Kyoto-Protokoll: Meilenstein war nicht genug
16. Februar 2020"Es hat gekribbelt, bis zum Schluss", beschreibt der Umweltjurist und Klimawissenschaftler Hermann Ott die Stimmung bei den nächtlichen Verhandlungen für das Klimaabkommen von Kyoto 1997 in Japan. "Bis in die Morgenstunden diskutierten die Unterhändler." Das Ergebnis sollte der erste völkerrechtlich verbindliche Vertrag zur Verringerung von Treibhausgasen sein - "ein Vertrag mit welthistorischer Bedeutung", so Ott im DW Interview. "Bis zum letzten Augenblick haben wir darum gezittert, dass es nicht auf den letzten Metern noch scheitert."
Heute vor 15 Jahren, im Februar 2005, trat das Kyoto-Protokoll und damit ein Meilenstein der internationalen Klimapolitik in Kraft. "Es war richtungsweisend für alles, was danach kam", sagt auch Saleemul Huq, Direktor des International Zentrums für Klimawandel und Entwicklung.
Die Geschichte des Kyoto-Protokolls beginnt 1992 bei der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen von Rio de Janeiro. Dort unterstreicht die Weltgemeinschaft die historische Verantwortung reicher Staaten für den Klimawandel. Beim Klimaschutz sollten die Industrienationen deshalb vorweg gehen. Wie und in welchem Rahmen es mit dem Klimaschutz konkret weitergehen sollte, wurde 1997 mit dem Kyoto-Protokoll beschlossen. 141 Länder hatten es bis 2005 ratifiziert.In dem Vertragswerk verpflichteten sich 38 Industrienationen, den Ausstoß klimaschädlicher Gase bis 2012 um durchschnittlich 5,2 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu senken. "Nicht nur Absichtserklärungen, sondern verpflichtende Ziele, das war bahnbrechend ", so Huq, der bei den Verhandlungen für die Entwicklungsländer mit dabei war. Unter anderem unterschrieben die Europäische Union, die USA und Großbritannien das Protokoll.
Ein Riesenerfolg - und doch zu wenig
2001 lehnten die USA - die für einen großen Teil des CO2 Emissionen verantwortlich sind - die Ratifizierung des Abkommen ab. Als 2011 auch Kanada aus dem Abkommen ausschied, hielten viele Beobachter das Kyoto-Protokoll für gescheitert. Doch die Emissionen der verbleibenden Industrieländer sanken bis 2012 tatsächlich deutlich, um 20 Prozent im Vergleich zu 1990. Damit wurden die ursprünglichen Ziele um das Fünffache übertroffen. Die Europäische Union allein hatte den CO2-Ausstoß bis 2012 um 19 Prozent reduziert, Deutschland um 23 Prozent.
Im selben Zeitraum waren allerdings die Treibhausgasemissionen weltweit um rund 38 Prozent angestiegen. Das Abkommen reicht nicht aus, um den Anstieg der Erderwärmung langfristig zu begrenzen, denn: "Der Vertrag beinhaltet Verpflichtungen für Länder, die insgesamt gerade mal für 24 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen standen. Das ist zu wenig, wenn man das Problem lösen will", sagt Andrew Light vom World Resource Institute.
Mit Emissionshandel zum Klimaschutz?
Neben der Senkung von Emissionen war ein weiterer Bestandteil des Abkommens der "Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung." Länder, die ihre Reduktionsziele nicht erreichten, konnten überschüssige Emissionen aus dem Emissionsbudget andere Länder kaufen oder sie durch Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern ausgleichen.
Der internationale Handel mit Emissionszertifikaten erwies sich als weniger erfolgreich als erhofft. Dennoch: "CO2 hatte einen Preis bekommen", so Huq. Weltweit denken Regierungen heute darüber nach, eine CO2-Steuer einzuführen. Führend ist Schweden, dort wird jede Tonne des klimaschädlichen Gases mit 114 Euro berechnet.
Ein Prozent der Einnahmen aus dem Emissionshandel flossen außerdem in einen Fond zur Anpassung an den Klimawandel. "Damit wurde praktisch das erste Mal in der Geschichte eine internationale Umweltsteuer eingeführt", ergänzt Herman Ott. Mit dem Geld finanzierte man in Entwicklungsländern Maßnahmen zur Klimaanpassung – zum Beispiel Mangrovenaufforstung, Dammbauten oder Erosionsschutz in Bergregionen.
Über den Fond und den Emissionshandel flossen laut der der Weltbank etwa 10 Milliarden US-Dollar in Projekte in Entwicklungsländer.
Kyoto als Impulsgeber für Energiewende
"Der Vertrag war auch ein 'Gamechanger' für die Erneuerbaren Energien", sagt Karsten Neuhoff vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. "2007 sagte jeder noch, 20 Prozent Erneuerbare Energien in Europa 2020, das sei utopisch. Heute ist es Realität." Neuhoff weiter: "Kyoto ist nicht allein für Investitionen in die Energiewende verantwortlich, aber es war ein wichtiger Impulsgeber."
Der Weg zum Pariser Klimaabkommen
Experten sehen die große Schwachstelle des Kyoto-Protokolls vor allem darin, dass sich die damalige Entwicklungsländer zu keinerlei Klimazielen verpflichteten. In vielen Ländern wie China, Indien und Indonesien wuchs in den Folgejahren die Wirtschaft - und der Ausstoß von Treibhausgasen - rasant.
Über die Hälfte der weltweiten Treibhausgasemissonen kommt heute aus Entwicklungs- und Schwellenländern. "Kyoto war gut, zur rechten Zeit, aber für die Klimapolitik, die wir heute brauchen, ist es nicht mehr geeignet", sagt Huq.
Im Prinzip laufen für die Industrieländer die Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll weiter, doch das Pariser Klimaabkommen von 2015 hat das Protokoll inzwischen überholt. In Paris einigten sich alle Länder der Erde, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten zu reduzieren. Die Länder verpflichteten sich, dafür freiwillige nationale Klima- und CO2-Reduktionsziele einzuhalten. Allerdings hat bisher kaum ein Land die selbst gesteckten Zele erfüllt. Wird weiter so viel CO2 ausgestoßen wird wie aktuell, wird sich die Erde bis zum Ende des Jahrhunderts um mehr als drei Grad Celsius erwärmen.
Seit 1990 sind die weltweiten Treibhausgasemissionen um 41 Prozent gestiegen und sie steigen weiter. Das zu ändern, dafür war das Kyoto-Protokoll mit Otts Worten ein "welthistorischer" Anfang.
Jetzt plädiert er allerdings für einen Neustart: "Das Konsensprinzip ist gescheitert - fossile Staaten wie Saudi Arabien, die USA, Russland oder Australien blockieren jede echte Maßnahme. Deshalb braucht es einen neuen Vertrag - eine Überholspur für solche Staaten, die wirklich am Klimaschutz Interesse haben."