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Politik

Kuba: Die Geschichte des US-Embargos

29. Juni 2020

60 deutsche Wissenschaftler haben die Bundesregierung vor Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft aufgefordert, sich für ein Ende der US-Sanktionen gegen Kuba einzusetzen. Eine Chronologie der 60-jährigen Blockade.

Kuba | Flughafen in Havanna
31.08.2016: Der erste kommerzielle Flug zwischen USA und Kuba seit mehr als einem halben Jahrhundert Bild: picture-alliance/dpa/AP Photo/R. Espinosa

In dem Jahr, das auch als Afrikanisches Jahr bezeichnet wird, weil gleich 18 afrikanische Kolonien ihre Unabhängigkeit erlangen, in dem die Sowjetunion zwei Hunde ins All schickt und der Mossad Adolf Eichmann in Buenos Aires ergreift, schafft der 34. Präsident der USA außenpolitische Fakten, mit denen sich alle seine elf Nachfolger herumschlagen müssen: Dwight D. Eisenhower, der frühere Armeegeneral, empfiehlt im Jahr 1960 den US-Bürgern, von Reisen nach Kuba abzusehen.

Die USA hatten bereits die Wirtschaftshilfe für die Insel eingestellt und die Einfuhr von Zucker - Kubas wichtigstem Exportgut - gedrosselt, nachdem Kuba entschädigungslos US-amerikanisches Vermögen enteignet hatte. Eisenhower ist felsenfest davon überzeugt, mit diesem Embargo Fidel Castro und seine Revolutionäre, die ein Jahr zuvor den von Washington unterstützten Diktator Fulgencio Batista gestürzt und siegreich in Kubas Hauptstadt Havanna eingezogen waren, innerhalb kürzester Zeit in die Knie zu zwingen.

Ein Plan für Wochen und Monate, am Ende 60 Jahre

Fulgencio Batista floh aus Kuba in die Dom. Rep.Bild: Imago Images/United Archives International

Wie lange kann das kleine Eiland - ohne fremde Hilfe - dem Druck der Supermacht standhalten? Optimisten in den Vereinigten Staaten gingen damals vielleicht von 60 Tagen aus, Realisten von 60 Wochen, also einem guten Jahr, Pessimisten von 60 Monaten, also fünf Jahren. Sie sollten sich alle täuschen.

Auch 60 Jahre später hat das Embargo noch Bestand, die Versorgungskrise in Kuba hat wegen der Sanktionen und Corona allerdings dramatische Züge angenommen, und der 45. US-Präsident Donald Trump zieht die Zügel weiter an, weil der US-Bundesstaat Florida mit den vielen Exilkubanern in und um Miami bei den Wahlen im November das Zünglein an der Waage spielen könnte.

Schweinebucht-Desaster und Kubakrise

Januar 1961 zieht auch Eisenhower noch einmal die Zügel an: am 3. Januar brechen die USA die diplomatischen Beziehungen zu Kuba ab. Der Republikaner ist zu dem Zeitpunkt einige Tage vor dem Ende seiner achtjährigen Präsidentschaft - gerade einmal zwei Wochen später wird er sein Amt an den überraschenden Wahlsieger John F. Kennedy übergeben. Soll sich doch der 43-jährige Demokrat, den der 27 Jahre ältere Eisenhower als zu unerfahren für das Weiße Haus betrachtet, an Kuba die Zähne ausbeißen.

Kennedy indes will gar nicht erst den Eindruck entstehen lassen, er sei im Konflikt mit Kuba zu weich und fasse Castro mit Samthandschuhen an. Ab März 1961 dürfen nur noch Lebensmittel und medizinische Hilfsgüter mit einer Ausnahmegenehmigung nach Kuba exportiert werden, der Import von kubanischem Zucker wird auf Null zurückgefahren.

Exilkubaner nach ihrer Gefangenenahme durch kubanische MilizenBild: picture-alliance / Miguel Vinas

Einen Monat später, am 17. April, dann das Schweinebucht-Desaster: Eine Söldnertruppe von Exilkubanern versucht mit Hilfe des US-Geheimdienstes CIA, Castro zu stürzen. Kubas Revolutionsarmee schlägt die dilettantisch vorbereite und durchgeführte Invasion zurück.

Ein Jahr später, am 24. März 1962, setzt Kennedy ein komplettes Wirtschaftsembargo gegen Kuba durch. Der Konflikt mit der Sowjetunion spitzt sich derweil zu, die Welt steht wegen der Kubakrise am Rande eines atomaren Dritten Weltkriegs. Der US-Präsident antwortet mit einer Seeblockade auf die Stationierung sowjetischer Raketen auf Kuba, Präsident Nikita Chruschtschow lässt die Raketen nach Verhandlungen wieder abziehen - unter der Bedingung, dass die USA nicht in Kuba einmarschieren.

