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Gesellschaft

Kultur der Aborigines im modernen Tanz

Rebecca Hillauer
30. Oktober 2017

Die Missachtung der Rechte und Traditionen der Ureinwohner ist ein dunkles Kapitel der neueren Geschichte Australiens. Das Bangarra Dance Theatre bewahrt die Kultur der Aborigines durch Ästhetik und Bewegung.

OUR Land people stories
Bild: Vishal Pandey

In Australien wächst das Bewusstsein dafür, dass es auch schon vor 1788, als die erste britische Flotte auf dem fünften Kontinent anlandete, dort Menschen und eine Kultur gab, die Zehntausende Jahre zurückreicht. Inzwischen wollen manche linksgerichteten Politiker sogar den Australien-Tag am 26. Januar abschaffen, der an den Beginn der britischen Besiedlung erinnern soll. Mancherorts wurden auch Statuen britischer Entdecker der Kolonialzeit wie James Cook von Aktivisten aus der Aborigines-Community verunstaltet,  die damit auf Diskriminierung und die Negierung ihrer Geschichte aufmerksam machen wollen.

Die Tänzerinnen und Tänzer des Bangarra Dance Theatre setzen sich dagegen mit künstlerisch-ästhetischen Mitteln für die Achtung der Tradition und Kultur der australischen Ureinwohner ein. "Bangarra" heißt übersetzt "Feuer machen". Die Tänzerinnen und Tänzer des Bangarra Dance Theatre bewegen sich auf der Bühne wie die Luft, die über den Flammen schwingt. Sanft, fließend, leicht und graziös.

Die vier Choreographen Beau Dean Riley Smith, Stephen Page, Jasmin Sheppard, Daniel Riley (v.l.nr.) Bild: Jörg Dedering

Die Verbindung zur Erde

"Wir sind ein friedliebendes Volk", sagt Jasmin Sheppard. Die 34-Jährige ist seit zehn Jahren Mitglied des indigenen Tanzensembles in Sydney. Neben australischen Ureinwohnern hat sie Iren, Chinesen und russische Juden als Vorfahren. Über die Jahrhunderte vermischten sich viele Aborigines mit Einwanderern. So kommt es, dass bei Bangarra von schwarzen bis weißen Gesichtern alle Schattierungen vertreten sind. Gemeinsam wollen sie mit ihrem Tanz das kulturelle Vermächtnis der Ureinwohner bewahren.

"Wir wollen ihre Geschichte wiederauferstehen lassen und sie für das 21. Jahrhundert weiterentwickeln", sagt Stephen Page, seit 26 Jahren der künstlerische Leiter des Bangarra Dance Theatre. Das Ensemble, dessen Mitglieder alle in modernem und klassischem Ballett ausgebildet sind, hat dafür eine eigene Körpersprache entwickelt. Im Mittelpunkt steht die Verbindung zur Erde. Aus ihr schöpfen die Tänzer und Tänzerinnen - nach Tradition ihrer indigenen Ahnen - Inspiration und Energie.

Bekannt wurde die Gruppe vor allem durch ihren Auftritt bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Sommerspiele in Sydney im Jahre 2000. In Deutschland war das Ensemble seit seiner Gründung vor 28 Jahren zweimal zu Gast. Nun zeigte die Gruppe im Rahmen des Kulturprogramms "Australia now - Germany 2017" vom 26.-28. Oktober im Haus der Berliner Festspiele ihr Stück "OUR land people stories".

Modern und archaisch zugleich, so sind auch der Bühnen-Sound und die Kostüme. Traditionelle Sprache und Lieder verbinden sich mit elektronischer und klassischer Musik, mit Hip Hop und Naturklängen. In dem dreiteiligen Stück "OUR land people stories" schlüpfen die Tänzer in 300 verschiedene Kostüme. Sie stellen Emus, Possums, Fische, Hunde und Büffel dar. Aus 1000 Emu-Federn wurden per Hand Hauben genäht - für jede einzelne brauchte es drei Tage. Strahlend rote Kostüme stellen Busch-Äpfel dar, die in der nordöstlichen Arnhem-Region als Nahrung dienen.

