1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Atempause für Trudeau in Korruptionsaffäre

7. März 2019

Haben kanadische Offizielle Ermittlungen gegen eine Ingenieursfirma vereiteln wollen? Ein Ex-Vertrauter Trudeaus sagt Nein, doch zwei Ministerinnen sind schon weg. Die Affäre könnte zum Sargnagel für den Premier werden.

Kanada Premierminister Justin Trudeau
Bild: Reuters/M. Blinch

In einer Korruptions- und Schmiergeldaffäre um mutmaßlich unterdrückte Ermittlungen gegen eine Ingenieurfirma hat ein langjähriger Freund von Justin Trudeau den kanadischen Premierminister verteidigt. "Ich bin komplett überzeugt, dass hier außer normalen Regierungsvorgängen nichts passiert ist", sagte der frühere Chefsekretär und Berater Gerald Butts, der im Februar zurückgetreten war, dem kanadischen Rundfunk CBC zufolge vor einem Justizausschuss des Parlaments in Ottawa.

Springt seinem früheren Chef bei: Trudeaus Ex-Berater Gerald Butts Bild: Reuters/P. Doyle

Hintergrund sind Vorwürfe, kanadische Regierungsvertreter hätten Ermittlungen der früheren Justizministerin Jody Wilson-Raybould gegen die Ingenieurfirma SNC-Lavalin wegen Korruption und Schmiergeldzahlungen unterdrücken wollen. Wilson-Raybould war im Januar unerwartet zur Ministerin für Veteranen-Angelegenheiten degradiert worden. Vor dem Justizausschuss des kanadischen Unterhauses sagte sie aus, ihre Zurückstufung habe aus ihrer Sicht damit zu tun, dass sie nicht dabei habe helfen wollen, einen Prozess gegen SNC-Lavalin abzuwenden. Von September bis Dezember 2018 sei sie von Regierungsvertretern regelrecht "verfolgt" worden, um die Staatsanwaltschaft von einer außergerichtlichen Einigung zu überzeugen. Dies wurde von Butts bestritten. Es habe nie die Absicht gegeben, die frühere Justizministerin gegen ihren Willen umstimmen zu wollen. Wilson-Raybould schied im Februar aus Trudeaus Kabinett aus.

Gab im Februar auf: die frühere Justizministerin Jody Wilson-RaybouldBild: picture-alliance/AP Photo/A. Wyld

Konkret wird SNC-Lavalin mit Sitz in Montreal vorgeworfen, zwischen 2001 und 2011 Schmiergeld in Höhe von umgerechnet 31 Millionen Euro an die Familie des damaligen libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi gezahlt zu haben. Die kanadische Regierung fürchtet Wilson-Raybould zufolge, dass SNC-Lavalin bei einem Schuldspruch Stellen streichen oder seinen Firmensitz aus der Provinz Quebec an einen anderen Standort verlegen könnte. Die Firma mit weltweit 50.000 Mitarbeitern dürfte dann für zehn Jahre nicht mehr bei staatlichen Aufträgen in Kanada - etwa in den Bereichen Bergbau, Transport und Infrastruktur - mitbieten. Das Bauunternehmen beschäftigt in Kanada rund 9.000 Mitarbeiter, davon allein rund 3.400 in Quebec.

Premierminister Trudeau hat jegliches Fehlverhalten in der Sache abgestritten und weist die Darstellung Wilson-Rayboulds zurück. Er und seine Mitarbeiter hätten sich zu Recht darum bemüht, die 9000 Arbeitsplätze in Kanada zu retten - darunter auch in seinem eigenen Wahlkreis in der Provinz Québéc. Er habe jedoch Wilson-Rayboulds gegenüber immer deutlich gemacht, dass der Umgang mit SNC-Lavalin "allein ihre" Entscheidung sei.

Trat am Montag zurück: die bisherige Hauhaltsministerin Jane Philpott Bild: picture-alliance/S. Kilpatrick

Trotzdem: Die Affäre hat den einst gefeierten Regierungschef rund sieben Monate vor den Wahlen in Kanada in seine bislang größte politische Krise gestürzt. Diese wurde am Montag noch verschärft durch den Rücktritt von Haushaltsministerin Jane Philpott. Sie habe ihr Vertrauen in die Regierung im Umgang mit dem Fall verloren, schrieb die Ministerin auf Twitter. "Auf dem Spiel stehen die Unabhängigkeit und Integrität unseres Justizsystems." Die konservative Opposition fordert den Rücktritt Trudeaus.

sti/rb (afp, ap, dpa, rtr)