Schein oder Sein? Um diese Frage kreist die Münchener Ausstellung "Lust der Täuschung. Von antiker Kunst bis zur Virtual Reality". Die Besucher erwartet ein Spiel mit ihrer Wahrnehmung. Überraschung garantiert!
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Kunsthalle München: "Lust der Täuschung"
Seit jeher loten Künstler die Kluft zwischen Realität und Illusion aus. In der neuen Ausstellung der Kunsthalle München können Besucher jetzt ihrer "Lust der Täuschung" frönen.
Bild: Livia Marin
"Nomand Patterns" (2018) - Livia Marin
Livia Marin nutzt eine Grundintention der Täuschung: ein Material durch ein anderes zu imitieren. Wie bei ihrem Werk "Nomand Patterns", bei dem sich das aus einer Teekanne herausgebrochene Porzellan in flüssiger Form auf dem Untergrund ergießt. Als anderes Material und in neuer Form. So wird die Wahrnehmung des Betrachters geprüft und zwischen Realität und Illusion gewechselt.
Bild: Livia Marin
"Richie’s Plank Experience" (2017) - Toast VR
Bei "Richie’s Plank Experience" gehen Besucher auf eine Reise in die Virtual Reality ein. Auf einer Holzplanke hoch über den Dächern einer animierten Stadt geht es auf den Abgrund zu. Was nicht fehlen darf: die VR-Brille, mit der man in die virtuelle Welt eintaucht. Die Arbeit verknüpft Elemente der Realität und Simulation und reiht sich ein in die Kunst der Täuschung.
Bild: Toast VR
"Phantom Ride (Filmstill)" (2016) - Daniel Crooks
Mit einer fahrenden Kamera war Daniel Crooks 2016 für sein "Phantom Ride" an verschiedenen Orten Australiens unterwegs. Das Filmstill ist Teil des knapp 20-minütigen Videos, in dem der Betrachter auf eine imaginäre Reise durch Raum und Zeit geht. Während man stetig der Kamera auf den Schienen folgt, öffnen und schließen sich die verschiedenen Landschaften wie Portale nacheinander.
Bild: Daniel Crooks
"Junges Selbst: Portrait des Künstlers wie er (nicht) war. Variation # 1" (2011) - Evan Penny
Der kanadische Künstler Evan Penny ist Bildhauer und modelliert Figuren aus Ton. Diese verknüpft er mit der Fotografie. Durch technische Vervielfältigung mit Laserscanner entsteht 3D-Fotografie, die er mit figurativer Skulptur verbindet. Sein Fokus liegt auf dem menschlichen Körper und dessen Wahrnehmung. Nicht selten wählt er sich selbst als Modell, wie bei dem vorliegenden Werk.
Bild: Evan Penny
"Kachelraum ohne Ding" (1976) - Hans Peter Reuter
In Hans Peter Reuters Werk stehen verschiedene Blautöne, ein Licht-Schatten-Wechsel sowie die symmetrische Anordnung von Kacheln im Fokus. Zunächst erlangt der Betrachter durch die Zentralperspektive das Gefühl, in den dreidimensionalen Raum gesogen zu werden. Dieser existiert jedoch nicht. Es handelt sich um eine Täuschung, bei der die Grenze zwischen Objekt und Malerei verschwimmt.
Bild: Hans Peter Reuter/VG Bild-Kunst 2018, Bonn
"Trompe L’œil mit Briefen" (um 1706) - Edwaert Collier
Für sein Werk nutzt Collier Alltagsgegenstände, die er täuschend echt darstellt. Der Betrachter erhält den Eindruck , dass es sich um unbedeutende Dinge handelt und erfasst erst nach genauerem Hinschauen deren Bedeutung. Ein Stich von Erasmus von Rotterdam nimmt die zentrale Position ein. Collier spielt mit den verschiedenen Ebenen eines Steckbretts und täuscht so Dreidimensionalität vor.
