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Politik

Kulturkampf um den Tempelberg

24. Juli 2017

Der Streit um den Tempelberg hat bereits mehrere Todesopfer gefordert. Der Zugang wird weiterhin streng kontrolliert. Doch in der Frage, wie diese Kontrolle ausgeübt wird, scheint es eine Annäherung zu geben.

Israel verschärfte Sicherheitsvorkehrungen am Tempelberg in Jerusalem
Bild: picture-alliance/dpa/M. Illean

Vielleicht richten es ja Kameras? Im Streit um die Zugangskontrollen zum Tempelberg signalisiert Israel Kompromissbereitschaft. Installierte man Kameras mit Gesichtserkennung, wäre es womöglich denkbar, die Metalldetektoren, die die israelischen Sicherheitsbehörden derzeit installiert haben, absehbar wieder abzubauen. Damit, so deutet es die israelische Zeitung Haaretz an, ließe sich der Konflikt um den Zugang zum Tempelberg, der bereits mehrere Opfer gefordert hatte, möglicherweise entschärfen.

Gelänge dies, wäre das eine diplomatische und politische Meisterleistung. Denn mit der Installation der Anlage, so Haaretz weiter, habe sich die Regierung in eine Zwickmühle gebracht. "Wenn Israel die Detektoren entfernt, wird man das als Zurückweichen vor dem palästinensischen Druck, schlimmer noch, vor dem palästinensischen Terror, deuten. Die Palästinenser hingegen gehen aus Prinzip nicht durch die Anlagen. In anderen Worten: Keine der beiden Seiten gibt nach."

Alle Beteiligten, so Haaretz, suchten derzeit nach einer für beide Seiten verträglichen Lösung. Die Gesichts erkennenden Kameras könnten eine solche Lösung sein. Dies auch darum, weil sie in weiten Teilen des öffentlichen Raums in Israel in Gebrauch sind. Sie richten sich also nicht nur gegen Palästinenser.

Religiöse Provokation

Die Kameras kämen den palästinensischen Vorbehalten auch in anderer Hinsicht entgegen: Denn sie wirken nicht ansatzweise so vereinnahmend wie die Detektoren, gewaltige Apparate, durch die die Menschen hindurch gehen müssen. Solche Einrichtungen kennen die Palästinenser von zahlreichen Checkpoints und den Grenzübergängen. Entsprechend gelten sie als Instrumente territorialer Eroberung.

"Was gerade passiert, ist der Beginn der Judaisierung der Al-Aqsa-Moschee, die seit der Gründung  Israels 1948 geplant ist", heißt es etwa in der populären palästinensischen Zeitung "Al-Quds". Sie sieht aus diesem Grund eine innere Verbindung zwischen den derzeitigen Vorfällen und dem Besuch von Ariel Scharon auf dem Tempelberg im September 2000. Dieser war nicht nur von Palästinensern als religiös konnotierte Provokation verstanden worden.

Ausweitung der Kampfzone: Palästinenisch-israelische Zusammenstöße am Checkpoint Qalandiya nahe RamallahBild: Reuters/M. Torokman

Dem widerspricht Gilad Erdan, der israelische Minister für öffentliche Sicherheit. Die Detektoren hätten "nichts Heiliges" an sich, erklärte er im israelischen Radio. "Wenn aber die Polizei keine andere wirksame Möglichkeit hat, eine Wiederholung der Vorfälle auf dem Tempelberg zu verhindern, dann werden die Detektoren nicht abgebaut."

Das Argument Erdans trifft sich mit dem einiger Palästinenser. Die in Ramallah erscheinende Zeitung Al-Ayam weist darauf hin, dass der Konflikt kein religiöser, sondern ein politischer sei. "Die Metalldetektoren sind nicht der Kern des Problems", schreibt sie. "Dieser besteht vielmehr darin, dass Israel die Welt davon zu überzeugen versucht, es handle sich um einen rein religiösen Konflikt. Die Gefahr ist, dass auf diese Weise die politische Dimension des Konflikts ausgehöhlt wird - und damit auch das Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit und vor allem der Anspruch darauf, einen eigenen Staat zu gründen." 

"Hauptstadt des Kalifats"

Allerdings sehen das nicht alle Palästinenser so. Nach Informationen des mit der Politik des Nahen Ostens befassten Online-Magazins Al Monitor steht hinter dem Terror-Angriff auf die drei Wachposten am Tempelberg der Führer der Islamistischen Bewegung in Israel, Scheich Raed Salah, ein israelischer Staatsbürger palästinensischer Herkunft. In seiner Heimatstadt Umm al-Fahm, in der er mehrmals das Amt des Bürgermeisters innehatte, wird ihm ein rigoroses Vorgehen gegen Kritiker seiner Bewegung vorgeworfen. "Es herrscht eine Atmosphäre des Terrors gegenüber jedem, der sich kritisch gegenüber der islamistischen Bewegung äußert", zitiert Al-Monitor einen Bewohner von Umm al-Fahm, der ungenannt bleiben will.

Zeugen zufolge haben die drei Attentäter regelmäßig just in jener Moschee gebetet, in der Salah zur "Verteidigung" der Al-Aqsa-Moschee aufrief. "So Gott will" rief er in einer Predigt im November 2014, "wird Jerusalem bald die Hauptstadt des globalen Kalifats sein". Kurz zuvor hatte die Terrororganisation "Islamischer Staat" in Mosul ihr Kalifat ausgerufen.

Mitten im jemenitischen Bürgerkrieg fand am 21. Juli eine pro-palästinensische Solidaritätskundgebung statt Bild: Reuters/K. Abdullah

Reaktionen aus der arabischen Welt

Inzwischen hat der Streit auch andere Teile der Welt in Aufruhr gebracht. Der Vorsitzende der Arabischen Liga, Ahmed Abul Gheit, warf Israel vor, durch die Installation von Metalldetektoren "mit dem Feuer" zu spielen. Und der türkische Präsident Erdogan bezeichnete die Maßnahmen als Beschimpfung der islamischen Welt.

Die Türkei und Katar sind Verbündete der ägyptischen Muslimbrüder, die die Maßnahmen ebenfalls kritisierten. Der türkische Präsident Erdogan war dem katarischen Emir im Streit mit Saudi-Arabien und dessen Verbündeten beigesprungen. Ideologisch geht es darin um die Zukunft der politischen Kultur in der Region, repräsentiert durch die Muslimbrüder auf der einen und die Wahhabisten, die ultrakonservativen saudischen Religionsgelehrten, auf der anderen Seite und deren jeweilige Machtansprüche.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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