Frauen spielten in Japans Fotoszene lange keine Rolle. Das ändert sich jetzt: Kyotos Internationales Fotofestival feiert seine zehnte Ausgabe mit einer Hommage an aufstrebende japanische Fotografinnen.
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Japan aus der Sicht von Fotografinnen
Frauen waren in der japanischen Fotoszene lange Zeit nicht vertreten. Das Internationale Fotofestival Kyotographie in Kyoto widmet ihnen nun eine Sonderausstellung.
Bild: Ai Iwane
"Zaido"
Deprimiert von einer Reihe tragischer Unfälle folgte Yukari Chikura einem Traum, in dem ihr verstorbener Vater erschien und sie bat, ein abgelegenes Dorf in Tohoku zu besuchen. Dort nahm sie an dem 1.300 Jahre alten Fest "Zaido" teil und hielt es mit ihrer Kamera fest. "Zu sehen, wie die Menschen immer wieder für den Erhalt des Erbes kämpfen, gab mir den Mut, wieder zu leben", sagt Chikura.
Bild: Yukari Chikura
"Sawasawato"
Von 1959 bis 1984 verließen rund 93.000 Menschen im Rahmen eines Repatriierungsprogramms Japan in Richtung Nordkorea. Etwa 1.800 davon waren japanische Frauen, die koreanische Männer geheiratet hatten. Noriko Hayashi porträtiert diese Frauen in ihrer Serie "Sawasawato". "Ich bin ihren Erinnerungen nachgegangen, während ich zwischen Japan und Nordkorea hin- und hergereist bin", so Hayashi (oben).
Bild: Noriko Hayashi
"New Skin" - "Neue Haut"
Mayumi Hosokuras digitale Collagen lassen die Unterschiede zwischen den Geschlechtern verblassen. Für ihre Arbeiten verwendet sie Fotos von männlichen Akten und Museumsskulpturen, aber auch Selfies aus dem Internet und Zeitschriftenbilder. "Nicht nur in der Kunst, auch in unserem täglichen Leben könnte das Geschlecht etwas neutraler und enger miteinander verbunden sein", so Hosokura.
Bild: Mayumi Hosokura
"Eagle and Raven" - "Adler und Raben"
Nach einer Islandreise begann Ariko Inaoka, Zwillingsschwestern zu fotografieren, die sie dort kennengelernt hatte. Acht Jahre lang kehrte sie jedes Jahr zurück. Die Schwestern wurden zu ihren Musen: "Sie sagten mir: 'Wir träumen zusammendieselben Träume'. Sie brachten mich auf den Gedanken, dass wir, auch wenn wir im Schlaf nicht dasselbe träumen, doch dieselben Träume haben", so Inaoka.
Bild: Ariko Inaoka
"A New River" -"Ein neuer Fluss"
Als die Kirschblütenfeste, die normalerweise jedes Frühjahr in Japan stattfinden, wegen der Corona-Pandemie abgesagt wurden, hielt Ai Iwane die blühenden Bäume in der Dunkelheit fest. "Wenn ich im Dunkeln unter den Kirschblüten spazieren gehe, höre ich oft die Stimmen wilder Tiere, die Grenzen zwischen Mensch und Natur verschwimmen", erklärt die Künstlerin.
Bild: Ai Iwane
"Ilmatar"
Momo Okabes Serie "Ilmatar" ist durch ihre eigenen Erfahrungen inspiriert. Okabe, die sich selbst als asexuell bezeichnet, wurde durch eine künstliche Befruchtung schwanger. Sie ist der Meinung, dass es sich lohnt, diesen Prozess festzuhalten: "Unmögliche Dinge passieren. Wenn wir solchen Dingen mehr Aufmerksamkeit schenken und sie fotografieren, wird das Leben noch schöner", sagt sie,
Bild: Momo Okabe
"Mutation / Creation"
Die Serie von Harumi Shimizu dokumentiert die menschliche Faszination für Mutationen. Ihr Werk, eine Bestandsaufnahme tierischer und pflanzlicher Seltsamkeiten, hinterfragt das Konzept der Schönheit: "Die Menschen fühlen sich schon lange von mutierten Tieren und Pflanzen angezogen. Ich möchte mehr darüber wissen, also sammle ich diese rätselhaften Dinge und fotografiere sie."
Bild: Harumi Shimizu
"Hojo"
In "Hojo" nutzt Mayumi Suzuki ihre persönlichen Erfahrungen mit einer Unfruchtbarkeitsbehandlung, um über die Komplexität von Frauenkörpern zu sprechen. "Als ich auf den Markt ging - nachdem ich aufgegeben hatte -, fand ich all diese seltsam geformten, nicht verkauften Dinge. Ich dachte, sie sind genau wie ich. Ich wollte dieses vage Gefühl mit meinem eigenen Körper ausdrücken", sagt Suzuki.
Bild: Mayumi Suzuki
"Die of love" - "Aus Liebe sterben"
Hideka Tonomura erforscht die Intimität von Beziehungen durch unscharfe und sinnliche Bilder. Die Fotografie half ihr, eigene traumatische Erfahrungen zu verarbeiten: "Ich habe weiter fotografiert, um zu leben, um mich am Leben zu erhalten." Tonomura hat auch das Shining Woman Project ins Leben gerufen, das Frauen, die gegen Krebs kämpfen, unterstützt.
