Umsatzeinbrüche und Digitalisierungsschub: Corona mischt das Kunstgeschäft in Galerien, Messen und Auktionshäusern kräftig auf. Der Ausgang ist dabei offen.
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Die teuersten Kunstwerke der Welt
Für 71,35 Millionen Dollar ist gerade ein Van-Gogh-Gemälde versteigert worden. Sehr viel Geld - im Verhältnis zu den Top 3 allerdings geradezu "günstig".
Bild: Malcolm Park/Cover-Images/imago images
Das teuerste Gemälde der Welt
Mehr als 450 Millionen Dollar zahlte ein unbekannter Bieter im November 2017 beim Auktionshaus Christie's für "Salvator Mundi", das einzige Werk Leonardo da Vincis in Privatbesitz. Um 1500 entstanden, zählt es heute zu den weniger als 20 erhaltenen Gemälden des Meisters. 1958 hatte das Werk für 60 Dollar den Besitzer gewechselt - im Glauben, es sei kein Original. Die Echtheit ist noch umstritten.
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Picasso auf Platz zwei verdrängt
Vor dem Verkauf des "Salvator Mundi" hatten Pablo Picassos "Frauen von Algier" alle bisherigen Preisrekorde gebrochen: Für mehr als 179 Millionen Dollar (etwa 160 Millionen Euro) wechselte das Bild des spanischen Malers am 11. Mai 2015 den Besitzer - auch beim Auktionshaus Christie's. Damit ist Picasso insgesamt fünf Mal unter den Top Ten der Gemälde mit den höchsten Auktionserlösen vertreten.
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Platz drei: Amadeo Modigliani
Das Gemälde "Nu couché" ("Red Nude") des italienischen Malers, Zeichners und Bildhauers Amadeo Modigliani war 1917 ein Skandal. Am 9. November 2015 versteigerte Christie's das Werk bei einer Auktion in New York für 170,4 Millionen Dollar. Käufer war der chinesische Geschäftsmann Liu Yiqian.
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142,4 Millionen für Francis Bacon
"Drei Studien von Lucian Freud" von Francis Bacon ist ein Triptychon: drei einzelne Gemälde, die zusammen eine Einheit bilden. Es zählt nicht ins Ranking der Einzelgemälde. Ein Unbekannter ersteigerte die drei Porträts von Bacons Malerkollegen Lucian Freud im November 2013 für 142,4 Millionen US-Dollar.
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119,9 Millionen für Edvard Munch
Im Mai 2012 wurde das Gemälde "Der Schrei" von Edvard Munch für 119,9 Millionen Dollar versteigert. Wieso zahlen Menschen so viel Geld dafür? "Kunst ist mobil, Kunst gefällt. Und bei berühmten Künstlern überzeugt auch die Hoffnung auf finanzielle Stabilität oder sogar Wertsteigerung", erklärt Karl Arnold, Inhaber des Auktionshauses Arnold in Frankfurt.
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Picasso-Gemälde auf Weltrekord-Auktion
Pablo Picassos "Junges Mädchen mit Blumenkorb" hat es unter die Top Ten der am teuersten versteigerten Gemälde der Welt geschafft. Verkauft wurde es im Mai 2018 für 115 Millionen Dollar bei Christie's in New York. Die Versteigerung der privaten Kunstsammlung des US-Milliardärs David Rockefeller hat den bisherigen Weltrekord gebrochen: mit 648,4 Millionen Dollar Erlös.
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Monets Heuhaufen im Sonnenlicht
Im Lichte der untergehenden Sonne gewinnen die Heuhaufen Kontur. Vielfarbige Lichtstrahlen erhellen das Feld. Claude Monet (1840-1926) hat die stimmungsvolle Szenerie malerisch eingefangen. Sein Gemälde "Meules" wechselte jetzt in New York im Auktionshaus Sotheby's für umgerechnet 111 Millionen Dollar den Besitzer, eine Rekordsumme für ein Werk des französischen Impressionisten.
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106,5 Millionen Dollar für eine nackte Dame
Pablo Picasso malte das Gemälde "Akt mit grünen Blättern und Büste" an einem einzigen Tag im Jahr 1932. Würde er noch leben, hätte er einen Millionen-Stundensatz kassiert. 106,5 Millionen Dollar zahlte 2010 ein unbekannter Telefonbieter für das Gemälde, auf dem die Geliebte Picassos zu sehen ist.
Bild: picture-alliance/dpa
Die teuerste Skulptur
Auch eine Arbeit des Schweizer Bildhauers Alberto Giacometti hat bei der Christie's-Auktion im Mai 2018 in New York einen Rekord gebrochen: Der berühmte "Zeigende Mann" wurde für 141,3 Millionen Dollar verkauft. Würde man Gemälde und Skulpturen im selben Ranking betrachten, käme Giacomettis Werk auf Platz vier.
