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Gentrifizierung in Kubas (Post-)Kommunismus

Andreas Knobloch
4. August 2017

Kubas Wirtschaft wird zaghaft privatisiert. Doch es ist nicht unproblematisch, wenn mehr und mehr Lebensbereiche kapitalistischen Mechanismen unterworfen werden. Deutlich wird das auf dem Wohnungsmarkt der Hauptstadt.

Straßenansicht Havanna Kuba mit renoviertem Haus
Bild: DW/A.Knobloch

"Mietwohnungen für Kubaner?!" Mayito zieht die Augenbrauen hoch und schüttelt mit dem Kopf. "Gibt es kaum noch. Wenn du das Glück hast, eine zu haben, halt sie fest …", sagt er. "Havanna ist extrem teuer geworden." Seit Wochen schon sucht der Mittezwanziger, der als Kulturpromoter arbeitet, nach einem Zimmer zur Untermiete in Havannas beliebten Stadtteil Vedado.

Auch die Schauspielerin Mabel Torres hat Schwierigkeiten, in Vedado, wo sie seit Jahren wohnt, eine bezahlbare Mietwohnung zu finden. "Vor sechs Jahren noch habe ich für eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit Balkon hier in Vedado 140 konvertible kubanische Pesos (CUC) im Monat bezahlt. Heute ist es selbst für 300 oder 400 CUC fast unmöglich eine Wohnung zu bekommen", klagt sie. "Meine Freunde ziehen nach und nach weg aus Vedado, weil sie die Mieten nicht mehr zahlen können." Ähnliches lässt sich in der Altstadt und in abgeschwächter Form im Stadtteil Centro Habana beobachten.

Jetzt darf auf eigene Rechnung gearbeitet werden

Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig. Seit der Regierungsübernahme durch Raúl Castro im Jahr 2008 befindet sich Kuba im Umbruch. Die Wirtschaft öffnet sich für ausländisches Kapital, der Staatssektor wurde reduziert und mehr Privatinitiative zugelassen. Zudem erlaubte die Regierung den Kauf und Verkauf von Autos und Immobilien.

Das führte dazu, dass Häuser und Wohnungen heute wieder Kapitalanlage bzw. Produktionsmittel sind - als Bars oder Ferienwohnungen. So haben im Zuge der Ausweitung des Kleinunternehmertums - in Kuba trabajo por cuenta propia, Arbeit auf eigene Rechnung, genannt - viele Haus- und Wohnungsbesitzer, die früher unter der Hand vermietet haben, ihr Geschäft inzwischen legalisiert.

Dies fällt zusammen mit einem Tourismusboom. Spätestens seit Ende 2014, als der damalige US-Präsident Barack Obama und Kubas Staatschef Raúl Castro den Beginn einer vorsichtigen Annäherungspolitik verkündeten, ist Kuba eines der angesagtesten Reiseziele weltweit. Im vergangenen Jahr besuchten erstmals mehr als vier Millionen Touristen Kuba; 14.000 privat vermietete Zimmer gibt es heute auf der Insel, der größte Teil davon in Havanna.

Touristen bringen Geld - und Probleme

"Nochmal nach Kuba reisen, bevor es sich verändert." Diesen oder ähnliche Sätze hört man von Kuba-Touristen immer wieder, wenn es um die Motive für ihre Reise geht. Dass sie selbst Teil dieser Veränderung sind und diese sogar beschleunigen, ist den wenigsten bewusst.

"Infolge der aktuellen wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen erleben Kubas Städte einen Strukturwandel, auf den sie kaum vorbereitet sind. Die Öffnung für Marktmechanismen sowie der sprunghafte Anstieg des Tourismus - insbesondere durch die Annäherung an die USA - bringen weitreichende Änderungen der urbanen Nutzung mit sich", erklärt Bert Hoffmann, Kuba-Experte am German Institute of Global and Area Studies (GIGA).

"Die soziale Polarisierung der Gesellschaft wird sichtbar. Einzelne Gebäude oder Wohnungen werden teils aufwändig renoviert, um als Restaurants oder Bed and Breakfasts für Touristen genutzt zu werden, während parallel dazu - oft in unmittelbarer Nachbarschaft - der Verfall der Bausubstanz ungebremst weitergeht."