Blockade-Lockerungen erst unter Carter

Um das Embargo wird es in den nächsten 15 Jahren ruhig, die US-Präsidenten haben andere Dinge zu tun: Lyndon B. Johnson schafft 1964 mit dem Civil Rights Act die öffentliche Rassentrennung ab, Richard Nixon feiert 1969 die Mondlandung, kapituliert dann in Vietnam und wird durch die Watergate-Affäre aus dem Amt gejagt, Gerald Ford setzt 1975 seine Unterschrift unter die Schlussakte von Helsinki, um die Beziehungen zwischen Ost und West zu normalisieren. 

Am 14. Mai 2002 zeigte Ex-US-Präsident Jimmy Carter Fidel Castro, wie man Baseball spieltBild: Adalberto Roque/AFP/Getty Images

Ein früherer Erdnussfarmer bringt wieder ein wenig Bewegung in die Beziehungen zwischen den USA und Kuba. 1977, 16 Jahre nach dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen durch Eisenhower, lockert Jimmy Carter die Reisebestimmungen, Washington eröffnet in Havanna eine sogenannte Interessenvertretung. Auch Kuba wählt diesen Ausdruck und bezieht ein Büro in Washington.

Der Demokrat Carter ist noch Präsident, als Tausende Kubaner die peruanische Botschaft in Havanna besetzen. Fidel Castro genehmigt die Ausreise. Von April bis Oktober 1980 fliehen 125.000 Kubaner nach Florida - in überfüllten Booten und ganz legal. Die größte Massenflucht aus Kuba geht als Mariel-Bootskrise in die Geschichte ein - weil die Kähne vom Hafen Mariel nahe der Hauptstadt los schippern.

Kubas harte Jahre nach dem Fall des Vorhangs

Ronald Reagan (r.) und sein späterer Nachfolger als US-Präsident: George BushBild: AP

Eine Dekade später haben sich die Voraussetzungen in dem Konflikt grundlegend geändert: Der Eiserne Vorhang ist gefallen, der Kalte Krieg beendet, die kubanische Schutzmacht Sowjetunion zusammengebrochen. Kuba ächzt unter der sogenannten "Sonderperiode": Stromausfälle häufen sich, Fabriken schließen, Versorgungsengpässe sind an der Tagesordnung. Die kubanische Wirtschaft schrumpft zwischen 1989 und 1992 um die Hälfte.

Georg Bush, Nachfolger von Ronald Reagan, wittert die Chance, Kuba endgültig die Luft abzuschnüren. Der Kongress nennt es anders und verabschiedet 1992 den "Cuban Democracy Act". US-Firmen in Drittländern dürfen nicht mehr mit Kuba handeln, die meisten Charterflüge zwischen Miami und Havanna werden verboten. Bush darf auch Staaten Hilfsmittel streichen, wenn diese mit Kuba kooperieren. Immerhin: Briefe nach Kuba schreiben darf man noch, auch telefonieren ist kein Problem.

Bootsflucht, die zweite: Die "Balsero"-Krise

Ein Jahr später, Bill Clinton ist gerade Präsident geworden, fordert die UN-Vollversammlung die USA mit 88 Stimmen und 57 Enthaltungen auf, das Embargo endlich aufzuheben. Es gibt vier Gegenstimmen, eine natürlich aus Washington.

Weil 1994 tausende Kubaner auf die Straße gehen, um gegen die schwierigen Lebensumstände zu demonstrieren, greift Fidel Castro erneut zum Ventil der Massenauswanderung, um die Lage zu beruhigen. 33.000 Kubaner fliehen mit selbstgebauten Flößen in die USA. Auf spanisch heißen diese "Balsas", deswegen gilt dieser Exodus als "Balsero"-Krise.

Washington sagt daraufhin zu, jährlich 20.000 Visa für kubanische Einwanderer auszustellen. Im Mai 1995 bekommt die Politik beider Länder einen ganz speziellen Namen: "Nasser Fuß, trockener Fuß": Erreicht ein kubanischer Flüchtling die USA, quasi trockenen Fußes, darf er bleiben. Wird er dagegen, nassen Fußes, auf offener See aufgebracht, geht es zurück nach Kuba.