Schon Giacomettis "Schreitender Mann I" war ein Auktionsschlager: 2010 wurde er bei Sotheby's für 104,3 Millionen Dollar verkauft. "Der Preis des Kunstwerkes wird vom Markt getragen", erklärt Auktionator Karl Arnold. "Kunst ist ein Wirtschaftsfaktor wie Mode und folgt dem kapitalistischen Modell von Angebot und Nachfrage."
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Jeff Koons "Rabbit" jetzt teuerstes Werk eines lebenden Künstlers
Das Tier ist aus Stahl und 104 Zentimeter hoch. Sein Erzeuger, Kunst-Pfiffikus Jeff Koons, hat ihm nicht einmal einen Namen gegeben. Bis heute heißt es "Rabbit" und ist nun das teuerste Werk eines lebenden Künstlers, denn für 91,1 Millionen Dollar wurde es bei Christie's in New York versteigert. Diesen Rekord hielt zuletzt ein Gemälde des britischen Malers David Hockney.
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37 Millionen Dollar für "Domplatz, Mailand"
Bevor Koons "Balloon Dog" versteigert wurde, galt der Deutsche Gerhard Richter als der "teuerste" lebende Künstler. Er selbst hält allerdings nicht viel von den Millionenpreisen, die für Kunst bezahlt werden. "Da besteht doch ein völliges Missverhältnis zwischen dem Wert und der Relevanz von Kunst und diesen wahnwitzigen Preisen, die dafür gezahlt werden", so Richter in einem Spiegel-Interview.
Bild: picture-alliance/dpa
Der reichste Künstler der Welt
Er verdient Millionen: Damien Hirst ist nicht nur reich, sondern auch umstritten. Bekannt wurde der britische Künstler durch seine provozierenden Plastiken, die sich mit den Themen Tod, Leben, Religion oder Konsumkultur auseinandersetzen. Seine berühmtesten Werke sind ein in Formaldehyd eingelegter Hai (Foto) sowie ein diamantbesetzter Totenschädel mit dem Titel "For the Love of God".
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Das teuerste Kartenspiel der Welt
"Privatkäufe sind nicht nachvollziehbar. Bei Auktionen hingegen können mehrere Menschen den Kauf bezeugen", sagt Auktionator Arnold. Die 259 Millionen Dollar, die angeblich für Paul Cézannes "Die Kartenspieler" bezahlt wurden, sind nicht belegt, würden das Werk aber auf Platz 2 katapultieren. "Bei nicht transparenten Privatkäufen können Steuern hinterzogen werden", gibt Arnold zu bedenken.
Bild: picture alliance/akg-images
Millionen für privat verkaufte Gemälde
"Adele Bloch-Bauer I" von Gustav Klimt (Bild) wurde 2006 für 135 Millionen Dollar privat verkauft. Im Gegensatz zu "Die Kartenspieler" von Cézanne gilt dieser Kauf als gesichert. Willem de Koonings "Woman III" gehört mit seinen 137,5 Millionen Dollar ebenfalls zu den teuersten Privatkäufen. Noch mehr war "No. 5" von Jackson Pollock einem unbekannten Käufer wert: Er zahlte 140 Millionen Dollar.
Bild: AP
Teurer als erwartet
Das Gemälde "Junger Mann mit Medaillon" von Sandro Botticelli ist im Januar 2021 bei Sotheby's für 92,2 Millionen Dollar versteigert worden. So viel war noch nie zuvor bei einer Versteigerung für ein Werk des italienischen Renaissance-Meisters bezahlt worden - taxiert war das Gemälde zuvor auf rund 66 Millionen Dollar.
Bild: AFP/ C. Ord
71,35 Millionen Dollar für Van Gogh
Das Gemälde "Cabanes de bois parmi les oliviers et cyprès" von Vincent van Gogh zeigt Holzhütten zwischen Olivenbäumen und Zypressen. Für die 71,35 Millionen Dollar, die das 1889 entstandene Werk einem anonymen Bieter wert war, bekäme man gleich mehrere Luxus-Villen. Im November 2021 wurde das Bild bei einer Herbstauktion des Auktionshauses Christie's in New York versteigert.
Bild: Malcolm Park/Cover-Images/imago images
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Für Dirk Boll steht der Kunstmarkt vor einer "Zeitenwende". Die Corona-Krise habe den Wandel der traditionsverhafteten Branche "wie ein Katalysator" beschleunigt, sagt er im Gespräch mit der Deutschen Welle. Nun komme die Digitalisierung "im Turbogang". Boll ist Kunsthistoriker und einer von vier Präsidenten, die mit dem Geschäftsführer Guillaume Cerutti das Londoner Auktionshaus Christie's leiten. In diesen Tagen erscheint Bolls neues Buch. Darin analysiert er die Auswirkungen der jüngsten Wirtschaftskrisen auf den Kunstmarkt. Mit Blick auf Covid-19 hat er sein Buch überschrieben: "Was ist diesmal anders? Wirtschaftskrisen und die neuen Kunstmärkte."Schon nach dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 stand fest: Die Corona-Pandemie hat die Kunstwelt im Griff, wie etwa die Halbjahres-Umfrage der Art Basel und der schweizerischen Großbank UBS unter 795 Galerien aus rund 60 Ländern zeigte.
