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Anklage gegen László Csatáry

Arne Lichtenberg19. Juni 2013

Monatelang stand er unter Hausarrest, jetzt hat die Justiz Anklage gegen László Csatáry erhoben. Der bereits als NS-Kriegsverbrecher Verurteilte soll an der Deportation von 15.700 Juden mitgewirkt haben.

László Csatáry in Budapest bei seiner Verhaftung (Foto: dapd)
László Csatáry in Budapest bei seiner VerhaftungBild: dapd

Er hatte sich sicher gefühlt: zunächst in Kanada, dann, seit 1995, in seiner Heimat Ungarn. Doch Csatáry war nicht unbeobachtet. Reporter einer englischen Boulevardzeitung waren ihm 2012 dicht auf den Fersen. Sie hatten Informationen des Simon-Wiesenthal-Zentrums bekommen, das weltweit nach Nazi-Kriegsverbrechern fahndet, damit sie zur Rechenschaft gezogen werden. Schon im September 2011 hatte das Wiesenthal-Zentrum Angaben über den Aufenthaltsort des Kriegsverbrechers von einem Informanten erhalten und diese auch sofort auf ihre Richtigkeit hin überprüft. Doch als die ungarischen Behörden nicht reagierten, setzte Efraim Zuroff, der Direktor des Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem, Csatáry auf die Fahndungsliste der meistgesuchten NS-Kriegsverbrecher auf Platz 1. "Doch nichts geschah", sagt Efraim Zuroff im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Erst Zeitungsrecherchen erzeugen Aufmerksamkeit

"Dann haben wir unsere Informationen an die englische Zeitung 'The Sun' weitergegeben, mit der wir eine Art Kooperation haben und die auch schon andere Nazi-Verbrecher in der Vergangenheit aufgespürt hatte", berichtet Zuroff. "Vorher hatten wir null Aufmerksamkeit, aber als 'The Sun' ihn dann in Unterwäsche ablichtete, wusste auf einmal die ganze Welt über ihn Bescheid."

Efraim Zuroff: "Ich habe eine Mission zu erfüllen"Bild: dapd

Der damals 97-Jährige László Csatáry war von den britischen Reportern in einem kleinen Apartment in Budapest aufgespürt worden, wo die Journalisten ihn mit seiner Vergangenheit konfrontiert hatten. Csatáry habe schockiert gewirkt und gestottert: "Nein, nein. Gehen Sie weg!", bis er den Briten die Tür vor der Nase zuschlug.

Csatáry soll als Polizeichef von Kosice, im ungarisch besetzten Teil der Slowakei, 1941 für die Deportation von knapp 16.000 Juden ins Vernichtungslager Auschwitz verantwortlich gewesen sein. Weiterhin wird berichtet, unter Bezugnahme auf Dokumente des Wiesenthal-Zentrums, der Nazi-Scherge sei dafür bekannt gewesen, dass er Frauen mit einer Peitsche, die er am Gürtel zu tragen pflegte, grausam misshandelte. Der Ungar, der bereits im Jahr 1948 in der Tschechoslowakei in Abwesenheit für seine Kriegsverbrechen zum Tode verurteilt wurde, hatte sich nach dem Zweiten Weltkrieg nach Kanada abgesetzt, wo er als Kunsthändler arbeitete. Er bekam 1955 die kanadische Staatsbürgerschaft, die man ihm jedoch 1997 wieder aberkannte, als seine Vergangenheit bekannt wurde. Bevor Csatáry in Toronto verhaftet werden konnte, setzte er sich nach Europa in seine alte Heimat ab, wo er die vergangenen Jahre lebte.



Ungarische Behörden zögerten lange

Viele Verbrechen der Wehrmacht sind noch immer nicht gänzlich aufgeklärtBild: AP

Nach Erscheinen der Reportage in der englischen Zeitung nahm die Budapester Staatsanwaltschaft László Csatáry im Juli 2012 fest. Zuvor hatte die Angelegenheit bereits seit September 2011 bei den ungarischen Behörden gelegen - ohne jegliche Konsequenz. Wobei es Zuroff extrem verwundert, warum es solange dauerte, bis sich überhaupt etwas tat. "Ungarn ist momentan wegen diverser Angelegenheiten unter Beschuss: Menschenrechte, Demokratie, Antisemitismus. Da wäre es eigentlich sehr im Interesse der Ungarn, wenn sie Csatáry den Prozess machen würden."

Zuroff, der nach dem Tod des Gründers des Simon-Wiesenthal-Zentrums, dem gleichnamigen Holocaust-Überlebenden Simon Wiesenthal, dessen Aufgabe übernahm, bemühte sich in der Folge, vor allem die Holocausttäter des Balkans zu belangen. 2011 verfasste der israelische Historiker, der in New York geboren wurde, auch das Buch "Operation Last Chance - Im Fadenkreuz des Nazi-Jägers". Langsam aber sicher läuft Zuroff allerdings die Zeit davon. Die wenigen noch lebenden Nazi-Kriegsverbrecher sind meist über 90 Jahre alt und haben nur noch wenige Jahre zu leben. Doch Mord verjährt nicht, deshalb können die Täter auch noch Jahrzehnte nach ihren Schandtaten zur Rechenschaft gezogen werden. Das Aufspüren und "jagen" der Täter sei zuweilen ein "unglaublich frustrierender Job", sagt Zuroff. Die Schwierigkeiten, die er in seiner Position erfahre, seien aber "absolut nichts", im Vergleich zu den Leiden und Schmerzen der Opfer und Überlebenden des Holocaust.

Mit 98 Jahren ist László Csatáry der derzeit älteste Angeklagte in einem NS-Kriegsverbrecherprozess. Wegen des "außergewöhnlichen Falls" wird das Verfahren in Budapest bereits in den kommenden 90 Tagen beginnen. Die Todesstrafe aus dem Jahre 1948 hatte die slowakische Justiz unlängst in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt.

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