Auf Kuba wächst die Zahl der selbstständigen Unternehmer. Für ihre Geschäfte benötigen sie Kredite. Doch der Bankensektor des Landes hat damit wenig Erfahrung. Die deutsche Sparkassenstiftung soll das ändern.
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Das kommunistisch regierte Kuba hat 2011 einen Reformprozess begonnen, der Marktmechanismen stärker berücksichtigt. Seitdem hat die Zahl der Selbstständigen und Unternehmensgründer zugenommen. Von den rund elf Millionen Einwohnern des karibischen Inselstaats galten Ende 2016 mehr als 535.000 offiziell als selbstständig, so das kubanische Ministerium für Arbeit und Soziale Sicherheit (MLSS).
Zu den wichtigsten Branchen für Selbstständige gehören die Herstellung und der Verkauf von Lebensmitteln (60.000 Personen), das Transportwesen (55.000), die Vermietung von Wohnraum (34.000) und die Telekommunikation (25.000).
Die Kleinunternehmer brauchen für ihre Geschäfte Kredit. Das Problem: Ihnen, aber auch den kubanischen Banken, fehlt dafür das Know-how.
Helfen soll nun die deutsche Sparkassenstiftung helfen. Die hatte schon in den Jahren 2000 bis 2002 mit der kubanischen Sparkasse Banco Popular de Ahorro (BPA) ein gemeinsames Projekt für die Schulung von Bankangestellten. Später wurde der Faden wieder aufgegriffen, 2015 schließlich wurde eine Vereinbarung zur Weiterbildung im Finanzsektor unterzeichnet. Seit 2016 ist auch die kubanische Zentralbank mit im Boot, wodurch nun der gesamte Bankensektor abgedeckt wird.
"Praxisnahe Planspiele"
"Die Herausforderung liegt darin, dass die Kleinunternehmer auf keinerlei Erfahrung als Unternehmer zurückgreifen können und kaufmännisches Wissen neu entwickelt werden muss", sagt Niclaus Bergmann, Geschäftsführer der Sparkassenstiftung gegenüber DW. Bei den Banken wiederum fehle es an Erfahrung mit der Kreditvergabe an private Kleinunternehmer und an Methoden zur Beurteilung ihrer Kreditwürdigkeit.
Selfmade-Cubanos - Kubas neuer Unternehmergeist
Sie sind das Aushängeschild des Wandels: die cuenta propistas, kleine selbständige Unternehmer in Kuba. Seit 2011 lockerte die Regierung die Gesetze für 200 Berufe. Ihre Botschaft: Kubas Sozialismus ist reformfähig.
Bild: Grit Hofmann
Die Schmuckverkäuferin
Rellas Straßenstand ist winzig, eine Nische in einem Hauseingang. Hier verkauft sie Ohrringe, Armreifen und Ringe. Früher hat Rella in einem staatlichen Betrieb als Verkäuferin gearbeitet, jetzt auf eigene Rechnung. Das Geschäft laufe ganz gut, sagt sie mit typisch kubanischem Optimismus - an manchen Tagen mehr, an manchen weniger. Ihre Kunden sind Kubanerinnen, Touristen kaufen hier nicht.
Bild: Grit Hofmann
Der berühmteste Friseur Havannas
Papito arbeitet schon seit 15 Jahren als selbständiger Unternehmer. Sein Salon wirkt wie ein Museum, mit Kunstwerken an den Wänden und antiken Friseurstühlen. "Ich habe mit einem Stuhl und vielen Haaren auf dem Kopf begonnen", sagt Papito. "Nun habe ich viele Stühle, aber kaum noch Haare." Der 45jährige engagiert sich in seinem Viertel und führt eine eigene Friseurschule.
Bild: Stefanie Schmidt
Der Handy-Reparateur
Juan repariert alte Handys. Wie das geht, hat er durch Videos im Internet gelernt. 40 Pesos, rund 1,20 Euro, kostet der Einbau neuer Lautsprecher - plus das Ersatzteil. Die Suche danach ist manchmal aufwändiger als die Reparatur selbst. Das Geschäft läuft nicht sehr gut: Ein funktionierendes Handy ist zweitrangig in einem Land, in dem ein durchschittliches Monatsgehalt bei 15 Euro liegt.
Bild: Grit Hofmann
Designerin und Schneiderin
Die studierte Juristin Estrella will internationale Mode kubanisieren. Die Trends zeigen US-Fernsehserien oder die Touristen auf der Straße. Gute Stoffe sind rar, Estrella lässt sie sich aus dem Ausland schicken. Entsprechend teuer ist ihre Mode, doch ihre Kunden aus der Oberschicht können sich das leisten. Das Geschäft als private Schneiderin brummt - als Juristin hätte sie weniger verdient.
Bild: Grit Hofmann
Ein General im Dienste der Liebe
Einst befehligte er in Kubas Armee, jetzt steht Angel Bueno im Dienst der Liebe. Der ehemalige Oberstleutnant betreibt ein Stundenhotel für junge Paare, die sonst nirgendwo allein sein können. Mit Prostitution hat das nichts zu tun. Wegen der schlechten Wohnungslage in Havanna können selbst feste Paare nicht unbedingt zusammenleben. 120 Pesos kosten drei Stunden Zweisamkeit - rund 3,60 Euro.
Bild: Grit Hofmann
Rollende Unternehmer
Ein Foto könnt ihr machen, sagt dieser Taxifahrer, aber keine Infos und keinen Namen. Dabei sind die Taxifahrer mit ihren Oldtimern die sichtbarsten cuenta propistas in Havanna. Sie arbeiten schon seit einigen Jahren auf eigene Rechnung und kutschieren Touristen in alten Ami-Schlitten durch die Stadt. Die schnellste Art an CUC zu kommen - die Währung, in der Touristen auf Kuba alles bezahlen.
