Kunststar wird man nicht über Nacht
22. April 2013"So schaffst du es nicht!" Diesen und ähnliche Sprüche musste sich der 32-jährige Ismael Duà von seinen Studienkollegen anhören, als er an einer Künstler-Castingshow beim deutsch-französischen Sender Arte teilnehmen wollte. Künstler aus Frankreich und Deutschland hatten sich im Herbst 2012 beworben, um in der Sendereihe "Alles für die Kunst" im Fernsehen einer Jury aus Sammlern und Kuratoren ihre Arbeiten vorzustellen. Ismael Duà hat es geschafft und kam mit sieben anderen Kunstakademie-Studenten ins Finale.
So konnte der Absolvent der Münchener Hochschule für Bildende Künste seine Werke im Rahmen einer Ausstellung im Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) in Karlsruhe erstmals einem breiten Publikum präsentieren. Doch ist so eine Castingshow im Stil des Gesangswettbewerbs "Deutschland sucht den Superstar", der regelmäßig im deutschen Fernsehen läuft, der richtige Weg, um auf dem Kunstmarkt Erfolg zu haben?
Kunsthochschule – und dann?
Sören Grammel, Leiter des Kölner Kunstvereins, glaubt das nicht. "Das, was einem auf Arte medial vermittelt wird, sieht toll aus und propagiert große Freiheiten, aber ich glaube, das ist Quatsch. Kaum ein anderer Beruf ist so hart wie der des Künstlers." Auch Thomas Rentmeister, Bildhauer in Berlin, hält solche Shows für den komplett falschen Weg: "Viel zu affirmativ", sagt er.
Affirmation passe nicht zu jungen zeitgenössischen Künstlern. "Die müssen kritisch sein und Distanz halten zu Medien wie dem Fernsehen." Thomas Rentmeister kann heute von seiner Kunst leben. Doch in den ersten zehn Jahren nach dem Abschluss seines Studiums hat er sich nebenher als Puppenbauer über Wasser gehalten. Irgendwann seien dann die ersten Käufer auf seine Arbeiten aufmerksam geworden. Der Kunstmarkt, so Rentmeister, sei absolut unberechenbar.
Keine Erfolgsstrategie
Der Kunstmarkt ist ein Buch mit sieben Siegeln. Während die einen verarmen, verdienen sich andere eine goldene Nase. 2012 verbuchte der Kunsthandel Rekordumsätze. In Zeiten der Finanzkrise werden Kunstwerke auf dem Markt wie Blue Chips, besonders starke Aktien, angesehen. Die hohen Summen, die bei Versteigerungen erzielt werden, heizen die Fantasien der Goldgräber, aber auch die des Nachwuchses an.
Sören Grammel kann über diese Entwicklung nur den Kopf schütteln: "Für mich ist das eine unmögliche Vorstellung, dass man Künstler beziehungsweise deren Werk wie Aktien behandelt und darauf setzt, dass deren Wert steigt", meint der Direktor des Kölner Kunstvereins.
Brotlose Kunst
Ein solches Glück haben ohnehin nur die wenigsten der rund 19.000 Künstler in Deutschland. Denn 95 Prozent von ihnen können nicht oder nur schlecht von ihrer Arbeit leben. Das durchschnittliche Jahreseinkommen von bildenden Künstlern betrug nach Angaben der Künstlersozialkasse 13.743 Euro im Jahr 2012. Die erste Hürde für junge Künstler besteht darin, eine Galerie zu finden, die ihre Werke auf Kunstmessen, im Internet oder in den Räumen der Galerie zum Verkauf anbietet. Keine einfache Aufgabe. Eine ganze Reihe von Coaching-Agenturen hat sich darauf spezialisiert, Kurse anzubieten, die Kunststudenten auf das Überleben außerhalb des Kokons Kunstakademie vorbereiten.
Auch die Bundesregierung bietet Unterstützung: Seit 2007 gibt es das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes, das kostenfrei so genannte Orientierungsberatungen anbietet. Dabei soll das Potenzial einer künstlerischen Idee auf Markttauglichkeit untersucht werden. Für Ismael Duà hat sich nach seinem großen Auftritt beim Fernsehsender Arte noch nichts getan. Auf eine Galerie, die seine Arbeiten verkauft, wartet er noch. Nach dem Studienabschluss ist er erstmal nach Berlin gezogen. Die deutsche Hauptstadt gilt mit ihren rund 500 Galerien als Sehnsuchtsort vieler Nachwuchskünstler.
Bedachte Karriere
Der Kölner Künstler Alfons Knogl würde weder ein Coaching noch ein Künstlercasting im Fernsehen besuchen. Techniken der Selbstvermarktung und unternehmerisches Denken sind ihm nicht so wichtig. Es geht ihm darum, im richtigen Umfeld zu arbeiten und inhaltlich keine Kompromisse zu machen. Denn kaum ist ein Künstler auf dem Markt erfolgreich, wächst auch der Druck auf seine Produktion. Deshalb bestreitet Knogl seinen Lebensunterhalt hauptsächlich mit einem künstlerischen Lehrauftrag - auch um unabhängig von Marktmechanismen agieren zu können.
Das Atelier in den Räumlichkeiten des Kölnischen Kunstvereins muss er nicht bezahlen. Dafür hat er ein Stipendium. Der 36-Jährige studierte zunächst in Dresden und absolvierte danach ein Postgraduierten-Studium an der Kunsthochschule für Medien in Köln. Knogls Kunst ist schwer einzuordnen. Er fertigt Skulpturen an, deren Formen an Inneneinrichtungsgegenstände erinnern. Außerdem macht er Musik: für ihn auch eine Form von Skulptur.
Alfons Knogl stellt regelmäßig in jungen Galerien oder Showrooms aus. Häufig in gezielten Kolloborationen. Er versucht, sich nicht von Hitlisten, und Auktionsrekorden beeinflussen zu lassen. „Ich gucke auf den Austausch, der passiert, wenn ich meine Arbeiten zeige. Der soll produktiv sein. Damit arbeite ich und versuche meine Vorstellungen umzusetzen“, erklärt er. Das klappe mal mehr, mal weniger gut.
Erfolg können Künstler nicht planen, da ist sich Knogl sicher. Erst retrospektiv lasse sich sagen, welcher Künstler wirklich bedeutende Arbeit geleistet hat. Dazu fallen einem viele Namen ein.