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LiteraturKuba

Kuba im Lockdown: Buchmesse Havanna fällt aus

Victoria Dannemann
12. Februar 2021

Die Messe in Havanna wurde abgesagt, auch sie ein Opfer der Pandemie. Ein harter Schlag für kubanische Autoren und Verlage. Doch ans Aufgeben denkt niemand.

Logo der Buchmesse Havanna
Dieses Jahr fällt die bei Kubanern beliebte Buchmesse der Pandemie zum Opfer Bild: Cámara Cubana del Libro

Eigentlich hätte die Jubiläumsausgabe der Internationalen Buchmesse in Havanna (FIL) vom 11. bis zum 21. Februar stattfinden sollen. Eigentlich. Denn das Kulturministerium und das "Instituto Cubano del Libro" (das "Kubanische Institut des Buches") haben die 30. Ausgabe der FIL in diesem Jahr abgesagt. Ausschlaggebend für die Entscheidung waren nicht nur die coronabedingten Risiken für die Bevölkerung. Die Veranstalter standen auch vor der Frage: Wozu soll eine internationale Buchmesse gut sein, wenn kein Verlag aus dem Ausland anreisen kann?

Diese Entscheidung der Organisatoren war zu erwarten. Auch andere Messen wurden bereits abgesagt. Aber nach einem verlustreichen Jahr ist es ein harter Schlag, nicht nur für die kubanische, sondern für die gesamte lateinamerikanische Verlagsindustrie. Allein in Mexiko sind die Einnahmen laut Schätzungen der Verlage um 29 Prozent zurückgegangen - man geht davon aus, dass die Branche ein Jahrzehnt brauchen wird, um sich zu erholen. In Kuba werden Bücher vom Staat als Kulturgut subventioniert: jeder soll Zugang zur Literatur haben können. Die Verlagskrise hier hat auch etwas mit der prekären Situation der Staatsfinanzen zu tun.

Seit 30 Jahren Kubas beliebtestes Kulturevent

Die FIL wurde 1982 in der kubanischen Hauptstadt  ins Leben gerufen und findet alljährlich im Februar in der Festung San Carlos de La Cabaña statt. Im letzten Jahr lockte sie 400.000 Besucher an. In Messe-Zeiten werden die meisten Buchverkäufe getätigt, angeregt von Lesungen, Ausstellungen und Treffen mit den Autoren. Die Messe ist auch der Ort schlechthin für internationalen Austausch, denn hier werden Bücher aus dem Ausland vorgestellt, die man sonst nicht so einfach in den Buchläden findet.

In normalen Jahren drängeln sich die Besucher auf dem Messeegelände Bild: AP

"Die Buchmesse in Havanna ist das beliebteste kulturelle Event in Kuba", so die Direktorin der staatlichen Stelle für Bücher, Daimarelys Moreno, gegenüber der DW. Sie finde nicht nur in der Hauptstadt statt, es gebe bis in den April hinein auch in den Provinzen Aktionen und Veranstaltungen rund ums Buch - was die Messe zu einem nationalen Ereignis macht.

2020 war noch alles normal...

2020 stellten 108 Verlage, die Hälfte davon aus dem Ausland, ihre Bücher in Havanna vor, insgesamt über 4000 Titel. Konferenzen, Buchpräsentationen und Diskussionsrunden rundeten das Messe-Programm ab.

 "Wir wissen alle, was uns Corona auferlegt, und es ist verständlich, dass die Messe abgesagt wurde. Alle Verlage waren damit einverstanden - unter der Bedingung, dass die Literatur weiterhin gefördert wird", so Moreno. "Die Verlage entschieden, eine Strategie zu entwickeln, um dem Publikum weiterhin den Zugang zur Literatur zu ermöglichen."

Das kubanische Kulturinstitut "Casa de las Américas", das in ganz Lateinamerika einen hervorragenden Ruf genießt, hat in diesem Jahr auch den begehrten Literaturpreis ausgesetzt - zu schwierig seien der Wettbewerb und die Siegerehrung angesichts der Pandemie umzusetzen. Die renommierte Auszeichnung, die seit 1960 vergeben wird, hat unter den preisgekrönten Autoren, aber auch den Juroren schon viele namhafte Vertreter der ibero-amerikanischen Literatur gesehen.

