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Kunst für alle - Das MoMA in Berlin

18. September 2009

Von 2002 bis 2004 wird das Museum of Modern Art (MoMA) in New York umgebaut. Statt in den Fundus gehen die bedeutenden Gemälde auf Reisen, nach Berlin und versetzen die deutsche Hauptstadt in einen Kunst-Ausnahmezustand.

Wer MoMA sehen will, muss leiden: Die Kunstbegeisterten stehen Schlange bis tief in die NachtBild: AP

Am 19. September 2004 ist alles vorbei. Ein riesiges Schild mit den Worten "Auf Wiedersehen MoMA!" markiert genau den Platz in der Schlange, hinter dem es keine Chance mehr gibt, in die Neue Nationalgalerie zu gelangen. "Die Legende ist da", resümiert Klaus Schuster, Direktor der Nationalgalerie und der Staatlichen Museen zu Berlin, "wir haben jetzt so ein melancholisch-heiteres Glücksgefühl."

MoMA ade, scheiden tut weh: Nach sieben Monaten geht es für die 200 Werke zurück nach New York

Sieben Monate herrscht in Berlin der Ausnahmezustand: "MoMA in Berlin" lautet der schlichte Titel der Ausstellung. Gezeigt werden über 200 Gemälde und Skulpturen des New Yorker "Museum of Modern Art", darunter bedeutende Werke des 20. Jahrhunderts. Eine einmalige Gesamtschau der klassischen Moderne, die in dieser Zusammenstellung in Deutschland noch nie zu sehen war: Hans Arp, Max Beckmann, Salvador Dali, Vincent van Gogh, Edward Hopper, Claude Monet, Pablo Picasso, Jackson Pollock, Robert Rauschenberg, Auguste Rodin und Andy Warhol. Die meisten der Kunstwerke stammen aus Europa. Einige davon sind, während der NS-Zeit als so genannte "Entartete Kunst" verfemt, in die Vereinigten Staaten verkauft oder nach dorthin gerettet worden.

Eine Ausstellung der Superlative

"Berlin ist fantastisch, mit einer beeindruckenden künstlerischen und architektonischen Geschichte", erläutert MoMA-Direktor Glenn Lowry die Entscheidung für die deutsche Hauptstadt. Geld habe dabei keine Rolle gespielt, so Lowry in Anspielung auf die Leihgebühren in Millionenhöhe, die an das MoMA fließen.

Ein Traum von einer Ausstellung: 1,2 Millionen Besucher staunen über Bilder und SkulpturenBild: The Museum of Modern Art, New York

"MoMA in Berlin" bricht alle Rekorde: 1,2 Millionen Besucher kommen insgesamt, das sind durchschnittlich 6.500 pro Tag. "Es war einer meiner Lebenswünsche, ein einziges Mal vor der Sternennacht von Van Gogh stehen zu dürfen", freut sich ein Maler vom Prenzlauer Berg, der eines der begehrten pinkfarbenen Tickets ergattert hat. Die Wartezeit beträgt im Schnitt zwei bis drei Stunden. Ständig ist die Nationalgalerie überfüllt. 580.000 Postkarten und 190.000 Ausstellungskataloge werden verkauft. Es gibt MoMA-Milchbecher, MoMA-Kugelschreiber und MoMA-Schlüsselbänder, die üblichen Devotionalien. Knapp eine Million Euro umfasst allein der Werbeetat. 3.600 Zeitungsartikel werden veröffentlicht. "Das MoMA hat eine eigene Aura und steht als Museum für die Kunst des 20. Jahrhunderts schlechthin", so jedenfalls erklärt Peter Raue, Initiator der Ausstellung und Vorsitzender der Freunde der Nationalgalerie, den Erfolg.

Der Mythos MoMA

Bis heute ranken sich merkwürdige Geschichten um das Kunst-Spektakel. So sollen sich Frauen Kissen unter Bauch gestopft haben, weil sie gehört haben, dass Schwangere das Museum ohne Wartezeit durch den VIP-Eingang betreten dürfen. Menschen verbringen ganze Nächte vor dem Eingang, einige sogar im Schlafsack.

Der frühe Vogel fängt die Eintrittskarte: Kunstbegeisterte campen vor der Neuen NationalgalerieBild: AP

Aber es gibt auch kritische Besucherstimmen, vor allem was die Vermarktungsmaschinerie betrifft. Weil Bildende Kunst mittlerweile enorm prestigeträchtig ist und ein hohes gesellschaftliches Ansehen genießt, fragen Kritiker: Welche Folgen hat eine Ausstellungspraxis, die Kunstwerke als absatzfördernde Werbeträger für Wirtschaft und Tourismusverbände nutzt? Geraten Ausstellungen zu weniger publikumsträchtigen Themen nicht zwangsläufig ins Hintertreffen?

Ausstellung mit Millionengewinn

Wegen des unermesslichen Werts der Exponate können sie durch die Neue Nationalgalerie und deren Träger, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, nicht versichert werden. Die Bundesrepublik übernimmt deshalb die Haftung . Um das Risiko eines Verlustes der Kunstwerke während der Überführung möglichst gering zu halten, werden die Kunstwerke auf mehrere Transporte per Flugzeug verteilt. Trotzdem stehen am Ende 13 Millionen Euro an Kosten über 6,5 Millionen Euro Gewinn gegenüber.

Autor: Michael Marek

Redaktion: Ramon Garcia-Ziemsen