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Jenseits von Bigfoot

Klaus Esterluß26. April 2014

Loren Coleman ist ein Pionier der Kryptozoologie. Er hat 30 Bücher zum Thema verfasst und ein Museum mit Tausenden von Ausstellungsstücken eröffnet. Für die DW erklärt er im Interview die Grundlagen seines Faches.

Digitale, künstlerische Darstellung von Bigfoot (Bild: Jana Dörfelt)
Wie würden sagenumwogene Lebewesen aussehen, wenn sie existieren würden? Für Global Ideas haben verschiedene Künstler die Frage auf ihre Art beantwortet. Bigfoot könnte etwa so aussehen.Bild: Jana Dörfelt

Auch wenn sie von vielen verspottet wird, so hat die Krypotozoologie doch engagierte Anhänger. Dennoch ist dieses Gebiet beim größten Teil der Wissenschaftsgemeinde verpönt. Aber selbst, wenn sie wissenschaftliche Methoden und Beweisstandards nicht wahren mag, so hat die Kryptozoologie mit ihrem leidenschaftlichen Interesse für neue Möglichkeiten und unbekannte Lebensformen viele Menschen in ihren Bann gezogen.

Global Ideas: Wenn wir uns in einem Aufzug treffen würden - wie würden Sie Kryptozoologie während der kurzen Zeit einer Fahrstuhlfahrt erklären?

Loren Coleman: Kryptozoologie ist die Erforschung von "versteckten oder unbekannten Tieren". Einige reden in den Medien von Monstern oder nur von Bigfoot, Nessi und dem Yeti, aber eigentlich geht es um die Suche nach neuen Tierarten.

Was war für Sie der Schlüsselmoment, in dem Sie entschieden haben, sich der Kryptozoologie zu widmen?

Ich sah einen japanischen Film "Half Human" über den Schrecklichen Schneemenschen und fragte meine Lehrer, was es mit dem Yeti auf sich hat. Ich bekam drei Antworten: "Er existiert nicht", "Scher' dich um deine Hausaufgaben" und "Lass mich mit sowas in Ruhe". Frustriert, aber nach wie vor neugierig, ging ich mit derselben Frage in die Stadtbücherei in Decatur, Illinois. Die Bibliothekare gaben mir dann einige Bücher, aber auch darin wurde dieses Thema kaum behandelt. Damals wurde es noch als "romantische Zoologie" bezeichnet, erst später kam der Begriff "Kryptozoologie" auf.

Seit 54 Jahren befasst sich Loren Coleman mit dem Feld der Kryptozoologie - 30 Bücher hat er in dieser Zeit über Kryptiden und die großen Mythen in diesem Gebiet geschrieben.Bild: International Cryptozoology Museum


Was waren Ihre ersten Schritte in der Kryptozoologie?

Romantische Zoologie/Kryptozoologie und Tier-Mythen weckten mein Interesse; ich begann mit lokalen Expeditionen - und begleitete die örtliche Polizei, wenn sie mal wieder Hinweisen auf Sichtungen von schwarzen Panthern oder kleinen Menschenaffen nachging. Ich begann, Forschern aus aller Welt zu schreiben und wählte meine Universität (ich studierte Anthropologie und Zoologie) entsprechend. 1974 zog ich in den Norden Kaliforniens, um dort mehr über den Bigfoot herauszufinden.

Sie haben 2003 ein Museum eröffnet, viele Jahre nach Beginn Ihrer Suche. Was genau erwartet die Besucher dort? Haben Sie alle Exponate selbst gesammelt?

54 Jahre lang habe ich Artefakte und Materialien für das Museum gesammelt - insgesamt sind es um die 10.000. Die Sammlung begann, als ich das erste Mal mit Kryptozoologie in Berührung kam. Das war 1960. Ich reiste in beinahe jeden Staat der USA für Expeditionen, hielt Vorträge oder ermittelte einzelne Fälle; ich reiste auch quer durch Kanada und nach Mexiko. 1999 führte mich eine Expedition nach Loch Ness. Auf meinen Reisen sammelte ich Objekte wie etwa örtliche Kunst, weitere Beweisgegenstände, aber auch entsprechende Bezüge in der Gegenwartskultur.

Mit dem “Schrecklichen Schneemann”, besser bekannt als Yeti, hat Loren Colemans Faszination für die Krypotozoologie begonnen.Bild: Jennifer Seitz

Können Sie beschreiben, was die Menschen an Kryptozoologie so faszinierend finden? Was sind die bekanntesten Beispiele?

Menschen lieben Kryptozoologie, weil sie das menschliche Interesse an Tieren und Mythen kombiniert. Bigfoot, Nessi, der Yeti - Namen, die jeweils ganz unterschiedliche Erscheinungen benennen - sind die "Prominenten unter den Kryptiden", wie ich sie nenne.