Tanz mit den Elementen Luft und Erde Bild: Vishal Pandey

Unterdrückung und Selbstbewusstsein

Die Tanzkompanie widmet sich nicht nur Traditionen und Kultur der Aborigines, sondern thematisiert auch die Verbrechen der Kolonialverwaltung. Ein Teil von "OUR land people stories" ist das von Jasmin Sheppard choreographierte Stück "Macq". Es handelt von dem ehemaligen Gouverneur Lachlan Macquarie, der als Gründungsvater des Bundesstaates New South Wales verehrt wird. "Verschwiegen wird, dass er im April 1816 ein Massaker an den Aborigines befehligte", erklärt Sheppard.

Erst ein Referendum im Jahr 1967 sorgte dafür, dass die Aborigines in der australischen Verfassung als Volksgruppe den übrigen Einwohnern rechtlich gleichgestellt wurden. Sie zählen etwa drei Prozent der 24 Millionen Einwohner Australiens. "Mein Vater ließ sogar noch, als er schon 80 war, auf der Straße immer Weißen den Vortritt", erzählt Stephen Page, der 1965 in Brisbane geboren wurde. Anfang der 1980er-Jahre kam er als Teenager nach Sydney, um am Nationalen Institut für die Entwicklung der Künste der Ureinwohner Tanz zu studieren. Dessen Gründerin, die Afroamerikanerin Carole Johnson, rief 1989 auch das Bangarra Dance Theater ins Leben.

Stephen Page war von Anfang an dabei und sagt: „Wir schöpfen aus einer 60.000 Jahre alten Kultur." So lange ist es her, dass die schwarzen Ureinwohner Australiens den Kontinent besiedelten. Stolz nennen sich die Aborigines inzwischen "First People" oder "First Nation". Zur indigenen Bevölkerung Australiens zählen neben den Aborigines des Festlands auch die Bewohner der Inseln in den Torres-Straits, einer Meerenge zwischen der Nordspitze Australiens und Papua-Neuguinea, über die die Ureinwohner einst auf den Kontinent eingewandert sein sollen.

Seit 28 Jahren tourt die Bangarra-Tanzkompanie durch Australien, zum dritten Mal jetzt in Deutschland Bild: Vishal Pandey

"Die Flamme immer wieder neu entzünden"

Ihre Mythologie, Philosophie und Spiritualität will Page mit seiner Tanzkompanie auf der Bühne und für die Zuschauer physisch erfahrbar machen. Jedes Jahr tourt das Bangarra Dance Theatre mit einem neuen Stück durch Australien. Die Geschichten, die sie auf der Bühne erzählen, haben ihnen die Clan-Älteren in ihren Heimatdörfern erzählt. Aus den Geschichten, die die Mitglieder von Bangarra nach Sydney zurückbringen, erarbeiten sie dann gemeinsam ein neues Stück. Sich auf seine Wurzeln zu besinnen, meint Stephen Page, sei umso wichtiger, als Technologie und Globalisierung die Menschen immer mehr von sich selbst entfremdeten.

"Die traditionellen Tänze zu lernen war eine Erleuchtung", sagt die zwanzig Jahre jüngere Jasmin Sheppard. In Workshops geben sie und anderen Tänzerinnen und Tänzer des Ensembles das, was sie von Pionieren wie Stephen Page gelernt haben, wieder an noch Jüngere weiter. Ihr Bildungsprogramm für Kinder und Jugendliche hat den Titel "Rekindling", also Wiederentzünden. Genau das,  wiederentzünden, will das Bangarra Dance Theatre die Flamme des Bewusstwerdens und so dazu beitragen, dass das innere Feuer für die eigene indigene Kultur auch in den nächsten Generationen weiterbrennt.

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