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Der Spagat zwischen Wirtschaftsreformen und Kulturkontrolle

Vera Möller-Holtkamp15. Januar 2007

Vietnam erlebt ein Wirtschaftswunder. In Sachen Kultur- und Medienfreiheit ist das Land jedoch wenig märchenhaft.

Straßenszene in HanoiBild: DW

Der "Besuch der Alten Dame" zum ersten Mal auf Vietnamesisch: Das sozialkritische Theaterstück des Schweizers Friedrich Dürrenmatt war ein voller Erfolg, als es im November 2006 Vietnampremiere feierte. Neun mal ist das Ensemble des Nationaltheaters aufgetreten. Mehrere Tausend Zuschauer in Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt haben es gesehen. Zur Zeit liegt es auf Eis. Die vietnamesischen Behörden fordern Änderungen. Das Kulturministerium stößt sich vor allem an den lokalen Bezügen, die Regisseur Rudolph Straub einfliessen liess: vietnamesische Schriften im Bühnenbild und vietnamesische Lieder.

Goethe Institut HanoiBild: Goethe Institut

Das umstrittene Theaterstück ist eine Koproduktion der Schweizer Botschaft, des Goethe-Instituts und des Nationaltheaters Vietnams. Dürrenmatt schrieb "Der Besuch der Alten Dame" 1956 - in der Zeit des westeuropäischen Wirtschaftswunders. Es handelt von der Käuflichkeit des Menschen und den Versuchungen, die der schnelle Wohlstand mit sich bringt.

Insel der Meinungsfreiheit: Goethe Institut Hanoi

Einer der Verantwortlichen ist Franz Xaver Augustin, seit fünf Jahren Direktor des Goethe Instituts Hanoi. Mitte Januar wollen er und ein Vertreter der Schweizer Botschaft erneut mit den vietnamesischen Behörden sprechen. "Wir haben das Copyright, und wir sind nicht zu Änderungen bereit," sagt Franz Xaver Augustin.

Innenhof des Goethe Instituts in HanoiBild: DW

Augustin ist so etwas wie ein "Enfant terrible" der Kulturszene Hanois. In seinem Institut dürfen sich vietnamesische Künstler Gehör verschaffen, die ihre Ideen außerhalb der Räume nicht äußern dürfen. Grund ist das deutsch-vietnamesische Kulturabkommen von 1997. Anders als andere auswärtige Kulturinstitute, wie das British Council oder das Institut Français, müssen die Deutschen nicht um Genehmigungen bitten, wenn Veranstaltungen geplant werden. "Wir haben damals länger verhandelt und ein besseres Ergebnis erzielt," berichtet Franz Xaver Augustin. "Aber natürlich müssen wir uns auch an moralische Grundsätze halten und dürfen das System nicht direkt attackieren."

Spagat zwischen wirtschaftlicher Liberalisierung und Kulturkontrolle

Der vietnamesische Staat hat zur Vorbereitung des WTO-Beitritts am 11. Januar 2007 viele Unternehmen privatisiert. Bei der Kultur lässt er die Zügel jedoch nicht locker. Asien-Experte Gerhard Will von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin beobachtet diese "ambivalenten Entwicklungen". Seine Analyse des zehnten Parteitages (April 2006) ist für Internetnutzer in Vietnam gesperrt. Der Artikel beschreibt "eine tabufreie Diskussion über bürgerliche Freiheiten in Vietnam" im Vorfeld des Parteitages. "Einige Stimmen haben die Streichung von Artikel vier der vietnamesischen Verfassung gefordert", sagt Gerhard Will. Dieser schreibt die Führungsrolle der Kommunistischen Partei in Politik und Gesellschaft fest. Also auch die Parteihoheit auf kulturellem Gebiet. Nach dem Parteitag seien diese Stimmen wieder verstummt. Artikel vier ist geblieben.

Vietnamesische Nationalflagge

Alleinherrschaft der Partei in der Verfassung

Gerhard Will bescheinigt der Sozialistischen Republik kleine Fortschritte in Richtung mehr Pressefreiheit. Ein Beispiel sei "Tuoi Tre", die offizielle Jugendzeitung der kommunistischen Partei. Seit einigen Jahren müsse sie sich finanziell selbst tragen und lebe vom Verkauf. Dadurch kämen auch Themen auf den Tisch, die dem Kulturministerium nicht schmeckten.

Jugendzeitschrift als Hoffnungsträger

Einzelne Ausgaben der Tageszeitung wurden in der Vergangenheit aber verboten. Die Publikation gibt es aber immer noch. Auch der Vietnam-Report 2006 der Menschenrechts-Organisation Reporter ohne Grenzen lobt "Tuoi Tre", weil die "Selbstzensur dort nicht stark ausgeprägt" sei. Im Report werden aber vor allem die fortschreitende Internetzensur und die verstärkte Kontrolle von Cybercafés kritisiert. Vietnam belegt im internationalen Ranking der Pressefreiheit zurzeit Platz 155. Nur 13 Länder werden schlechter bewertet. Die Kommunistische Partei versteht die Medien im Lande immer noch als Propagandaorgan ihrer Politik, so wie es die Verfassung des Landes vorsieht.

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