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Kunst

Krimi um verschollenes Barockgemälde

Gaby Reucher
11. Juli 2017

Jahrzehntelang galt das Bild "Blumen in einer Wanli-Vase" des Barockmalers Balthasar van der Ast als verschollen. Auf verschlungenen Wegen ist das 1942 geraubte Stillleben jetzt von New York nach Aachen zurückgekehrt.

Gutachter Fred G. Meijer betrachtet das Bild "Blumen in einer Wanli-Vase"
Gutachter Fred G. Meijer hat das Bild auf seine Echtheit geprüft Bild: DW/G. Reucher

Eigentlich wusste Museumsdirektor Peter van den Brink schon lange, wo sich das Gemälde "Blumen in einer Wanli-Vase" befand. Seit 1973 war es im Privatbesitz einer US-Amerikanerin. "Ich kenne die Sammlerin seit 30 Jahren. So lange kenne ich auch das Bild schon", sagt er. In einer Ausstellung in Delft hatte er es als Kurator sogar in der Hand gehabt. Auf die Idee, dass es sich bei Balthasar van der Asts Stillleben um ein geraubtes Gemälde handeln könnte, kam er damals allerdings nicht. "Niemand hatte eine Ahnung, dass das Raubkunst ist."

Bild: DW/G. Reucher

Ein wahrer Agentenkrimi rankt sich um das Bild, das ursprünglich aus der Sammlung des Aachener Suermondt-Ludwig-Museums stammt und 75 Jahre lang als verschollen galt. Jetzt hat van den Brink das Werk aus New York zurückgeholt. "Es ist erstaunlich gut erhalten für die vielen Wege, die hinter ihm liegen", sagt er. Zusammen mit zwei weiteren Gemälden, die ebenfalls eine besondere Geschichte haben, ist das restaurierte Stillleben jetzt im "Kaminzimmer" des Museums für die Öffentlichkeit zugänglich.

Tulpenboom in der Kolonialzeit

Rund vier Millionen Euro, so schätzt Peter van den Brink, sei das Blumen-Bild heute wert. Sein Schöpfer Balthasar van der Ast gehörte zu den bekanntesten niederländischen Stilllebenmalern des 17. Jahrhunderts. Blumenporträts waren damals in Mode, der Adel und die betuchten Kaufleute schätzten exotische Pflanzen, vor allem Tulpen, und exklusive Importgüter. Van der Asts Werk (gemalt um 1620), in dem Tulpenvariationen aus dem Orient in einer chinesische Wanli-Vase stecken, traf genau den Zeitgeschmack. 1910 kam sein Bild aus dem Besitz der Familie Suermondt in das Aachener Museum.

Raubkunst einer russischen Spionin

Auch der Früchtekorb von Jacob van Hulsdonck hat eine besondere Geschichte und ist als Leihgabe im Aachener Museum zu sehenBild: DW/G. Reucher

Im zweiten Weltkrieg lagerten viele Museen ihre Kunstwerke in Depots aus, um sie vor Bombenangriffen zu schützen. Das van-der-Ast-Gemälde wurde 1942 in der Meißner Albrechtsburg in Sachsen deponiert. Nach dem Krieg beschlagnahmte die sowjetische Besatzungsmacht alle Werke, die sie vorfanden. Das Stillleben "Blumen in einer Wanli-Vase" und 12 weitere Gemälde aus Aachener und Dresdener Museumsbeständen waren nicht dabei. Eine gewisse Alice Tittel aus Meißen, die später Alice Siano hieß, hatte sich schon vorher bedient. "Es ist keine Nazi-Raubkunst, aber es handelt sich auch nicht wirklich um Beutekunst mit Transportkisten, sondern tatsächlich um 'geraubte' Kunst", so van den Brink.

Erst bei den Nachforschungen im Jahre 2005 fand man heraus, dass die Diebin Alice Siano als Spionin für die Sowjetunion gearbeitet hatte, bevor sie in Berlin zu den US Amerikanern überlief. Über die amerikanischen Streitkräfte bekam sie 1951 ein Einreisevisum für die USA und Kanada. Es existieren sogar Zollformulare über 12 Bilder, die sie bei sich hatte. Angeblich sollten die Bilder 1952 in der "Gallery of Fine Arts" in Windsor Ontario in Kanada ausgestellt werden. Der van der Ast war allerdings nicht aufgeführt. Peter van den Brink vermutet, dass das Bild illegal über die Grenze geschmuggelt wurde. "Wenn das Bild offiziell verzollt worden wäre, wäre das zu teuer gewesen."

