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Warum Vietnam auf Kuba Reis anbauen darf

Andreas Knobloch
29. Juli 2025

Kuba sucht nach Lösungen für seine Landwirtschaft. Einem ausländischen Unternehmen wurden nun Ackerland überlassen, erstmals seit der Revolution 1959 - damals wurden ausländische Landbesitzer enteignet.

Kuba | Landwirtschaft -  Reisanbau eines vietnamesischen Unternehmens in Kuba: Arbeiter auf Feld, dahinter Mähdrescher
Kuba hat in den letzten Jahren immer weniger Reis produziert. Das soll ein vietnamesisches Unternehmen ändernBild: Andreas Knobloch

Mit einem dumpfen Grummeln pflügt das gewaltige Dreschrad der Reiserntemaschine durch die dicht an dicht stehenden grünen Halme. Die verschwinden im Bauch der Maschine, wo die Reiskörner von den Ähren getrennt und die Halme auf das Feld zurückgeworfen werden. Vom Feldrand beobachten einige wenige Arbeiter das Treiben. Nach einigen Runden fährt der Mähdrescher an die Seite, um den geernteten Reis über ein langes Rohr auf die Ladefläche eines LKWs zu spucken. Dann dreht er die nächste Runde. Am Horizont schimmern Silos und eine in die Jahre gekommene Reismühle in der gleißenden Sonne.

Was wie eine Postkartenidylle aussieht, könnte für die Ernährungssicherheit in Kuba von entscheidender Bedeutung sein. Die Felder in der Nähe der Ortschaft Los Palacios im Südosten von Kubas westlichster Provinz Pinar del Río gehören zur Farm Cubanacán des kubanischen Staatsbetriebs Empresa Agroindustrial de Granos Los Palacios.

Der erste Reis aus vietnamesischer Hand wird in Kuba geerntetBild: Andreas Knobloch

Hier hat die kubanische Regierung vor einigen Monaten zum ersten Mal einem ausländischen Unternehmen Ackerland zur Bewirtschaftung überlassen - ein beispielloser Schritt seit der Revolution im Jahr 1959. Damals wurden ausländische Landbesitzer enteignet. Nun baut das vietnamesische Unternehmen Agri VMA in Los Palacios auf staatlichen Flächen in Eigenregie Reis an.

Landwirtschaft Kubas in der Krise

Das hat mit dem Zustand von Kubas Agrarsektor zu tun. Der ist von der seit Jahren anhaltenden Wirtschaftskrise besonders betroffen. Es fehlt an Dünger, Pestiziden, Treibstoff und Ersatzteilen, das technische Gerät ist oft veraltet oder defekt. Das starre System staatlicher Abgabequoten bietet wenig Anreiz zur Produktion. Umweltfaktoren wie Versalzung der Böden, Dürre oder Wirbelstürme tun ein Übriges. Die landwirtschaftliche Produktion ist eingebrochen.

"Unser Unternehmen, Kuba generell, verfügt heute nicht über das technologische Paket für den Reisanbau", sagt Ariel García Pérez, der Generaldirektor Empresa Agroindustrial de Granos, gegen den Lärm des Mähdreschers. "Wenn ich Technologiepaket sage, meine ich Düngemittel, Herbizide, Fungizide und Insektizide, die für die Reiserzeugung erforderlich sind. Aber auch Saatgut." Von den 23.000 Hektar Reisfelder seines Betriebes würden derzeit nur 6000 Hektar bewirtschaftet, sagt er.

Ariel García Pérez, der Generaldirektor Empresa Agroindustrial de GranosBild: Andreas Knobloch

Reis ist eines der Grundnahrungsmittel Kubas. Im vergangenen Jahr produzierte das Land nur rund 80.000 Tonnen Reis - gerade einmal gut elf Prozent des Eigenbedarfs. Vor sechs Jahren war es noch mehr als dreimal so viel, wie es laut der kubanischen Zeitung Granma heißt. Um den Verbrauch im Land zu decken, mussten die Importe ausgeweitet werden.

Unternehmen aus Vietnam optimiert Reisanbau

Mit vietnamesischer Hilfe soll der Reisanbau nun nachhaltig angekurbelt werden. Die Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern besteht seit einigen Jahren, sagt García Pérez. Das Projekt in Los Palacios aber hat eine neue Qualität. Agri VMA erhält Anbauflächen und bewirtschaftet diese in Eigenverantwortung. Dafür hat das Unternehmen Betriebsmittel, eigene Fachleute und Saatgut von in Vietnam gezüchteten hybriden Reissorten auf die Insel gebracht.