Bild: Courtesy of Rafael Valls Ltd, London
"Stillleben mit Vögeln" (um 1670) - Frans van Cuyck de Myerhop
Um 1670 schuf Frans van Cuyck de Myerhop sein Ölgemälde. Dieses reiht sich ein in die Kunst der Illusion. Täuschend echt hängen zwei Vögel kopfüber - an ihren Füßen aufgehängt - vom oberen Teil des Bildes herab. Obwohl dem Betrachter bewusst sein dürfte, dass es sich um ein Kunstwerk handelt, wirkt dieses täuschend echt. Der Zusammenhang von realer und imaginärer Wahrnehmung wird hinterfragt.
Bild: Hugo Maertens
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Ist das, was wir sehen, wirklich real? Wie schnell lässt sich unser Auge täuschen? Das lotet die neueste Schau in der Kunsthalle München aus. Ergebnis: Unsere Wahrnehmung liefert ein Wechselspiel zwischen Illusion und Realität, Fakt und Fiktion, Schein und Sein, Wahrheit und Fake. Zu unvollkommen ist das menschliche Auge, zu uneindeutig die von ihm wahrgenommenen Bilder, um die Wirklichkeit abzubilden.
Künstler aller Epochen haben sich das zunutze gemacht, wie die Schau mit einem Augenzwinkern vorführt. Da ist die Freskenmalerei in einer italienischen Villa aus der Zeit um Christi Geburt, die geschickt räumliche Tiefe vortäuscht. Oder der flämische Stilllebenmaler Cornelius Gijsbrechts (1630-1683), dessen Szene einer Falkenjagd so täuschend plastisch wirkt, als hätten sich die erlegten Tiere nur kurz für ein Schläfchen hingelegt. Irritierend auch die Keramik der britischen Künstlerin Livia Marin, die aussieht, als löste sich der Werkstoff einfach auf, um weg zu fließen. Manche Künstler trieben es besonders toll mit der Wahrnehmung ihrer Betrachter. Sogar Gerhard Richter findet sich unter den ausgestellten Zeichnern, Graphikern, Bildbauern und Foto- und Videokünstlern aus vier Jahrtausenden.
Doch was genau geschieht, wenn optische Phänomene und Täuschungen die Sinne des Betrachters auf den Holzweg führen?
Spiel mit den Sinnen
Die menschliche Wahrnehmung ist äußerst fehleranfällig, sie kann durch Strukturen, Farbverteilung und Räumlichkeit schnell verwirrt werden. Diese Täuschungen nimmt das Auge durchaus wahr. Es bemerkt den Unterschied zwischen Gesehenem und Erkanntem. Allerdings kann das Gehirn das Wahrgenommene nicht so schnell verarbeiten, wie das Auge bereits neue Reize aufnimmt. Denn es muss zunächst verarbeitet, gefiltert und sortiert werden, bevor ein Ergebnis entstehen kann.
Täuschende Kunst ist ein altbekanntes Phänomen
In neuerer Zeit weichen Photoshop oder Instagram-Filter die Grenzen zwischen Fakt und Fiktion immer weiter auf: Die digitale Bildbearbeitung ist inzwischen so perfekt, dass genaues Hinsehen nicht ausreicht, um die Wirklichkeit zu erkennen. Wie beispielsweise im Fall der Werke von Evan Pennys, der durch einen Mix von modellierten Tonfiguren, Fotografie und digitaler Animation, abfotografierte hyperrealistische Porträtbüsten schafft. Oder Daniel Crooks Videoarbeit "Phantom Ride", die den Betrachter auf eine imaginäre Reise durch Raum und Zeit mitnimmt.
So rückt die Münchener Ausstellung Werke und Objekte der verschiedenen Jahrhunderte ins Bild. Viele stellen die Wahrnehmung der Besucher auf eine harte Probe, ermuntern so aber zum genauen Hinsehen.