Küssen aus Protest
26. Mai 2013Ihnen hatten die Moralappelle in der U-Bahn von Ankara nicht gepasst. Also riefen sie in den sozialen Netzwerken zu einer Protestaktion in der türkischen Hauptstadt auf. Etwa 300 Menschen waren es schließlich, die sich vor der U-Bahn-Station Kurtulus versammelten, wo sie bereits von der Polizei erwartet wurden, wie die Zeitung "Hürrieyt" auf ihrer Internetseite berichtete. Als ihnen der Zutritt zum Bahnsteig verweigert wurde, begannen etliche Paare einfach an Ort und Stelle mit ihrer Protestaktion: Sie küssten sich in aller Öffentlichkeit.
Der Unmut der Protestierer hatte sich an Durchsagen entzündet, in denen die Fahrgäste aufgefordert wurden, "sich der Moral entsprechend zu verhalten". Die im Vorfeld bekannt geworden Aktion hatte allerdings auch Gegendemonstranten auf den Plan gerufen, darunter die Jugendorganisation der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan. Diese hätten ebenfalls in den sozialen Netzwerken unter dem Motto "Keine Schweinereien in der U-Bahn" mobilisiert, schreibt "Hürriyet".
Während der Kuss-Aktion begannen die Gegendemonstranten damit, religiöse Parolen zu rufen. Zwar versuchte die Polizei, die Gruppen auseinanderzuhalten, dennoch gingen sie schließlich sogar mit Messern auf die Küssenden los. Dabei wurde mindestens ein Kuss-Aktivist verletzt.
Die Bevölkerung der Türkei ist nach offiziellen Angaben zu 99 Prozent muslimisch, hat aber eine säkulare Verfassung. Das Land wird seit zehn Jahren von der AKP regiert. Kritiker werfen der Partei vor, das Land zunehmend islamisieren zu wollen.
gmf/det (afp,dpa, kna)