In attraktiven Wohnlagen verzeichneten Wohnungsbesitzer einen hohen Wertzuwachs ihrer Immobilien; mit den Wirtschaftsreformen können diese nun auch legal verkauft werden. "In der Folge erleben etwa die zentralen Stadtteile Havannas einen Prozess der Gentrifizierung, bei dem bisherige Bewohner verdrängt werden, wenn Wohnungen in Touristenunterkünfte umgewandelt oder von zahlungskräftigeren Kubanern, oft mit finanzieller Unterstützung aus dem Ausland, erworben werden."

Die Polarisierung der Gesellschaft zeigt sich auch am Zustand der Häuser in HavannaBild: DW/A. Valle

"Das alte Havanna ist tot"

Besonders betroffen von dieser Entwicklung ist Havannas Altstadt. Die Bucht von Havanna wird derzeit zum Tourismushafen umgewidmet. Bis zu dreimal die Woche legen Kreuzfahrtschiffe dort an. An Bord mehrere Tausend Passagiere, die sich in die ohnehin von Touristen überlaufene Altstadt ergießen. „Die Ankunft des ersten großen Kreuzfahrtschiffs im Sommer 2016 gab einen Vorgeschmack auf das, was manche "Venedigisierung" nennen: Wenn Havanna mehr noch als bisher zum Touristenmagneten und zur Kreuzfahrt-Destination mutiert, wird dieser Wandel auch die kulturelle Identität und das Lebensgefühl der Stadt ändern", befürchtet Hoffmann.

Für einige hat er das bereits: "'Habana Vieja' ist tot", sagt ein Unternehmer, der die Entwicklungen in der Altstadt jeden Tag aus nächster Nähe verfolgt, der seinen Namen aber nicht in der Zeitung oder im Netz lesen will. "Ich habe das Gefühl, die ganzen Schausteller, Verkäufer und Kellner werden da jeden Morgen hingekarrt, um die Kulisse für die Touristen zu bilden, die dann im Laufe des Tages auftauchen. Und nach 22 Uhr ist dann kein Leben mehr auf der Straße." Das rasante Tempo, mit dem sich alles verändert, mache ihm Angst.

Im Zentrum ist kein Platz mehr für Kubaner

Mit dem Ansturm der Touristen haben die Häuserpreise in Havannas Altstadt stark angezogen; die Lebenshaltungskosten steigen; langansässige Bewohner ziehen weg - in die günstigeren Außenbezirke. "Die Altstadt gehört den Ausländern", sagt Maykel, der illegal als Immobilienscout arbeitet und deshalb seinen richtigen Namen nicht nennen möchte.

Da Ausländer in der Regel nicht legal Immobilien auf Kuba erwerben können, tun sie dies über kubanische "Strohmänner". Es gebe, so Maykel, Immobilienagenturen, die spezielle juristische Konstrukte anbieten, nach denen die ausländischen Immobilieninvestoren ihr Geld zumindest formal absichern können. "Die Altstadt, vor allem der bereits restaurierte und Malecón-nahe Teil ist mehr oder weniger komplett verkauft", sagt Maykel. "Alles wird zu Restaurants, Bars und Ferienwohnungen. Habana Vieja entvölkert sich."

Eine Möglichkeit, Verdrängung und der Disneysierung der Altstadt entgegenzuwirken wäre, die Vergabe von Ferienwohnungs- und Barlizenzen zu beschränken. Doch die kubanische Regierung steht vor einem schwierigen Spagat: Einerseits will sie den Tourismus fördern, um die Wirtschaft in Gang zu bringen und Einnahmequellen für die Bevölkerung zu schaffen. Gleichzeitig aber soll die Schere zwischen Arm und Reich nicht zu weit auseinander gehen. Diese Tendenz kann man am Stadtbild ablesen. Erste Luxushotels öffnen bereits ihre Pforten.

Mabel Torres hat nach langer Suche immerhin eine renovierungsbedürftige Zwei-Zimmer-Wohnung in Centro Habana für 250 CUC Monatsmiete gefunden. Mayito sucht noch immer und freundet sich langsam mit dem Gedanken an, dass das in Vedado wohl nichts mehr werden wird

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