Verlagsindustrie im Stillstand

Nach Angaben des Regionalen Zentrums zur Förderung von Büchern in Lateinamerika und der Karibik (CERLALC), einer von der UNESCO geförderten zwischenstaatlichen Organisation, wurden im Jahr 2016 in Kuba insgesamt 2006 registrierte Bücher herausgegeben. Weit entfernt also von Ländern mit größeren Industrien, wie zum Beispiel Argentinien (27.170 Titel). In ganz Lateinamerika wurden fast 189.000 Bücher veröffentlicht.

Für den preisgekrönten kubanischen Schriftsteller Leonardo Padura befindet sich die Verlagsindustrie seines Landes in einem "elenden Zustand, der durch den Stillstand während der Pandemie noch verschlimmert wird, aber vor allem durch den Mangel an staatlichen Mitteln für den Druck von literarischen Büchern verursacht wird, denn andere - etwa politische Bücher - werden normalerweise häufiger veröffentlicht". 

Kubas renommierter Autor Leonardo Padura sieht die kubanische Buchindustrie nicht nur während der Pandemie in der Krise Bild: Raúl Prado

Der Autor von Kriminalromanen erinnert im Gespräch mit der DW daran, dass "in Kuba bis in die 1980-er Jahre viele Bücher in großer Auflage veröffentlicht wurden. Vom ersten hier veröffentlichten Roman von Simenon wurden 50.000 Exemplare gedruckt." Allerdings sei diese Produktion im Jahr 1991 auf Null gesunken. "Als der Ostblock verschwand, von dem Kuba fast vollständig abhängig war, zeigte sich die Krise zuerst darin, dass keine Bücher mehr gedruckt wurden."

Nach einer langsamen, vom Staat getragenen Erholung, so Padura, sei "die Buchindustrie in den gegenwärtigen Zustand des Stillstands verfallen". Der vielfach ausgezeichnete Autor bedauert, dass die Buchhandlungen aufgrund des derzeitigen Büchermangels und des Fehlens von Maßnahmen zur Förderung der Bücherproduktion leer seien. "Die Pandemie hat in Kuba die anderen Industrien nicht lahmgelegt und hätte es auch mit der Buchindustrie nicht tun dürfen", betont er.

Die Branche muss sich neu erfinden

Angesichts der Absage der diesjährigen Buchmesse organisieren die Verlage Veranstaltungen und Buchvorstellungen in virtueller Form und über die sozialen Medien und unterstützen damit den Verkauf der Bücher - gemeinsam mit der kubanischen Presse. Einige Autoren stellen ihre Arbeit auch selbst über die sozialen Medien und in Videokonferenzen vor.

Die Verlage setzen stark auf E-Books, ein Trend, der sich seit der letzten Messe fortsetzt. Als eine Möglichkeit, die Krise im Verlagswesen zu bewältigen, hat dieses Format inmitten der Pandemie an Bedeutung gewonnen. "Es werden viele digitale Ausgaben herausgegeben. Wir mussten uns neu erfinden und neue Strategien entwickeln, damit die Öffentlichkeit weiter Zugang zu Büchern hat", sagt Daimarelys Moreno.

Bücher gelten in Kuba als Kulturgut - auch der lesende Nachwuchs ist normalerweise auf der Buchmesse willkommen Bild: Cámara Cubana del Libro

Die Idee einer virtuellen Buchmesse, wie sie im mexikanischen Guadalajara und im chilenischen Santiago stattgefunden hat, wurde hingegen verworfen, erklärt Moreno: "Unsere Buchmesse in Havanna lebt davon, dass sie beim Publikum, vor allem bei den Familien, so beliebt ist. Wir haben beschlossen, dass das 30. Jubiläum dann 2022 wie gewohnt in Präsenz nachgeholt wird, genau wie die lokalen Messen auch." In der Zwischenzeit wird Kuba weiterhin an virtuellen internationalen Messen teilnehmen, zu denen es eingeladen wird - in der Erwartung, im Februar nächsten Jahres sein beliebtes Fest des Buches und der Kultur endlich wieder eröffnen zu können.

Adaption aus dem Spanischen: Maria John-Sánchez, Suzanne Cords. 

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