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Kurdenkonflikt in Deutschland

Ranty Islam6. November 2007

Nach den Ausschreitungen zwischen Kurden und Türken in Deutschland warnen Politiker vor einem "Überschwappen" des Kurdenkonflikts. Doch auch in der Türkei beobachten beide Seiten, was auf deutschen Straßen passiert.

Junge in Menschenmenge schwenkt Flagge (Quelle: AP)
Mit vollem Einsatz: Bei der jüngsten Kundgebung in Berlin schwenkt ein Junge die kurdische FlaggeBild: AP

Die beiden jungen Männer, die auf dem Bürgersteig den Passanten Flugblätter in die Hand drücken, haben die Ereignisse auf der anderen Straßenseite stets im Blick. Dort, auf dem Hermannplatz in Berlin-Neukölln haben sich auch an diesem Sonntag (4.11.2007) wieder mehrere Hundert Menschen versammelt. Am vergangenen Wochenende hatte es an gleicher Stelle Ausschreitungen gegeben: Junge Mitglieder der türkisch-nationalistischen Grauen Wölfe griffen nach einer Demonstration ein kurdisches Kulturzentrum an.

Ausschreitungen in der vergangenen Woche: Berliner Polizisten überprüfen PersonalienBild: picture-alliance/dpa

Diesmal soll alles friedlich bleiben, versichert Baran, einer der beiden Flugblatt-Verteiler. Zusammen mit Achmed ist er an diesem Nachmittag für den kurdischen Verein Navenda Kurd auf der Straße. "Doch wir haben Informationen, dass die Grauen Wölfe uns später noch einmal besuchen wollen. Wer uns was antun will, der kriegt auch was zurück. Aber wir wollen Frieden", fügt er hinzu. Was sie noch wollen, ist, auf die andauernde "langjährige Unterdrückung der Kurden in der Türkei" hinzuweisen. "Das Militärgehabe der türkischen Regierung im Nordirak ist nur der aktuelle Anlass", sagt Achmed.

"Internationalisierung des Konflikts hilft PKK"

Demonstrationen wie diese hat es in der vergangenen Woche in mehreren deutschen und anderen europäischen Städten gegeben. Nicht immer friedlich, wie die Ereignisse in Berlin in der vergangenen Woche gezeigt haben. Anlass genug für Politiker, Behörden und Medien, vor einem "Überschwappen des Kurdenkonflikts" auf Deutschland zu warnen. Doch mittlerweile zeichnet sich ab, dass die steigende Fieberkurve im Verhältnis zwischen Türken und Kurden in Deutschland auch für den ursprünglichen Konflikt in der Türkei eine Rolle spielen könnte.

Ein PKK-Mitglied im Nord-Irak nahe der türkischen GrenzeBild: AP

Durch politische Zugeständnisse in den letzten Jahren an die Kurden ist die regierende AK-Partei des türkischen Premiers Erdoğan bei den jüngsten Wahlen auch in den kurdischen Hochburgen des Landes erfolgreich gewesen. Zugleich habe die kurdische Arbeiterpartei PKK viel an Popularität bei der eigenen Klientel verloren, sagt Süleyman Bağ, Berlin-Korrespondent der konservativen türkischen Tageszeitung "Zaman". "Nun profitiert [die PKK] von der Internationalisierung des Konflikts, um neue Unterstützung zu mobilisieren." Wie erfolgreich die PKK dabei ist, darüber lässt sich streiten. "Es gibt Berichte, nach denen die PKK in der Vergangenheit einige ihrer Kämpfer im Nordirak aus Deutschland rekrutiert hat", so Bağ. Auffallend sei auch, wie deutsche Medien über den Konflikt berichteten. Die EU und die USA stufen die PKK als Terrororganisation ein. "Dass deutsche Medien das weitestgehend nicht tun, interpretiert die türkische Öffentlichkeit als stillschweigende Beistandsbekundung für die PKK."

Deutsch-Türkische Politiker "einseitig"

Andererseits kritisieren kurdische Gruppen in Deutschland, dass türkischstämmige Politiker in der Bundesrepublik die Ausschreitungen zum Anlass nehmen, um erneut einseitig Stellung gegen die PKK zu beziehen. So hatte der Grünen-Politiker Cem Özdemir in der vergangenen Woche kritisiert, dass das PKK-Verbot in Deutschland völlig unzureichend umgesetzt werde. "Ich würde mir wünschen, dass diese Politiker in deutschen Parlamenten mehr Ausgleich schaffen", sagt Ayten Kaplan von der Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland. Die Lager seien schon gespalten genug. "Maßgeblich dafür verantwortlich sind die Hetzreden türkischer Politiker, die über die türkischen Medien nach Deutschland gesendet werden", sagt Kaplan.

Auch wenn die Spannungen zwischen Türken und Kurden in Deutschland aus der Sicht der türkischen Regierung nur ein Nebenschauplatz sind, weiß man auch in Ankara, dass eine mögliche weitere Eskalation in deutschen aber auch anderen europäischen Städten erst zu einem PR-Problem werden könnte – wenn dort die öffentliche Stimmung kippt – und dann zu einem politischen: Bereits jetzt ist ein möglicher Beitritt der Türkei zur Europäischen Union in der Bevölkerung mehrerer EU-Staaten, darunter Deutschland, heftig umstritten.

Neue Zweifel an Integration

Nach PKK-Attacken auf türkische Soldaten im Südosten des Landes: Anti-kurdische Demonstration in IstanbulBild: AP

Am Ende spiele eine weitere Eskalation nur den Extremisten auf beiden Seiten in die Hände – sowohl der PKK als auch den türkischen Nationalisten, sagt Süleyman Bağ. Und wer als Verlierer feststehen würde, hat die vergangene Woche bereits angedeutet: Türkisch- und kurdischstämmige Menschen in Deutschland. Durch den Konflikt wird deren Integration in Deutschland erneut von Politikern in Frage gestellt, wie zuletzt durch Äußerungen des nordrhein-westfälischen CDU-Politikers Bülent Arslan – der selbst türkischstämmig ist.

Anlass zu solchen Zweifeln hat zumindest die Demonstration am Hermannplatz diese Woche nicht gegeben. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit machen sich die letzten Teilnehmer der Kundgebung auf den Nachhause-Weg. Die 1000 Polizisten fahren in ihren Mannschaftswagen einer nach dem anderen davon – darunter auch die Mitarbeiter des Anti-Konflikt-Teams. Alles ist ruhig geblieben, sagen sie.

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