde Jensen Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Gyde Jensen (FDP), Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe im Deutschen Bundestag, erklärte gegenüber der DW, Deutschland habe eine besondere Verpflichtung in Europa Freiheit, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und demokratische Werte aufrecht zu erhalten. Die größtmögliche Transparenz sei in diesem Fall, aber auch in anderen Fällen wichtig. Dafür müsse sich Deutschland stark machen. 

Kronzeuge Garawski hat noch am Montag eine Vielzahl von Mails seiner Freunde bekommen. Durch die Veröffentlichung fühle er sich "sehr erleichtert" sagte er der DW. Nun hoffe er darauf, "dass sich die Machtverhältnisse in Belarus ändern."

 

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