Kruzifixe haben in der Schule nichts verloren
6. November 2009Mitte der 90ßer Jahre hatten Eltern aus Bayern bereits gegen das Kruzifix in Bayerischen Schulen geklagt. Die Sorge: Ihre Kinder könnten in ihrer Religionsfreiheit eingeschränkt werden. Heute ist die Praxis, dass bei Beanstandung die Kreuze in Gemeinschaftsschulen abgenommen werden. Ein Kompromiss, den viele Katholiken aber auch die Staatsregierung verurteilt hatten, mit der man heute aber zurecht kommt. Das Straßburger Urteil hat die Wunden von damals aber wieder neu aufgerissen, wie viele Reaktionen in Bayern zeigen.
Das Kreuz mit dem Kreuz
"Wer christliche Symbole aus der Öffentlichkeit verbannen will trifft unsere Kultur in ihrem Lebensnerv. Wer das Kreuz abnimmt schafft nicht Neutralität sondern Leere",
ruft ein Mann an einem Rednerpult in die Menge. Die applaudiert. Der Mann ist der ehemalige Bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber. Die Menge, das sind Anhänger seiner Partei, der CSU, und praktizierende Christen. Sie alle fürchten nur um Eines: um die Kreuze in Bayerischen Klassenzimmern. Es könnte eine Kundgebung von heute sein - doch tatsächlich fand sie im Jahr 1995 statt. In dem Jahr, in dem das Bundesverfassungsgericht geurteilt hatte, dass Kreuze unter Umständen abgehängt werden müssen, sollte sich ein Schüler in seiner Religionsfreiheit eingeschränkt fühlen.
Der Straßburger Richterspruch, der eine Klage italienischer Eltern beantwortete und auch nur für diesen Einzelfall in Italien gilt, entspricht genau dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1995. Und so wird an bayerischen Schulen auch alles weiterhin so bleiben, wie es derzeit Praxis ist, betonte der zuständige Bayerische Kultusminister Ludwig Spänle, kurz nach dem Bekanntwerden des Urteils.
Die Bayerische Volksseele ist verletzt
Dennoch kocht die katholische Bayerische Volksseele. Vor allem für Vertreter der katholischen Kirche ist das Straßburger Urteil aus dieser Woche Anlass wieder einmal über das Thema Religionsfreiheit zu diskutieren. Denn diese werde oft falsch verstanden, betonte ein aufgebrachter Reinhard Marx, Vorsitzender der Bayerischen Bischöfe. Er ist der Meinung, der Staat sei immer eingebunden in eine Kultur, die er selber nicht geschaffen habe. Das Grundgesetz sei zudem ohne das biblische Gottesbild überhaupt nicht vorstellbar.
Ins gleiche Horn stößt auch der Theologe Thomas Schirrmacher. Gerade für das traditionell katholische Italien sei das Urteil eine Katastrophe. Auch wenn die Medaille bekanntermaßen zwei Seiten habe. Denn auf der einen Seite sei es korrekt, dass der Staat religions-neutral sein müsse, - dies sei die negative Religionsfreiheit - auf der anderen Seite nimmt Schirrmacher eine gefährliche Entwicklung wahr: "Wenn sich die Mehrheitsreligion vieler Länder, etwa die Katholische Kirche in Italien in der Öffentlichkeit praktisch in keiner Weise mehr zeigen darf, dann haben wir Zustände wie in Ländern, in denen kein Weihnachtsbaum auf dem Marktplatz stehen darf, weil auch das ein christliches Symbol ist", sagte Schirrmacher.
Künftig auch Verbot von Gipfelkreuzen?
Sollte die Tendenz der Richtersprüche in diese Richtung gehen müsse man bald froh sein, wenn auf den Bergen noch Gipfelkreuze und auf Dörfern und auf dem bayerischen Land die traditionellen Wegkreuze noch stehen dürften, so der Theologe weiter. Da könne man nur noch auf den Denkmalschutz setzen, dass der christliche Symbole aus diesem Grund im öffentlichen Landschaftsbild erhalte. Ein absurder Gedanke. Doch dass es nicht tatsächlich soweit kommt, will der Erzbischof von München und Freising Reinhard Marx das Urteil zum Anlass nehmen, darüber zu diskutieren, inwieweit der Staat Religion braucht. Aus seiner Sicht sehr, denn es sei wichtig, dass Menschen sich öffentlich zu Werten bekennen. Aus Sicht des Erzbischofs zu den christlichen Werten.
Autorin: Irene Haider
Redaktion: Conny Paul