Paris, Dresden, Berlin, Boston: Die größten Raube in Museen
20. Oktober 2025
Die Beute, die vier Diebe am 19. Oktober 2025 aus dem Pariser Louvre gestohlen haben, besteht aus Artefakten der französischen Geschichte und ist von unschätzbarem Wert: Diademe, Broschen und Ketten, unter anderem aus der Zeit Napoleons III. Noch ist die Spur der französischen Kronjuwelen kalt. Der Louvre-Raub ist ein Schock - doch er reiht sich in eine lange Geschichte dreister Kunstdiebstähle ein.
Dresden 2019: Der Clan-Coup im Grünen Gewölbe
Am 25. November 2019 dringen zwei maskierte Männer ins Dresdner Residenzschloss ein. Mit einer Axt zerschlagen sie die Vitrinen des Grünen Gewölbes und stehlen 21 Schmuckstücke mit rund 4300 Diamanten und Brillanten im geschätzten Wert von mehr als 116 Millionen Euro.
Hinter dem Coup stecken Mitglieder des Remmo-Clans, einer arabischstämmigen Großfamilie aus Berlin, die schon zuvor durch spektakuläre Raubzüge aufgefallen war. Teile der Beute wurden 2022 nach Geständnissen sichergestellt - viele Juwelen bleiben bis heute verschwunden.
Der Fall zeigt, wie Clan-Strukturen Kunstraub zu einem professionellen Geschäftszweig gemacht haben - organisiert, präzise, skrupellos. Trotz der Schwierigkeiten beim Verkauf des Diebesguts. Nach dem Juwelenraub erklärte die Kunsthistorikerin Ulli Seeger der DW: "Wir haben es hier mit historischen Juwelengarnituren zu tun, mit Diamanten, die mit einem besonderen Schliff aus dem 18. Jahrhundert versehen sind." Im Unterschied zu Gemälden, die schließlich nur aus Leinwand und getrockneter Farbe bestehen, haben solche einen enormen Materialwert. Deshalb konzentrierten sich international vernetzte Banden zunehmend auf solche Objekte: "Gold, Edelsteine, Münzen. Das ist einfacher zu verwerten als Kunstwerke, die in jedem Katalog auftauchen."
Allerdings müssten gerade Juwelen erst einmal völlig verändert werden, da man sie sonst anhand ihres historischen Schliffes sofort identifizieren könne, so Seeger, dazu sei jeder seriöse Juwelier weltweit in der Lage.
Berlin 2017: Die "Big Maple Leaf" aus dem Bode-Museum
Zwei Jahre zuvor, eine ähnliche Handschrift: Täter - ebenfalls Mitglieder des Remmo-Clans - steigen in einer Märznacht durchs Fenster ins Bode-Museum in Berlin ein und stehlen die 100 Kilogramm schwere Goldmünze "Big Maple Leaf". Ihr Materialwert damals: rund 3,75 Millionen Euro, beim heutigen Goldkurs wären es fast 12 Millionen Euro. Und genau darum ging es den Dieben wohl: das Gold zu Geld machen. Und so wurde die Münze vermutlich längst zerstört und eingeschmolzen.
Paris 2010: Der Spinnenmann klettert zu Picasso
2010 kletterte Vjeran Tomic, wegen seiner Kletterkünste als "Spider-Man" bekannt, ins Musée d'Art Moderne in Paris. Seine Beute: fünf Meisterwerke von Picasso, Matisse, Modigliani, Braque und Léger - zusammen rund 100 Millionen Euro wert.
Tomic wurde gefasst, behauptete aber, im Auftrag eines Sammlers gehandelt zu haben. Die Gemälde sind bis heute verschwunden - vermutlich vernichtet, um Beweise zu beseitigen.
Boston 1990: Der größte Kunstraub aller Zeiten
Im März 1990 betraten zwei Männer in Polizeiuniform das Isabella Stewart Gardner Museum in Boston. Sie fesselten die Wachleute und entwendeten 13 Kunstwerke - darunter Gemälde von Vermeer, Rembrandt und Degas. Das FBI bezifferte ihren Wert auf mehr als 500 Millionen US-Dollar.
Bis heute gilt der Fall als ungelöst. Ermittler vermuten, dass die Werke in Mafia-Kreisen als "Wertpapiere im Untergrund" zirkulieren. Der Fall ist legendär - und Stoff zahlreicher Dokumentationen.
"Kunst ist schwer zu verkaufen - Edelsteine nicht"
Tim Carpenter, Chef der Kulturschutzorganisation Argus Cultural Property Consultants, leitete lange Zeit die Abteilung für Kunstdelikte beim FBI. "Bei traditionellen Kunstwerken - Gemälden, Drucken oder Zeichnungen - besteht die größte Herausforderung nicht im Diebstahl selbst, sondern darin, sie weiterzuverkaufen. Diese Werke sind bekannt, katalogisiert und schwer zu monetarisieren." Anders sei das bei Edelmetallen und Juwelen, sagte Carpenter der DW: "Sie können eingeschmolzen oder auseinandergebaut werden - ein tragischer Verlust für das kulturelle Erbe. Leider sind solche Objekte zunehmend Ziel von Dieben in Europa, denn am Ende geht es den Tätern genau darum: aus Kunst Kapital zu schlagen."
Im Fall des Louvre glaubt Carpenter jedoch nicht an eine Zerstörung der Beute: "Diese Stücke sind zu bedeutend. Ich vermute, die Täter wissen genau, was sie haben - und werden sie als Sammlung zusammenhalten. Sie sind hochgradig identifizierbar."
Warum Kunst so verlockend ist
Unter Kriminellen fungieren Kunstwerke mitunter als Währung. Die Täterlandschaft hinter den Kunstrauben ist vielfältig: Vor allem in Deutschland agieren arabischstämmige Großfamilien mit hoher Logistikkompetenz und eingespielten Strukturen. Auch in anderen Zweigen der organisierten Kriminalität spielen Kunstraube eine immer größere Rolle: In Südeuropa und Osteuropa dienen Kunstwerke als Tauschware im Drogen- oder Waffenhandel.
Natürlich gibt es auch Einzeltäter, vor allem Insider wie Sicherheitskräfte oder Angestellte, die Schwachstellen im Sicherheitssystem der Museen kennen. Und zuletzt, wie in Hollywoodfilmen gerne romantisiert, soll es irgendwo auf der Welt auch vereinzelte private Sammler geben, die ein Kunstwerk einfach nur besitzen möchten und Diebe mit der Beschaffung beauftragen.
Laut vorsichtigen Schätzungen von Interpol werden jährlich Kunstwerke im Wert von mehreren Milliarden US-Dollar gestohlen - nur etwa zehn Prozent tauchen je wieder auf. Der Coup im Louvre erinnert nun erneut daran, dass Kunst nicht nur schön, sondern verletzlich ist - und dass der Schwarzmarkt für Kulturgüter boomt.