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Kunst oder Schmiererei?

Thomas Senne30. Mai 2005

Ein paar Dosen Farbe. Eine Wand. Fertig ist das Graffiti. Ob Kritzelei oder Kunst, beleuchtet jetzt eine Ausstellung in Nürnberg. Thomas Senne war vor Ort. Und hat hinter dem Polizeipräsidium eine Entdeckung gemacht.

...schrill, leuchtend und buntBild: dpa

Vorbei die Zeiten, als die zornigen jungen Männer der 68er Generation nachts Politslogans auf Bauzäune schmierten. Heute sind subversive Politparolen nicht mehr up to date, sondern gesprühte Gemälde zwischen Kunst und Sachbeschädigung. Auf Brandmauern - und das zeigt die Nürnberger Graffiti-Schau in der Zentralbibliothek - sind sie ebenso zu finden wie in Hauseingängen oder auf U-Bahnzügen - schrill, leuchtend und bunt.

Fotos aus Franken

"Graffiti ist auf der einen Seite Kunst, das ist unumstritten. Es interessieren sich ja auch viele Museen für diese Graffiti-Künstler. Es ist Kunst, aber wenn sie an nicht legalen Flecken zu finden ist, dann ist es eben einfach eine Schmiererei ohne Wenn und Aber", sagt Siegfried Leykamm, der die Präsentation zusammengestellt hat.

Schönes Bild in MünsterBild: dpa

Gleich am Entree sind einige "corpora delicti" zu sehen: etliche Sprühdosen, die in diesem Fall jedoch Relikte einer legalen Sprayaktion auf Holzplatten sind, insgesamt 40 Quadratmeter. Diese abstrakt-figurativ besprayten Tafeln fungieren in der Ausstellung gewissermaßen als Anschauungsmaterial. Sie bilden eine ästhetische Klammer zu den präsentierten 150 Fotografien von Graffitis, die hauptsächlich aus Franken stammen.

Fratzen und Monster

Da pinkelt ein Hund - täuschend echt, in bester Trompe l'oeil-Manier - an eine Mauer, grinst ein comicartiger Bär mit Krone auf dem Kopf von einer Wand oder versuchen Fratzen und Monster dem Betrachter einen gehörigen Schrecken einzujagen. Verschlungene Namenskürzel tauchen auf Bauwägen oder Fabrikwänden als verschlüsselte Chiffren auf, sind mal gelungene Pop-Signaturen, mal hingeschmierte Belanglosigkeiten.

Bemalter S-Bahnzug in FrankfurtBild: dpa

Die Aufnahmen sind dabei keine am Computer verfremdeten Kunstfotografien, sondern schlichte Dokumente eines aktuellen Phänomens. Einer Zeiterscheinung, der Bundesinnenminister Otto Schilly mit Hubschraubern und Infrarotkameras den Garaus machen will. Das sei etwas übertrieben, sagt Leykamm. Es gebe ja andere Möglichkeiten, um die Graffiti-Sprüher etwas einzuschränken. Man müsse den Dialog finden, weil man nur mit Verbot und Verfolgung die Sache nicht in den Griff bekomme.

Graffiti Anno 1516

Doch Graffitis sind keineswegs nur Phänomene unserer Tage. So zeigt eine Fotografie in der Präsentation in Stein geritzte Uralt-Graffitis von Schlotfegern - Schulterhaken, Leitern, Initialen und Jahreszahlen - an einem 1516 errichteten Kornhaus des deutschen Ordens. Übrigens direkt an der Rückseite des heutigen Nürnberger Polizeipräsidiums.

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