Bild: Grit Hofmann
Selbstgemachtes für den Glauben
Auch im kleinen Laden gegenüber muss es schnell gehen: ein Lächeln, ein Foto, dann sollen wir gehen. Der Händler verkauft selbstgemachte Devotionalien aus Muscheln, Holz oder Bast. In Kuba gibt es mehrere traditionelle Kulte. Das hängt mit der Geschichte des Landes zusammen. Vom 16. bis zum 19 Jahrhundert wurden hunderttausende Sklaven aus Westafrika als billige Arbeitskräfte ins Land geschleppt.
Bild: Grit Hofmann
Würzige Geschäfte
Ingenieur Carlos hat über Solarmotoren für Autos promoviert, doch beruflich ist der 29jährige auf Knoblauch spezialisiert. Umgerechnet 1500 Euro investierte er in die Konstruktion einer Knoblauchpresse. Damit entzieht er dem Knoblauch das Wasser und macht ihn lange haltbar. Eine gute Idee in einem Land, in dem Knoblauch beliebt ist, die Preise aber um bis zu 600 Prozent im Jahr schwanken.
Bild: Grit Hofmann
Auf dünnen Sohlen
In einer Markthalle mitten in Havanna hat Schuhverkäufer Marichán seinen Stand. Seit 20Jahren arbeitet er nun schon im Schuh-Business. Er hat studiert und wollte eigentlich Kunstlehrer werden, doch das lohnt bei einem durchschnittlichen Gehalt von umgerechnet 15 Euro im Monat kaum. Auch das Schuhgeschäft läuft nur mittelmäßig - 10 Prozent der Einnahmen muss er an den Staat abgeben.
Bild: Grit Hofmann
Die Kämpferin
Im sozialistischen Kuba haben auch die Selbständigen eine Gewerkschaft. Ehrenamtlich hilft Caridad bei Formalitäten, etwa wenn jemand eine Lizenz zur Geschäftseröffnung beantragen will oder krank wird. Ihr größtes Problem derzeit ist ein neues Gesetz, das den cuentas propistas das Recht auf Urlaub nimmt. "Jeder braucht doch Urlaub", sagt sie, "wir sind ja alle nur Menschen."
Bild: Grit Hofmann
Leistungsprinzip
Früher hat Daila in einem Laden Kleidung aus Mexiko oder Italien verkauft. Im Januar 2014 untersagte die Regierung dann per Gesetz den Verkauf von importierter Kleidung. Die 19jährige wurde arbeitslos. In ihrem neuen Job verkauft sie CDs und wird nach dem Leistungsprinzip bezahlt. Ihr Festgehalt beträgt zwei CUC, umgerechnet 1,45 Euro, für 15 verkaufte CDs gibt es einen CUC mehr.
Bild: Grit Hofmann
Obst vom Bäcker
Bibliothekswissenschaften hat er studiert, dann als Bäcker gearbeitet, die Stelle aber wieder verloren. Seit sechs Monaten steht Alejandro mit seinem Obststand auf den Straßen Havannas, verkauft Bananen, Orangen, Paprika. Der 26-Jährige ist selbständiger Verkäufer, 15 Prozent seiner Einnahmen kann er behalten. Zufrieden ist er damit nicht. Er würde gerne etwas anderes machen, sagt er, bloß was?
Bild: Grit Hofmann
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"Bestandteil der Zusammenarbeit ist deswegen die Schulung von Kleinunternehmern und Bankmitarbeitern anhand von Planspielen, die auf sehr praxisnahe Weise lehren, wie man wirtschaftliche Entscheidungen trifft, ein Budget plant und entscheidet, wann ein Kredit für Investitionen sinnvoll ist", erklärt Bergmann.
Eine wichtige Rolle in dieser Kooperation spielt der Ostdeutsche Sparkassenverband. "Die ostdeutschen Sparkassen haben besondere Erfahrungen aus der Zeit der Wiedervereinigung gemacht, die nun für den gesamten Bankensektor in Kuba hilfreich sein können", sagt Bergmann.
Erfahrungen aus Ostdeutschland
Als die Wende kam, mussten sich die Sparkassen der früheren DDR innerhalb kürzester Zeit an die neuen Bedingungen anpassen und für die Kunden entsprechende Finanzprodukte anbieten. "Sie hatten einen Überschuss an Einlagen, aber keinerlei Erfahrung mit der Vergabe von Krediten und der Beurteilung der Kreditwürdigkeit von Kunden. Dies war vor Kurzem auch die Ausgangslage der BPA", befindet Bergmann.
Die BPA ist die größte Bank Kubas und mit rund 400 Zweigestellen die einzige mit einem landesweiten Filialnetz. Rund drei Millionen Kubaner sind Kunden der BPA, davon rund 1,9 Millionen als Kreditnehmer.
"In der Pilotfiliale der BPA in Trinidad wurden im vergangenen Jahr erste Kleinkredite erfolgreich eingeführt und in diesem Jahr ist die Ausweitung auf das ganze Land geplant. Außerdem werden jährliche Konferenzen unter der Beteiligung des gesamten kubanischen Finanzsektors zum Austausch mit Experten der deutschen Sparkassen-Finanzgruppe organisiert", erklärt Bergmann.
Die guten Beziehungen haben außerdem eine persönliche Komponente: "Wolfram Morales, Büroleiter des Präsidenten des Ostdeutschen Sparkassenverbandes (OSV) und Vermittler bei den Verhandlungen mit Kuba, lebte als Kind vier Jahre auf der Insel und ging dort zur Schule", erzählt Bergmann.