Dem vom Einbruch des Tourismus infolge der Corona-Pandemie und US-Sanktionen gebeutelten Kuba fehlen die Devisen dafür. Der kubanische Agrarbetrieb stellt den Vietnamesen Arbeitskräfte und Maschinen zur Verfügung.

Vierzig kubanische Arbeiter wurden von Agri VMA direkt angestellt, erzählt García Pérez. Auch das ein Novum. Normalerweise läuft das in Kuba über eine staatliche Beschäftigungsagentur. "Der Rest der Arbeiter kommt von der kubanischen Seite", sagt García Pérez. Dafür kassiert Kuba Geld. "Wir als Unternehmen erbringen Dienstleistungen für das vietnamesische Unternehmen. Die vietnamesische Firma bezahlt uns, dafür, dass wir das Land bearbeiten, den Reis ernten, trocknen und mahlen", so Pérez.

Der vietnamesische Agrarwissenschaftler Trán Trong PaiBild: Andreas Knobloch

"Es ist gut, wie die Kubaner hier arbeiten", sagt der vietnamesische Agrarwissenschaftler Trán Trong Pai, einer von sechs an dem Projekt beteiligten vietnamesischen Spezialisten, "aber es mangelt an Düngemitteln, deshalb haben wir alles mitgebracht".

Erste Reisernte vielversprechend

Los ging es im Herbst mit einer Versuchsphase auf 16 Hektar, die mit vietnamesischem Saatgut bepflanzt wurden, erzählt García Pérez. Mittlerweile hat Agri VMA 1.000 Hektar Land im Nießbrauch erhalten. "Von diesen 1.000 Hektar wurden mehr als 900 Hektar bepflanzt."

Die bisherigen Resultate sind vielversprechend. "Die ersten knapp 44 Hektar haben 296 Tonnen Nasskaskadenreis erbracht", zeigt sich García Pérez zufrieden. Das entspricht 6,75 Tonnen pro Hektar und ist in etwa viermal viel wie die 1,7 tonnen pro Hektar, die 2024 auf vergleichbaren kubanischen Flächen geerntet wurden. "Die Erwartungen an das Programm haben sich erfüllt", sagt García Pérez. Das Ergebnis sei vor allem dem vietnamesischen Saatgut und dem eingesetzten Dünger zu verdanken.

Reisernte pro Hektar des vietnamesischen Unternehmens fällt deutlich höher aus als der durchschnittliche Ernteertrag in Kuba Bild: Andreas Knobloch

Der Ertrag ist nicht weit von den acht Tonnen Reis pro Hektar entfernt, die sie normalerweise in Vietnam auf großen Flächen erzielen, sagt Trán Trong Pai. "Wir wollen mehr Ertrag hier auf Kuba, aber wir pflanzen hier zum ersten Mal an. Wir sind noch dabei, die Böden kennenzulernen, um zu wissen, wie viel Dünger wir verwenden müssen."

Mehr als ein Pilotprojekt

Der geerntete Reis gehört Agri VMA, Kuba kauft ihn. "Das Ziel ist es, Importe zu ersetzen", so García Pérez. "Man muss den Reis nicht aus Vietnam nach Kuba bringen. Der Reis bleibt hier in Kuba und Kuba kauft ihn von Vietnam. Das ist billiger [Anm.d.Red.: als ihn zu importieren]." Allein im vergangenen Jahr hat Kuba mehr als 300 Millionen US-Dollar für Reisimporte ausgegeben, so Salvador Valdés Mesa, der Vizepräsident Kubas, laut der kubanischen Zeitung Granma. Viel Geld für die notorisch klamme Staatskasse.

Die Einfuhr von Reis ist nicht nur mit Einkaufs- und Transportkosten verbunden. Aufgrund der US-Blockadepolitik gegen Kuba ist es zudem mitunter schwierig, Reedereien zu finden, die bereit sind, das Getreide in kubanische Häfen zu bringen, da Schiffe, die Kuba anlaufen, von Washington sanktioniert werden.

"Im landwirtschaftlichen Teil des Projekts geht es nur um Inputs", so García Pérez. "Wir hatten nicht das technologische Paket. Da kommt Vietnam mit seinen Ressourcen und seinem Potenzial ins Spiel. Das sind Möglichkeiten, die wir nutzen müssen. Eine Win-win-Situation."

Die landwirtschaftliche Fläche wird dem vietnamesischen Unternehmen vorerst für drei Jahre überlassen. In Los Palacios soll die Anbaufläche von 1000 bald auf 5000 Hektar ausgeweitet werden. García Pérez denkt schon weiter: "Die Idee ist es, das Projekt auf andere Provinzen auszuweiten: Granma, Camagüey, Sancti Spíritus."

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