Nessi, das Monster von Loch Ness, gehört - zusammen mit Yeti und Bigfoot - zu den Promis unter den Kryptoiden.Bild: Klaus Esterluss

Warum interessieren sich Leute vor allem für diese prominenten Beispiele?

Menschen sind darauf konditioniert, sich für Tiere zu interessieren, die uns Menschen ähneln, also zuvorderst unbekannte Mensch-Wesen, aber natürlich auch andere Säugetiere und weitere Tiere, die in dieses Muster fallen - also so groß sind wie Menschen oder größer. Allgemein befasst sich Kryptozoologie mit unbekannten Tieren, die mindestens so groß sind wie eine Hauskatze.

Innerhalb der Kryptiden - gibt es da mehr Säugetiere, Reptilien oder Fische? Und wann gilt eine Kreatur als Kryptide?

Je kleiner die Tiere, umso mehr unbekannte gibt es. Es werden also mehr neue Insekten entdeckt als Säugetiere. Kryptozoologen befassen sich allerdings nicht allzu oft mit Insekten. Aber Berichte von Einheimischen über gigantische Insekten in Neuguinea zum Beispiel oder riesige Spinnen im Kongo wären von Interesse für uns. Unbekannte Arten werden Kryptiden genannt, man kann sie auf der ganzen Welt finden.



Wie steht es mit dem Okapi? Oder Tigern und Leoparden, deren Existenz in der Kryptozoologie angenommen und später tatsächlich bewiesen wurde?

Kryptozoologie ist eine Methode, neue Tiere zu finden; eine, die Offenheit verlangt und nicht gut mit einer Scheuklappen-Perspektive zusammengeht. Sei es eine neue Flussdelfin-Art oder die eines unbekannten Tapirs, die Anfang 2014 entdeckt wurden, eine neue Vogelart im New Yorker Central Park oder eine bislang unbekannte Schildkröte im Süden der USA - die Kryptozoologie hat Horizonte erweitert - weltweit. Ich wurde der "moderne Popularisierer der Kryptozoologie" genannt, weil sich meine Bücher mit dem Thema befassen und beim Riesenkalmar, dem Okapi, dem Berggorilla, dem Quastenflosser und anderen Entdeckungen von kryptiden Arten sehr ins Detail gehen.

Können Sie uns einen Einblick in die Kryptozoologie-Szene geben: Wächst sie? Wo hat sie ihren Ursprung?

1960 gab es etwa fünf Leute in den USA, die über Kryptozoologie im Allgemeinen korrespondierten, und etwa 100 weitere, die über Bigfoot diskutierten. Heute, 2014, gibt es Tausende, wenn nicht sogar Zehntausende. Bücher, Internetseiten, Facebook-Gruppen und Fernsehsendungen über Kryptozoologie sind überall. Eine Sendung mit dem Namen "The 10 Million Dollar Bigfoot Bounty" hatte 800.000 Zuschauer in der zweiten Woche. Außerdem gibt es viele Konferenzen zu Bigfoot, die viele Teilnehmer haben: Die jährliche Konferenz in Ohio zieht jedes Mal mehr als 1000 Leute an. Kongresse in England, Frankreich und Belgien verzeichnen ähnliche Teilnehmerzahlen. Wir beobachten ebenfalls "Krypto-Tourismus": Menschen, die Bigfoot mit Kameras jagen, die Seen mit Monstern darin besuchen oder die mein Museum sehen wollen. Es ist ein komplett neues Feld, das seit 1999 wächst und gedeiht.

Selten befassen sich Kryptozoologen mit Insekten - es sei denn es handelt sich etwa um riesige Spinnen aus dem Kongo.Bild: Katalin Pöge



Kryptozoologie wird oft als Pseudowissenschaft bezeichnet. Viele Leute und Wissenschaftler tun die Existenz von Yeti, Bigfoot, Nessi und Riesenspinnen als Spinnerei ab. Was sagen Sie diesen Kritikern?

Kryptozoologie ist eine skeptische, weltoffene Wissenschaft, eine Teildisziplin der Zoologie. Ich fühle mich keineswegs in der Defensive angesichts der Kritiker, die nach 54 Jahren immer noch nicht verstehen wollen, was Kryptozoologie wirklich ist.

Kryptozoologen suchen nach Arten, die noch nicht gefunden wurden, von deren Existenz sie aber überzeugt sind. Manchmal lassen sich diese Lebewesen tatsächlich nachweisen: wie das Okapi, der Berggorilla und der Quastenflosser.Bild: Michael Zander
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