Ohne Provenienz: Bilder aus "alten Beständen"

1954 ging die Staatsanwaltschaft in Windsor Ontario einem Hinweis nach, dass die Bilder gestohlen seien. Alice Siano konnte jedoch ihre Exportlizenz und eine kanadische Einfuhrgenehmigung vorlegen. Der Museumsdirektor der "Gallery of Fine Arts" bestätigte die Ankunft der Bilder in seinem Museum. Die Anschuldigungen wurden daraufhin fallen gelassen.

Scheinbar ein abgekartetes Spiel, denn jener Museumsdirektor verkaufte das Gemälde von van der Ast innerhalb von drei Monaten schon an einen New Yorker Händler. "Alice Siano konnte nicht selbst verkaufen, weil sie ja nicht als Eigentümerin des geschmuggelten Bildes eingetragen war", sagt van den Brink.

Für einen Museumsdirektor sei es in der damaligen Zeit nicht schwierig gewesen, Bilder zu verkaufen. "Viele Museen haben Werke ohne Provenienz in ihre Sammlungen aufgenommen. Das haben wir hier in Aachen auch." Man nenne das "Alter Bestand", erläutert van den Brink. "Die Sachen stammen zum Beispiel aus Schenkungen, oder die alten Archivunterlagen sind einfach nicht mehr da."

Im Detail hing alles an einer Fliege

Peter van den Brink (mitte) und Fred G.Meijer (rechts) haben maßgeblich zur Aufklärung des Gemäldekrimis beigetragenBild: DW/G. Reucher

Im Falle des van- der-Ast-Gemäldes ging die Verschleierungstaktik noch weiter: 1955 tauchte ein Bild auf, dass den "Blumen in einer Wanli-Vase" verblüffend ähnlich sah. Der niederländische Kunstsammler Sidney van den Bergh hatte es in Den Haag ausgestellt. Im Katalog hieß es, das Bild sei im Detail abweichend zu der Fassung des verlorenen Aachener Gemäldes. So fehle etwa eine gemalte Fliege oben links im Bild.

Diese angebliche Variante befand sich dann seit 1973 in einer New Yorker Privatsammlung. Dass es sich bei der vermeintlichen zweiten Fassung doch um das Original handelte, kam erst 1997 ans Licht, durch einen Hinweis von Gutachter Fred G. Meijer vom RKD, dem Niederländischen Institut für Kunstgeschichte. "Wir haben das dann später durch einen Detailvergleich belegt", sagt Meijer. "Die Farbe war an einigen Stellen sehr dünn und die Maserung des Holzes schimmerte durch." Anhand dieser Maserung war klar, die beiden Werke waren identisch, und auch die Fliege schimmert auf dem restaurierten Gemälde wieder durch.

400.000 Euro Finderlohn für Sammlerin

Es sollten noch weitere 20 Jahre vergehen, bis das Gemälde endlich nach Aachen zurückkam. Mit Hilfe des Art Loss Registers in London konnte zumindest in groben Zügen nachgewiesen werden, welche verschlungenen Wege das Bild seit seinem Diebstahl aus Meißen genommen hatte. Nach der Beweisaufnahme konnte van den Brink, mittlerweile Museumsleiter in Aachen, die ganze Geschichte 2008 publik machen.

Peter van den Brink ist froh, dass das Gemälde "Blumen in einer Wanli-Vase" zurück in Aachen istBild: DW/G. Reucher

Von Rechtswegen konnte er das Bild nicht zurückfordern, denn die New Yorker Sammlerin hatte es "in gutem Glauben" gekauft, ohne die Geschichte zu kennen. Da das Geschäft über einen niederländischen Händler in Den Haag lief, gilt in diesem Fall niederländisches Recht, wonach die Sammlerin das Bild auf jeden Fall behalten durfte. Allerdings hätte sie es nicht verkaufen können, sagt van den Brink: "Die Geschichte war nun erforscht und publiziert, und dadurch konnte die Sammlerin das Werk nicht mehr verkaufen. Bis 2008 wäre jeder Käufer 'gutgläubig' gewesen."

400.000 Euro "Finderlohn" hat die US-amerikanische Sammlerin, die anonym bleiben will, für das Bild bekommen. Für Peter van den Brink und sein Team sind die Nachforschungen damit aber noch nicht beendet, denn viele Stationen des Bildes sind noch unklar. Außerdem gibt es noch zwei weitere Gemälde von Alice Sianos Liste, die bis heute als verschollen gelten. Peter van der Brink hofft, dass auch diese Gemälde bald wieder auftauchen werden.

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