Clinton unterzeichnet dann doch den Helms-Burton-Act

Der Demokrat Bill Clinton, der gerade das Dayton-Friedensabkommen nach dreieinhalb Jahren Krieg in Bosnien und Herzegowina vermittelt hat, will eigentlich das Embargo ent- und nicht verschärfen und kündigt an, sein Veto gegen das bereits vom Kongress verabschiedete Helms-Burton-Gesetz einzulegen. Doch dann schießt Kuba zwei US-Zivilflugzeuge mit vier Exilkubanern an Bord ab.

Clinton unterzeichnet schließlich 1996: Geschäfte zwischen US-Bürgern und Kuba werden weiter eingeschränkt, jegliche öffentliche oder private Unterstützung für das Castro-Regime wird sanktioniert. Immerhin erlaubt Clinton später den Verkauf verschiedener US-Produkte nach Kuba.

US-Präsident Bill Clinton unterschreibt das Helms-Burton-GesetzBild: picture-alliance/AP Photo/D. Paquin

Einen Teil des Helms-Burton-Act lässt er, wie seine Nachfolger George W. Bush und Barack Obama, erst einmal aussetzen. Erst Donald Trump erlaubt es 2019 US-Bürgern, die aus ihrer Sicht während der kubanischen Revolution sechs Jahrzehnte zuvor enteignet wurden, vor US-Gerichten auf Entschädigungszahlungen zu klagen.

USA ignorieren Abstimmung der Vereinten Nationen

Clintons Nachfolger George W. Bush hat außenpolitisch alle Hände voll zu tun, um Kuba kann er sich nicht auch noch kümmern: Nach den Terroranschlägen vom 11.September 2001 marschieren die USA mit Großbritannien und einer "Koalition der Willigen" in den Irak ein, fangen Saddam Hussein, Osama bin Laden aber nicht. 2004 verschärft Bush aber erneut die Reisebeschränkungen: In den USA lebende Kubaner oder US-Bürger mit kubanischer Abstimmung dürfen ihre Verwandten nur noch alle drei Jahre statt wie bisher jährlich besuchen.

Im Jahr 2008, Revolutionsführer Fidel Castro tritt kraftlos und abgekämpft als Präsident ab und überlässt Bruder Raúl das Feld, stimmen die Vereinten Nationen wieder für eine Ende des US-Embargos. Jetzt sind es nur noch drei Länder, die dagegen stimmen: darunter wieder die USA, welche die Abstimmung aber wenig beeindruckt. Schließlich ist die Entscheidung nicht bindend.

Politisches Tauwetter unter Obama

Der erste Handschlag: Barack Obama und Raul Castro treffen sich in Südafrika bei der Beerdigung von Nelson MandelaBild: Reuters

Es ist Barack Obama, der zehnte Nachfolger von Eisenhower, der den politischen Frühling mit Kuba einläutet. Der erste afroamerikanische Präsident spricht von einem "Neuanfang nach Jahrzehnten des Misstrauens", lockert die Reisebeschränkungen für Exilkubaner und die Vorschriften für Geldtransfers. Auf der Trauerfeier für den früheren südafrikanischen Präsidenten Nelson Mandela in Johannesburg 2013 kommt es zum historischen Händedruck mit Raúl Castro.

Und das Tauwetter geht weiter: Beim Amerika-Gipfel in Panama zwei Jahre später gibt es sogar ein direktes Gespräch der beiden Staatschefs. Obama lässt Kuba von der US-Terrorliste streichen, die diplomatischen Beziehungen wiederherstellen und sogar die US-Botschaft in Havanna durch Außenminister John Kerry wiedereröffnen. März 2016 landet Obama zu einem dreitägigen Besuch in der Hauptstadt Havanna, Raúl Castro fordert als nächsten Schritt eine vollständige Aufhebung des US-Embargos.

Doch dazu kommt es nicht, ganz im Gegenteil: Am 8. November 2016, zwei Wochen bevor Fidel Castro im Alter von 90 Jahren stirbt, gewinnt Donald Trump die Präsidentschaftswahlen in den USA - und dreht die Uhren wieder zurück. Heute ist Kuba wieder auf einer US-Liste von "Terrorstaaten", die USA erschweren die sogenannten "Remesas", die Geldüberweisungen der im Ausland lebenden Kubaner an ihre Familien, oder behindern die Lieferung von gerade in Corona-Zeiten lebenswichtigen Medikamenten.

Vor 60 Jahren ging es "nur" um Zucker, jetzt ist die US-Blockade gegen Kuba stärker und gefährlicher für die kubanische Bevölkerung als je zuvor.

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