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Kurt Sanderling tot

20. September 2011

Kurt Sanderling hinterlässt nach seinem Tod am 18. September in Berlin eine große Lücke im Kreise der Musikliebhaber.

Der Dirigent Kurt Sanderling, einer der großen Dirigenten des 20. Jahrhunderts, am 07.09.2006 im Foyer des Nikolaisaals in Potsdam bei einer Veranstaltung der Reihe "Klassik plus Gespräch" der Kammerakademie, die erstmals in dieser Saison gemeinsam mit dem RBB (Rundfunk Berlin/Brandenburg) veranstaltet wurde. Foto: Nestor Bachman +++(c) dpa - Report+++
Bild: picture-alliance/ZB
"Andere machten Geschichte, ich machte Musik" sagte der Dirigent

Kurt Sanderling gehörte zu den großen Dirigenten des 20. Jahrhunderts, arbeitete mit den bedeutendsten Musikern seiner Epoche zusammen und wurde Zeuge historischer Ereignisse, die das Jahrhundert kennzeichneten. Trotzdem fand er in den Medien nie besonders große Beachtung: Seine Musik gehörte nicht zu der meistverkauften noch wurde sein Privatleben in den Medien ausgeleuchtet. Er war sich dessen bewusst, und so lautet auch der Titel seiner Autobiografie, die er 2002 im Alter von 90 Jahren veröffentlichte: "Andere machten Geschichte, ich machte Musik". An Sanderling wird man sich wegen seiner Hingabe zur Kunst des Dirigierens erinnern, auch wenn er ursprünglich nicht als Dirigent sondern als Pianist begann.   

Die Nazis als Wendepunkt in der Karriere

Die Machtübernahme der Nazis stellte einen Wendepunkt im Leben Sanderlings dar, so wie für viele Juden seiner Zeit. Schon sehr früh arbeitete er hart an seinem musikalischen Talent. 1912 in Arys, Ostpreußen, geboren, begann er seine musikalische Karriere an der Städtischen Oper Berlin-Charlottenburg. Mit der Machtübernahme Hitlers 1933 musste er als Jude seine Stelle aufgeben. Einige Jahre später begann er ein neues Leben in der damaligen Sowjetunion, zunächst beim Moskauer Rundfunk, dann bei den Leningrader Philharmonikern, wo er bis 1960 als Co-Dirigent zusammen mit dem legendären Jewgenij Mrawinski tätig war.   

Zurück in Deutschland

1960 wurde Kurt Sanderling von der Sowjetunion an die Spitze des Berliner Sinfonie-Orchesters nach Ost-Berlin gesandt. Das Orchester war acht Jahre zuvor als Antwort auf die in Westberlin beheimateten Berliner Philharmoniker gegründet worden. Noch heute wird erzählt, dass Sanderling während der ersten Probe mit dem neuen Ensemble das Bedürfnis hatte, den Musikern von seiner Flucht als Jude vor mehr als zwanzig Jahren zu erzählen. Auch wenn ihn das ostdeutsche Regime als Künstler propagandistisch benutze, so war seine Zeit an der Spitze des Sinfonie-Orchesters bis 1977 von weitaus größerer Bedeutung. Mit steigendem internationalem Bekanntheitsgrad dirigierte er auch schon zu Zeiten der DDR angesehene Orchester aus aller Welt sowie die Sächsische Staatskapelle Dresden.   

Er machte Musik

In den letzten Jahren seiner Karriere erhielt Kurt Sanderling zahlreiche Ehrentitel und Auszeichnungen. Vor allem aber konzentrierte er sich auf das Studium von Partituren, die ihn besonders interessierten. Sanderling zeichnete sich durch seine Interpretationen von Beethoven, Brahms, Bruckner, Mahler, Sibelius und vor allem Schostakowitsch aus, zu dem ihm bis zum Tode des Komponisten 1975 eine innige Freundschaft verband. Seine Interpretationen der Sinfonien des Russen hoben sich von den scharfen Tönen anderer Dirigenten ab. Eher konzentrierte er sich auf die Dramatik dieser Werke und setzte ihr Timbre und ihre Phrasierung detailliert um.

In der DDR gehörte der jüdische Dirigent zur MusikprominenzBild: picture-alliance/Bildarchiv
Dirigent Kurt Sanderling im Alter von 90 JahrenBild: dpa

Vielleicht wäre Sanderling weitaus bekannter geworden, hätte er Einzelheiten von seinen persönlichen Erfahrungen mit dem russischen Komponisten verraten. Er war jedoch nicht daran interessiert, Geschichte zu schreiben. Er hat sich damit begnügt, vor allem eins zu sein: Musiker. Ein großer Musiker.


Autorin: María Santacecilia / nk
Redaktion: Rick Fulker