UNESCO-Lehrstuhl Kulturpolitik
19. September 2013Humphrey Maleka will, dass sich in seiner Heimat Afrika endlich etwas ändert. "Die Art, wie dort regiert wird und die Art, wie meine Landsleute denken", meint er energisch. Zwar sei die Apartheid in Afrika längst Geschichte, aber sie wirke immer noch nach. "Wir sprechen von uns in unserem Land als Einheit – aber im Hinterkopf wissen wir, dass wir noch keine Einheit sind, dass es da immer noch eine Trennung zwischen Schwarz und Weiß gibt", kritisiert der Südafrikaner.
Humphrey Maleka ist nicht nur Künstler. Er sieht sich auch als einen politischen Menschen, der mit seiner Kunst die afrikanische Gesellschaft positiv verändern möchte. Hin zu mehr Demokratie und Chancengleichheit sowie weniger Korruption. Der 28-Jährige ist studierter Tänzer, Mitglied im Ntsoana Contemporary Dance Theatre und Choreograph.
Kunst ist mehr als einfach "nur schön"
Ob und wie Künstler wie Maleka in Afrika tatsächlich Einfluss auf politische Veränderungsprozesse haben können und die Gesellschaft beeinflussen, das will Professor Wolfgang Schneider erforschen. Seit Anfang des Jahres ist er Inhaber des UNESCO-Lehrstuhls "Kulturpolitik für die Künste innerhalb gesellschaftlicher Entwicklungsprozesse" an der Universität in Hildesheim. Für Schneider steht fest, dass Kunst nicht nur schön ist, sondern auch eine gesellschaftliche Relevanz haben kann.
Dies lasse sich am Beispiel des arabischen Frühlings beobachten, sagt er. "Die Menschen in Tunesien und Ägypten haben ihren Protest dort auch in kultureller Form geäußert - etwa mit Plakaten, Graffiti, Gesang und Theater." Für den Wissenschaftler ist in diesem Zusammenhang vor allem interessant, welche politischen Rahmenbedingungen es braucht, damit afrikanische Künstler sich tatsächlich Gehör verschaffen können. Hier kommt dann auch die deutsche Entwicklungspolitik ins Spiel. Denn letztendlich will Schneider mit Hilfe seiner Forschungsergebnisse dafür in Zukunft konkrete Handlungsempfehlungen abgeben.
Kontakte nach Afrika stärken
Der Wissenschaftler hält zum Beispiel eine Umstrukturierung des deutschen Kulturministeriums für sinnvoll. Dort könne man auch die auswärtige Kulturpolitik gut integrieren, meint er. Dann ließen sich deutsche und ausländische Kulturprojekte besser koordinieren. Schon jetzt wird das Thema Kultur- und Entwicklungspolitik in den Lehrveranstaltungen diskutiert. "Das Spannende an der Uni ist, das man hier den Raum hat, gemeinsam kritisch zu hinterfragen, welche Ideologie dahinter steckt, wenn Deutschland international agiert", meint Kulturwissenschaftsstudent Michael Kranixfeld.
Um die kulturelle Bildung und die Wirkung von Kunst in Afrika genauer unter die Lupe nehmen zu können, baut die Universität Hildesheim derzeit die eigenen Kontakte nach Afrika aus. Vor Ort, in Deutschland, ist das Institut für Kulturpolitik immer wieder an internationalen Kolloquien beteiligt. Wie zum Beispiel im Rahmen des Festivals Theaterformen in Hannover: Gemeinsam mit anderen Kulturschaffenden und Wolfgang Schneider hat auch Humphrey Maleka dort über die Rolle von Theater in Gesellschaften diskutiert.
Kunst als Herausforderung für die Politik
Der Choreograph berichtete von einem seiner Festivals, dem In House Project. Dabei traten Maleka und seine Kollegen sowohl in Häusern der Townships – also in den Wohngegenden der Schwarzen in Johannesburg -, als auch in den Häusern der Weißen, in den so genannten Suburbs auf. Das Publikum sollte zu beiden Veranstaltungsorten reisen, sich austauschen.
"Indem wir Schwarze und Weiße gemeinsam in ein Taxi verfrachtet haben, konnten wir sicherstellen, dass sie miteinander reden", erzählt Maleka . "Und zwar über gewöhnliche Dinge - nicht nur darüber, dass der eine der Boss ist und der andere der Angestellte." Für den 28-jährigen Künstler steht fest: Kunst ist ohnehin Politik. Und es ist die Aufgabe von Kunst, die Politik herauszuforden, zu hinterfragen. "Kunst allein kann wahrscheinlich nicht alles ändern, aber: alles was wir tun, zählt."