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Kubas Wirtschaftskrise: Hilft ein Paradigmenwechsel?

Andreas Knobloch aus Havanna
4. Januar 2024

Nach einem weiteren schweren Krisenjahr kündigt Kubas Regierung wirtschaftliche Anpassungen mit Preiserhöhungen und Subventionskürzungen an. Der Präsident muss beruhigen.

Wartende vor einem Geschäft
Ein Symbolbild der Krise: Menschen warten vor einem staatlichen Geschäft in Havanna, bis sie einkaufen dürfenBild: Ramon Espinosa/AP/picture alliance

Kaum hatte Kubas Premierminister Manuel Marrero den makroökonomischen Stabiliserungsplan seiner Regierung vorgestellt, musste Präsident Miguel Diaz-Canel die Gemüter wieder beruhigen. Die angekündigten Maßnahmen seien nicht die Umsetzung eines "neoliberalen Pakets gegen das Volk", versicherte er in seiner Schlussansprache in der letzten Parlamentssitzung des Jahres, aber sie enthielten "komplexe Entscheidungen, so komplex wie die Situation", in der sich Kuba befinde.

Die Karibikinsel steckt seit drei Jahren in einer schweren Wirtschafts- und Versorgungskrise: Eine galoppierende Inflation, der Mangel an Treibstoff und Medikamenten und häufige Stromausfälle in Teilen des Landes bestimmen den Alltag und haben zu einer beispiellosen Auswanderungswelle geführt.

Angesichts dessen hat die kubanische Regierung für 2024 einen der größten makroökonomischen Anpassungspläne der letzten Jahrzehnte angekündigt. Dieser sieht Erhöhungen der Energiepreise und das Ende der allgemeinen Subventionen für Grundnahrungsmittel vor. Regierungschef Marrero stellte den Plan zur makroökonomischen Stabilisierung Ende Dezember überraschend in der Nationalversammlung vor.

Musste die Gemüter beruhigen: Kubas Präsident Díaz-CanelBild: Sergei Bobylev/TASS/dpa/picture alliance

Defizite auf allen Ebenen

"Wir sind sehr unzufrieden darüber, dass wir nicht die notwendigen Fortschritte erzielt und die Auswirkungen der externen Phänomene [gemeint ist die US-Blockade, Anm. d. Red] gemindert haben. Wir hätten mehr tun können. Es gibt immer noch Unzulänglichkeiten und subjektive Probleme, die die Kapazität von Programmen und Wirtschaftsprognosen beeinträchtigen", räumte Marrero vor den Abgeordneten selbstkritisch ein.

Seine Bestandsaufnahme fiel vernichtend aus: Die geplanten Exporteinnahmen wurden nicht erreicht, es gebe weiterhin ein gewaltiges Devisendefizit, die Diversifizierung von Waren und Dienstleistungen nehme nicht zu, das Potenzial des Landes werde nicht genutzt, es gebe keine nachhaltige Steigerung der Produktion, insbesondere der Nahrungsmittelproduktion, und die Beteiligung ausländischer Investitionen an der Entwicklung der Wirtschaft sei nicht ausreichend.

Der von Marrero vorgestellte Plan zielt darauf ab, die Staatsausgaben zu senken, indem die vom Staat gedeckelten Preise angehoben werden. Gleichzeitig sollen die öffentlichen Ausgaben für Subventionen gesenkt werden, indem sozial schwache Gruppen finanziell unterstützt statt Produkte subventioniert werden - ein Paradigmenwechsel. "Es ist nicht gerecht, dass diejenigen, die viel haben, dasselbe erhalten wie diejenigen, die sehr wenig haben. Heute subventionieren wir einen alten Rentner genauso wie den Besitzer eines großen Privatunternehmens, der viel Geld hat", argumentierte er.

Galoppierende Inflation auf Kuba

02:04

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Personen statt Produkte subventionieren

Das betrifft vor allem die libreta, das Rationierungsheftchen, über das Grundnahrungsmittel wie Reis, Bohnen, Speiseöl, Hühnchen und andere Waren gleichmäßig an alle Kubaner verteilt werden - zu stark subventionierten Preisen. Laut Wirtschaftsminister Alejandro Gil bedeutet das für Kuba jährliche Ausgaben in Höhe von 1,6 Milliarden US-Dollar.

