Wahre Schätze schlummern in den Depots der Museen. In Wien haben sie jetzt eine Chance auf Öffentlichkeit. Das Kunsthistorische Museum gab Wes Anderson die Chance, Werke auszustellen, die sonst keiner sieht.
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Der Blick des Cineasten: Wes Anderson debütiert als Ausstellungsmacher
Eigentlich macht er Filme. Jetzt hat sich Kult-Regisseur Wes Anderson an ein neues Genre gewagt. Zusammen mit Designerin Juman Malouf kuratierte er eine skurrile, Jahrhunderte umspannende Ausstellung in Wien.
Bild: KHM-Museumsverband/Rafaela Proell
Vom Regisseur zum Kurator
Ein Geschenk für alle Beteiligten: Zusammen mit seiner Lebensgefährtin, der Designerin Juman Malouf (li) durfte sich Regisseur Wes Anderson für diese Ausstellung aus den Museumsdepots alles aussuchen, was er für ausstellungswert hielt. Sabine Haag, die Generaldirektorin des Kunsthistorischen Museums (KHM) in Wien, ließ den beiden völlig freie Hand.
Bild: KHM-Museumsverband/Rafaela Proell
Altägyptische Kunst: Spitzmaus im Sarg
Ein winziges Objekt gab der Ausstellung ihren Titel: "Spitzmaus Mummy in a Coffin and other Treasures". Der Sarkophag einer Spitzmaus ist 2500 Jahr alt und gehört zu den ältesten Objekten im Besitz der Wiener Museen. Allerdings ist er leer und nur als Kunstobjekt in der Sammlung. Die Auswahl von Anderson und Malouf folgt keinem Konzept und ist eine höchst eigenwillige Mixtur an Kunstwerken.
Bild: KHM-Museumsverband
Cineastische Bilderfolge
Auch die Auswahl der historischen Gemälde, die Wes Anderson getroffen hat, präsentiert sich in ungewohnter Manier. Allein die Hängung der üppig gerahmten Ölgemälde ist kurios: tiefer als üblich und in cineastischer Abfolge als Zeitpanorama gruppiert. Auswählen konnten die beiden Gast-Kuratoren aus 14 völlig unterschiedlichen Sammlungen: vom Theatermuseum bis zur kaiserlichen Jagd- und Rüstkammer.
Bild: KHM-Museumsverband
Kuriose Objektsammlung
Die Auswahl der Objekte rief bei den Profi-Kuratoren des Kunsthistorischen Museums anfangs große Skepsis hervor. Die Sichtweise eines Filmregisseurs folgt einer anderen Logik und mehr der Intuition eines Cineasten. "Wir hoffen, dass wir mit dieser Ausstellung Licht in einige Ecken richten, die bislang zu düster waren, um sie bequem in Augenschein zunehmen", schreibt Wes Anderson im Katalog.
Bild: KHM-Museumsverband
Alte Meister - bunt gemixt
Anderson und Malouf sortierten das Bildmaterial nicht nach kunsthistorischen Gesichtspunkten. Das Gemälde eines siebenjährigen Falkners (Kaiser Karl V.) wird dem Porträt eines vierjährigen Hundebesitzers (Kaiser Ferdinand II.) zur Seite gestellt. Eine Kiste zur Aufbewahrung gepuderter Perücken findet sich neben einem kunstvollen Behältnis für die Krone des italienischen Königs - der Form wegen.
Bild: KHM-Museumsverband
Mittelalterliche Figuren (ca. 1550)
Die Idee des Wiener Kunsthistorischen Museums für diese höchst ungewöhnliche Ausstellungsreihe stammt aus dem Jahr 2012: Künstler wählen Objekte aus dem Depot aus. In der aktuellen Ausstellung stehen solche antiken Skulpturen (ca. 1550) neben zeitgenössischen modernen Kunstobjekten. Eine Augenweide, die Wes Anderson und Juman Malouf mit Freude zelebriert haben.
Bild: KHM-Museumsverband
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Kunsthistorische Schätze aus mehreren Jahrhunderten standen für die beiden Gastkuratoren Wes Anderson und seine Lebensgefährtin Juman Malouf zur Verfügung. In den Depots der Wiener Museen und Kunstsammlungen lagern mehr als vier Millionen Gemälde, antike Objekte und Kunstgegenstände.
Aus all diesen Beständen konnten Regisseur Wes Anderson und die Designerin Juman Malouf ihre Lieblingsobjekte auswählen und zur einer skurrilen Schau zusammenstellen. Oft entschieden sie intuitiv, ohne kunsthistorische Zuordnungen mit einzubeziehen.
Die Ausstellungsreihe im Kunsthistorischen Museum Wien (KHM) ist bereits 2012 gestartet, die aktuelle Ausstellung ist die dritte ihrer Art. International renommierte Künstlerinnen und Künstler aus unterschiedlichen Kunstgattungen dürfen eine sehr persönliche Kunst-Schau zusammenstellen. An ihrer Seite professionelle Kuratoren, die sich um die Ausstellungsarchitektur und Präsentation kümmern.
Künstler als Kuratoren
Den Anfang machte 2012 der Maler und Zeichner Ed Ruscha mit der Ausstellung "The Ancient Stole All Our Great Ideas". Danach stellte der britische Keramikkünstler Edmund de Waal seine sehr persönliche Kunstschau "During the Night" zusammen - beides ungewöhnliche Publikumserfolge.
Wes Anderson ist jetzt der dritte Künstler, in dem Fall Filmregisseur, der zusammen mit Juman Malouf aus dem Vollen schöpfen durfte. 420 Objekte haben die beiden nach monatelanger Recherche aus den vierzehn Sammlungen des Hauses ausgewählt, unterstützt von zwei fachkundigen Kuratoren des Wiener Museums und der Fondazione Prada Mailand.
Alle Depots standen ihnen zur Verfügung: darunter ägyptische, römische und griechische Stücke aus der Antikensammlung, Gemälde alter Meister, Gegenstände aus der Kaiserlichen Schatzkammer, der Sammlung historischer Musikinstrumente und Objekte und Kostüme aus dem Theatermuseum.
Grenzenlose Phantasiewelten
Kult-Regisseur Wes Anderson stellt in seinen Filmen immer wieder unter Beweis, dass in seinem Kopf eine scheinbar grenzenlose Phantasiewelt existiert. Cineastische Meisterwerke wie "Moonrise Kingdom" oder "The Grand Budapest Hotel" sind surreal wirkende Wunderkammern voller Überraschungen. Sein Animationsfilm "Isle of Dogs", der 2018 erfolgreich als Eröffnungsfilm der Berlinale lief, stellte das einmal mehr unter Beweis.
Im Kunsthistorischen Museum in Wien kann man diese Phantasiewelt von Anderson jetzt auf eine andere Weise als auf der Kinoleinwand entdecken. Die Ausstellungsarchitektur mit den dunklen, farbigen Wänden ist zwar klassisch, die Auswahl der Objekte aber sehr ungewöhnlich. Vieles haben die beiden Gastkuratoren allein wegen der Form ausgewählt und kunsthistorische Kriterien weitgehend ignoriert.
Dadurch ist eine spannungsreiche Dialog-Ausstellung entstanden: Eine echte Ritterrüstung ziert beispielsweise das Entree eines Raumes mit Gemälden alter Meister. Danach wandert die Schau im April nächsten Jahres weiter nach Mailand, Kooperationspartner ist die dortige "Fondazione Prada", die sie ab Oktober 2019 zeigt.