Bild: Hideka Tonomura
"Negative ecology" - "Negative Ökologie"
Tamaki Yoshidas Bilder zeigen atemberaubende Landschaften und wilde Tiere auf der Insel Hokkaido, die durch Umweltverschmutzung bedroht sind. "Ich war immer der Meinung, dass die Welt der Tiere und die Welt der Menschen gleichwertig sind. Anstatt zu überfallen oder überfallen zu werden, ist es besser, symbiotisch zu koexistieren. Ich glaube, dass die Menschen dazu in der Lage sind", so Yoshida.
Bild: Tamashi Yoshida
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Das Festival, die Kyotographie, ist nicht nur in Museen und Galerien zu bestaunen. Vier Wochen lang erobert die Fotografie im Frühling ganz Kyoto mit Ausstellungen an verschiedenen ikonischen Orten. Darunter ein buddhistischer Tempel, eine belebte Einkaufsstraße und das Haus von Genbei Yamaguchi, einem traditionellen Kunsthandwerker in der zehnten Generation.
Als Lucille Reyboz und Yusuke Nakanishi das Festival vor zehn Jahren ins Leben riefen, hatten sie ein Ziel: die Fotografie zu feiern und ihr den Raum zu geben, den sie verdient. Den Organisatoren des Festivals zufolge kämpft die Fotografie in Japan noch immer um Anerkennung und Wertschätzung. "Japan kann sehr streng und ziemlich altmodisch sein, wenn es um Kunst geht. Alles wird kategorisiert, wir wollten das aufbrechen", sagte Festival-Mitbegründer Yusuke Nakanishi der DW.
Japan aus Sicht der Frauen
Das Fotofestival präsentiert internationale Meister der Fotografie und neue Talente. Eine Kombination, die absichtlich so gestaltet wurde, "um das Interesse der Menschen an Dingen zu wecken, über die sie weniger wissen", so Lucille Reyboz.
Die Kyotographie soll auch ein Sprungbrett für japanische Künstlerinnen werden: "In den letzten zehn Jahren sind immer mehr Fotografinnen dazugekommen", betont Reyboz. Sie wolle die wachsende Bekanntheit des Festivals nutzen, um die Frauen endlich ins Rampenlicht zu stellen. "Lange Zeit haben wir Japan mit den Augen der Männer betrachtet. Und es ist, als ob wir es nicht vollständig betrachtet hätten", sagt Pauline Vermare, Fotohistorikerin und Mitkuratorin der Sonderausstellung des Festivals, "10/10 Celebrating Contemporary Japanese Women Photographers".
Fotos gegen Tabus und Vorurteile
Die Ausstellung in der Kunstgalerie Hosoo stellt die Arbeiten von zehn japanischen Künstlerinnen in den Mittelpunkt und ist laut Lucille Reyboz wie ein "Manifest für Fotografinnen in Japan". Das Verschwinden der traditionellen Kultur, die vom Menschen bedrohte Natur, die Grenzen zwischen den Geschlechtern: Soziale und ökologische Themen prägen die Arbeit dieser Fotografinnen. Die Künstlerinnen prangern die Tabus und Vorurteile an, mit denen sie zu kämpfen haben.
So setzt sich Mayumi Suzuki in Selbstporträts und metaphorischen Stillleben mit ihrer Unfruchtbarkeitsbehandlung auseinander, "ein Thema, über das wir in Japan nicht sprechen", sagt sie. Die Fotojournalistin Noriko Hayashi dokumentiert das Schicksal japanischer Frauen, die mit koreanischen Männern verheiratet sind, nach Nordkorea auswanderten und nicht mehr zurückkehren konnten. Hideka Tonomura zeigt Porträts von Frauen, die aufgrund einer Krebserkrankung ihre Brustdrüsen entfernen ließen: "Es gibt eine zu starke Tendenz, Frauen nach ihrem Körper zu beurteilen", sagt die Künstlerin.
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Noch keine Gleichstellung der Geschlechter
Die Kämpfe der Frauen, die in den Fotos thematisiert werden, spiegeln die Hindernisse wider, mit denen auch die Fotografinnen konfrontiert sind: "In Japan haben sie nicht genug Raum, um sich auszudrücken. Sie können nicht sagen, was sie denken, denn wenn sie das tun, gelten sie als zu stark, zu prätentiös", sagt die Fotografin Yukari Chikura. "Ich hoffe, dass wir in Zukunft nicht mehr betonen müssen, dass wir Fotografinnen sind", fügt sie hinzu. "Aber im Moment symbolisiert es die Geschlechterkluft, die immer noch zwischen Frauen und Männern besteht."
Sie hofft, dass diese Unterscheidung eines Tages nicht mehr nötig sein wird - wenn die Gleichstellung der Geschlechter erreicht ist.
Das Kyotographie-Festival läuft noch bis zum 8. Mai 2022.