Danach schrumpften die Galerieverkäufe weltweit um mehr als ein Drittel. Auf Talfahrt ging auch die Stimmung in den Galerien: Rund die Hälfte der Betroffenen fürchtete weiter sinkende Umsätze. Der neuerliche Lockdown dürfte den Pessimismus noch weiter anheizen. "Die Pandemie hat den Kunstmarkt - und insbesondere den Galeriesektor - vor einige seiner größten Herausforderungen gestellt", so das Fazit der Leiterin der Studie, der irischen Kunstökonomin Clare Mc Andrew.
Kunst-Nachfrage ungebrochen
Doch auch der Auktionsmarkt litt und leidet unter der Pandemie, wenn auch weniger stark: So kam in den Auktionshäusern nach Berechnungen des französischen Online-Portals ArtMarket.com im Jahresvergleich zwar gut ein Fünftel weniger Kunst unter den Hammer, der Umsatz brach bis August sogar um fast die Hälfte ein.
Aber: "Den Auktionshäusern ist es gelungen, ihre Tätigkeit weitgehend fortzusetzen", so ArtMarket-Geschäftsführer Thierry Ehrmann auf seiner Website. Auch seien die Kunstmarktpreise "keineswegs systematisch" gesunken, wie etwa der Verkauf von Giorgio de Chiricos Gemälde "Il pomeriggio di Arianna" (1913) für 15,9 Millionen Dollar bei Sotheby's in New York am 29. Oktober 2020 belege. Die Nachfrage nach Meisterwerken sei sogar ungebrochen.
Was heißt die Pandemie also für den Kunstmarkt? Ließ der Lockdown schon im Frühjahr viele Kunstmessen, Auktionen und Ausstellungen platzen, so schien ein Neustart selbst im Herbst noch in weiter Ferne. Das Aus der Großevents traf die Händler hart. Für viele sind Messen die wichtigsten Verkaufsplattformen. Die Branche verlegte ihren Umschlagplatz also, soweit möglich, ins Internet. Online-Galerien schossen wie Pilze aus dem Boden. Kunstmessen wie die Art Basel oder die Art Cologne eröffneten "Online Viewing Rooms", jedoch mit unterschiedlichem Erfolg: Wer vorher schon groß war, konnte auch schneller und im größeren Stil in neue Technik investieren, sagt Dirk Boll, der Kunstmarkt-Experte von Christie's.
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Online-Kunsthandel boomt
Die Kunstkäufer und Sammler sorgen zudem, wie Boll meint, für eine "Konservativierung des Angebots". Bei digitalen Messeauftritten und in Online-Viewing-Rooms hätten es jüngere und unbekanntere Positionen sichtlich schwerer. Oder, wie es Kristian Jarmuschek, Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Galerien (BVDG) im DW-Gespräch ausdrückt: "Bekanntes profitiert, denn Marken verkaufen sich bekanntlich besser." Das Nachsehen haben kleinere Galerien, die noch keine Künstlermarken im Angebot haben, sondern Basisarbeit leisten, sich also dem Aufbau von jüngeren und unbekannten Künstlern widmen.
Ein Gespräch über Geld mit Dirk Boll, Chef von Christie’s
04:14
Vor der Krise taugte das Internet vor allem als Schaufenster der Kunst. Die Umsätze waren überschaubar: Von den 64,1 Milliarden US-Dollar, die laut ArtMarket.com im Vorjahr am Welt-Kunstmarkt umgesetzt wurden, entfielen zehn Prozent auf den Online-Sektor. Doch im ersten Quartal 2020 schnellte der Anteil auf 37 Prozent hoch.
Und schon hat der digitale Markt sein Nischendasein verlassen und ist zu einem ernstzunehmenden Faktor geworden, zumindest im Auktionshandel, wie Dirk Boll versichert: "Wir gehen davon aus, dass wir im Jahr 2021 etwa die Hälfte aller unserer Objekte über Online-Only-Auktionen absetzen werden." Bereits jetzt hätten die Auktionshäuser die Wertgrenzen ihrer verkauften Objekte deutlich nach oben verschoben - was Boll als Zeichen für das wachsende Vertrauen der Käufer in den digitalen Kunstvertrieb wertet.
Mit dem neuerlichen Lockdown könnten die Hoffnungen mancher Händler für 2021 verfliegen. Immerhin rechnete zur Jahresmitte noch die Hälfte der befragten Galerien mit steigenden Umsätzen im neuen Jahr. Unterdessen haben Deutschlands Galeristen derzeit wenig Grund zur Klage, wie BVDG-Chef Kristian Jarmuschek betont. Noch habe keine Galerie aus Corona-Gründen schließen müssen. Vielmehr sei der Lockdown der klassischen Galeriearbeit zugute gekommen. "Wir können uns Zeit nehmen für unsere Kunden, die ihrerseits mehr Zeit für die Kunst haben."