Der Gasometer in Oberhausen
18. April 2011
Ein 117,5 Meter hoher zylindrischer Turm in der deutschen Stadt Oberhausen wirkt alles andere als schön und gemütlich. Trotzdem zieht der ausrangierte Gasbehälter, genannt Gasometer, Millionen von Besuchern an. Denn seit 15 Jahren gehört das Industriedenkmal in Oberhausen zur kulturellen Landschaft Deutschlands: Wechselnde Ausstellungen, Musikkonzerte und Theateraufführungen von internationaler Bedeutung finden hier statt.
Eine solche glanzvolle Zukunft konnten sich die Erbauer des Gasometers wohl kaum vorstellen. Obwohl, als der Gasbehälter 1929 erbaut wurde, war er auch schon etwas Besonderes. Denn der Gasometer funktionierte nach einem neu erfundenen Prinzip – als Scheibengasbehälter, erklärt Jeanette Schmitz, Geschäftsführerin der Beitreibergesellschaft. Das heißt, im Inneren des Turms gab es eine Gasdruckscheibe, die frei beweglich auf dem Gas schwamm und unter die das Gas gepumpt wurde, so dass die Druckscheibe bis unter das Dach gehoben wurde.
Spuren der Vergangenheit
Insgesamt konnten im Oberhausener Gasbehälter 347.000 Kubikmeter Gas gespeichert werden. In dem damals größten Scheibengasbehälter Europas wurden zuerst Gase aus der umliegenden Industrie gespeichert, die später für andere Industrieteile, beispielsweise die nahegelegene Kokerei Osterfeld, zur Verfügung gestellt wurden. Auch heute noch ist die maximale Füllhöhe von 95 Metern sichtbar. Genauso wie die Rückstände vom mittlerweile trockenem Öl-Teer-Gemisch an den Innenwänden des Gasometers. Dieses Gemisch ließ man stets an den Wänden des Gasometers entlang laufen, damit das Gas am Rand der Scheibe nicht austreten und die Scheibe mit zusätzlichen Betongewichten leicht hoch und runter gleiten konnten.
Wie viele andere Industrieobjekte in Deutschland, wurde auch Gasometer in Oberhausen im Zweiten Weltkrieg mehrmals von Bomben getroffen. Nach dem Brand während der Reparaturarbeiten in der Nachkriegszeit, wurde der Gasbehälter bis auf das Fundament abgetragen und später mit vielen alten Konstruktionsteilen wiederaufgebaut.
Regallager? Golfplatz? Ausstellungshalle!
Die größte Herausforderung stand dem Gasometer noch bevor. Denn mit der Schließung der Kokerei in Oberhausen und der Stilllegung der gesamten Montanindustrie in Ruhrgebiet wurde der einst bewunderte Bau überflüssig. Zwischen 1988 und 1992 entfachte sich eine regelrechte Diskussion über das Schicksal des ausrangierten Gasbehälters, erinnert sich Jeanette Schmitz. Die Bagger waren schon zum Abriss bereit, während die Öffentlichkeit überlegte, was man aus dem Gasometer machen könnte.
Die Ideen reichten vom Hochregallager bis zum Indoor-Golfplatz. Doch erst die Idee der Internationalen Bauaustellung Emscher Park, im Gasometer eine Ausstellungshalle einzurichten, fiel auf fruchtbaren Boden.
Der Umbau hat dem Land Nordrhein-Westfalen etwa16 Millionen D-Mark gekostet und wurde 1994 vollendet. Auf die Frage, ob das Unterfangen sich finanziell ausgezahlt hat, antwortet Jeanette Schmitz etwas ausweichend und betont, dass der Gasometer sich mittlerweile immerhin selbst finanziere und die Ausstellungen mit den Eintrittseinnahmen und Sponsorengeldern durchgeführt würden.
Erlebnis für alle Sinne
Die große Ingenieurkunst, die das Gebäude selbst verkörpert, wird von dem besonderen Erlebnis für alle Sinne vervollständig. Die winzig erscheinenden Dachfenster lassen kaum Sonnenlicht durch, und die etwas bedrückende Dunkelheit der Halle wird von den hell ausgeleuchteten Exponaten noch mal unterstrichen.
Doch auch mit geschlossenen Augen kann man die Größe des Gasometers erkennen: Der sieben- bis achtfache Nachhall verrät sie bei dem kleinsten Geräusch. Die einzigartige Akustik kann man daher bei ausgesuchten Musikperformances genießen, aber auch bei den wechselnden Ausstellungen wird sie durch raffinierte Installationen zum Vorschein gebracht. Vor allem der 100 Meter hohe Raum über der fest fixierten Gasdruckscheibe und der darauf aufgebauten Bühne wird gerne für speziell angefertigte Exponate benutzt: Den größten leuchtenden Mond auf Erden gab es hier bis vor kurzem zu sehen, nun verwandelt die 43 Meter große Regenwaldbaum-Skulptur den Gasometer in eine "Kathedrale der Natur".
"Ein weiteres Highlight gibt es im Oberhausener Gasometer für alle, die keine Höhenangst haben", verrät Jeanette Schmitz. Mit einem gläsernen Panoramaaufzug gelangt man auf das Dach des ehemaligen Gasbehälters. Als Option kann man auch die 592 Stufen nach oben nehmen. Die Belohnung dafür ist der Blick über das gesamte westliche Ruhrgebiet, zu dessen Erkennungszeichen auch der Gasometer Oberhausen geworden ist.
Autorin: Tetyana Bondarenko
Redaktion: Conny Paul