Das Ziel bestehe darin, "ein gerechteres und effizienteres System" zu schaffen, um "niemanden im Stich zu lassen", erklärte Marrero, womit er stillschweigend die Zunahme der sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten im Land anerkannte. Befürchtungen, die libreta könnte ganz abgeschafft werden, trat Díaz-Canel später aber entgegen.

Entladung eines Bananenlasters in der Altstadt von HavannaBild: L. F. Postl/blickwinkel/picture alliance

Premierminister Marrero erklärte zudem, dass der Staat nicht mit der "Verschwendung" bestimmter Subventionen, etwa für Wasser, Strom, Flüssiggas und Treibstoff fortfahren könne, und kündigte Tariferhöhungen an. Der Verkauf von Benzin und Diesel an Touristen soll künftig gegen Devisen erfolgen. Auch der öffentliche Nahverkehr wird teurer werden. In den besonders von personellem Aderlass betroffenen Bereichen Bildung und Gesundheit werden die Gehälter erhöht.

Zudem werde die Regierung den offiziellen Wechselkurs des kubanischen Peso (CUP) zum US-Dollar anpassen, so Marrero. Dazu wurde eine Arbeitsgruppe mit der Zentralbank gebildet. Derzeit liegt der offizielle Wechselkurs bei 24 CUP pro US-Dollar für juristische Personen und bei 120 CUP für Privatpersonen. Auf dem informellen Markt ist der US-Dollar inzwischen auf 265 CUP angestiegen.

Zahlen unterstreichen die Krise

Im Vorfeld der Sitzung der Nationalversammlung hatte die Regierung mehrere makroökonomische Daten veröffentlicht. Die unterstreichen den Abwärtstrend der kubanischen Wirtschaft. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird im Jahr 2023 um ein bis zwei Prozent schrumpfen, schätzt die Regierung, nachdem sie zu Beginn des Jahres noch ein Wachstum von drei Prozent prognostiziert hatte. Die Inflation auf dem formellen Markt lag zum Jahresende bei rund 30 Prozent; die informelle Inflation ist um Einiges höher. Der Tourismus blieb mit knapp 2,45 Millionen Reisenden weit hinter den Erwartungen zurück.

Die berühmte Meerespromenade Malecon in Havanna: Sonst ein Touristenmagnet, jetzt ist davon nichts zu spürenBild: Nick Kaiser/dpa/picture alliance

Weitere Maßnahmen des makroökonomischen Stabilisierungsplans zielen daher auf die Wiederbelebung des Tourismussektors, die Förderung der Produktion exportfähiger Produkte wie Nickel, Tabak oder Rum sowie des Imports von Rohmaterialien und Zwischenprodukten zur Ankurbelung der heimischen Produktion.

Der Zugang von Unternehmen zu Devisen soll verbessert werden, indem der elektronische Handel mit Zahlungen aus dem Ausland ausgeweitet wird, ausländische Investitionen sollen weiter gefördert werden, insbesondere in die Nahrungsmittelproduktion und den Ausbau erneuerbarer Energien. Seit dem 1.Januar werden zudem neue Steuern sowie Zollerhöhungen und -senkungen für kubanische Privatunternehmen angewendet.

"Nichts würde uns glücklicher machen, als ihnen zu verkünden, dass die Gehälter erhöht werden und dass wir genug Devisen und Treibstoff haben werden, um der Belastung durch den Mangel ein Ende zu setzen", sagte Díaz-Canel mit Blick auf die angekündigten Maßnahmen. Aber, so fügte er hinzu, "leider wissen wir alle, dass dies nicht möglich ist". Es sei jetzt an der Zeit, mit "einer schrittweisen Korrektur voranzukommen", so der Präsident, warnte aber, dass "keine einzelne Maßnahme alle Herausforderungen löst; vielmehr können alle Maßnahmen zusammen zunächst bestimmte Probleme verschärfen".

Dennoch zeigte sich Díaz-Canel zuversichtlich, dass "diese letzte Sitzung der Nationalversammlung 2023 den Beginn eines neuen Trends im Verhalten der kubanischen Wirtschaft markieren kann".

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