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PolitikIran

Länder im UN-Sicherheitsrat warnen vor Eskalation in Nahost

Veröffentlicht 1. August 2024Zuletzt aktualisiert 1. August 2024

Nach tödlichen Anschlägen auf Führer von Hamas und Hisbollah in Teheran und Beirut rufen mehrere Länder des UN-Sicherheitsrats zu mehr diplomatischen Bemühungen auf, um eine weitere Eskalation in Nahost zu verhindern.

 Blick in eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats (Archivbild)
Im UN-Sicherheitsrat wurden Rufe nach einer Deeskalation im Nahen Osten laut (Archivbild)Bild: Eskinder Debeb/UN/dpa/picture alliance

Die meisten Länder im UN-Sicherheitsrat äußerten ihre Sorge vor einer Zuspitzung des Konflikts in der Region, in der Israel und die Hamas bereits im Krieg sind. Die stellvertretende französische Botschafterin Nathalie Broadhurst rief zu "größter Verantwortung und größter Zurückhaltung auf, um einen regionalen Flächenbrand zu vermeiden". "Wir befürchten, dass die Region am Rande eines totalen Krieges steht", sagt der stellvertretende japanische UN-Vertreter Shino Mitsuko. Er forderte internationale Anstrengungen, um einen solchen Konflikt zu vermeiden.

In der Nacht auf Mittwoch war der Politbüro-Chef der militant-islamistischen Palästinenserorganisation Hamas, Ismail Hanija, bei einem Angriff in Teheran getötet worden. Er hatte dort an der Vereidigung des neuen Präsidenten Massud Peseschkian teilgenommen. Die Hamas und der Iran beschuldigen ihren Erzfeind Israel. Israel, das sich mit der Hamas im Krieg befindet, hat die Tötung weder bestätigt noch dementiert.

Ismail Hanija - wer war der getötete Hamas-Chef?

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Nur Stunden zuvor tötete die israelische Luftwaffe nach eigenen Angaben den ranghöchsten Militärkommandeur der militanten pro-iranischen Schiitenorganisation Hisbollah im Libanon, Fuad Schukr. Israel macht ihn für den tödlichen Raketenangriff auf den besetzten Golanhöhen am Samstag verantwortlich, bei dem zwölf drusische Kinder und Jugendliche zu Tode kamen. Hamas und Hisbollah werden von den USA und der EU als Terrororganisationen eingestuft.

Sabotage für Friedensbemühungen?

Vertreter von China, Russland und noch anderer Staaten verurteilten im Sicherheitsrat die Ermordung Hanijas. Der algerische UN-Botschafter warf Israel vor, die Friedensbemühungen im Nahen Osten zu sabotieren. Die USA, Großbritannien und Frankreich prangerten Irans Unterstützung für destabilisierende Akteure in der Region an. Der stellvertretende US-Botschafter Robert Wood sagte, es sei besser, nicht über die Auswirkungen der jüngsten Ereignisse zu spekulieren. Ein größerer Krieg stehe weder unmittelbar bevor noch sei er unvermeidlich.

Fu Cong, Chinas Botschafter bei den Vereinten Nationen, sagte, das bisherige Scheitern der Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gazastreifen sei für die Verschärfung der Spannungen verantwortlich. "Länder mit großem Einfluss müssen mehr Druck ausüben und energischer daran arbeiten, die Flammen des Krieges im Gazastreifen zu löschen". Die britische UN-Botschafterin Barbara Woodward wiederholte ihre Forderung nach einer sofortigen Waffenruhe.

Der iranische Botschafter Amir Saeid Iravani forderte, der Sicherheitsrat müsse unverzüglich Maßnahmen ergreifen, um Israel "für diesen Akt der Aggression zur Verantwortung zu ziehen". Der israelische Vertreter Jonathan Miller sagte: "Wir werden weiterhin handeln, um das gesamte israelische Volk zu verteidigen". Die Hisbollah, die Hamas und die jemenitische Huthi-Miliz seien nur dank des "Kopfes der Schlange" in der Lage "Gift zu spucken", fuhr er mit Blick auf die Unterstützung des Iran für die Gruppierungen fort.

Guterres warnt vor Eskalation

Kurz vor der Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrates hatte UN-Generalsekretär António Guterres über seinen Sprecher erklären lassen, die Angriffe im Iran und im Libanon seien eine "gefährliche Eskalation". Alle Aktionen, "die den gesamten Nahen Osten in den Abgrund treiben könnten", müssten vermieden werden.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu schwor seine Landsleute auf "herausfordernde Tage" ein. "Wir sind auf jedes Szenario vorbereitet und werden uns vereint allen Bedrohungen stellen", sagte Netanjahu im Militärhauptquartier in Tel Aviv. "Israel wird für jede Aggression gegen uns einen hohen Preis fordern, von jeglicher Front", sagte Netanjahu. Der Krieg verlange Stehvermögen von den israelischen Bürgern. "Seit Beginn des Krieges habe ich erklärt, dass wir uns im Kampf gegen die iranische Achse des Bösen befinden."

Direkter Angriff auf Israel befohlen?

Der Iran rief derweil die internationale Gemeinschaft auf, gegen Israel vorzugehen. Nach Informationen der "New York Times" hat der oberste Führer Ajatollah Ali Chamenei als Vergeltung für die Tötung Hanijas in einer Sondersitzung von des Obersten Nationalen Sicherheitsrates des Landes den Befehl erteilt, Israel direkt anzugreifen.

Eine Bestätigung dafür gibt es nicht. Zuvor hatten Chamenei und Peseschkian eine Strafaktion als das legitime Recht des Landes bezeichnet, da der Anschlag auf iranischem Boden verübt worden war.

Der neue iranische Präsident Peseschkian will nach dem Tod Hanijas die Unterstützung für die Hamas nicht reduzieren, sondern vielmehr weiter ausbauen. Sein Land werde "keinen Millimeter" von seiner Unterstützung für den palästinensischen Widerstand gegen Israel abweichen, sondern diese "verstärkt fortführen", sagte Peseschkian dem Vize-Auslandschef der Hamas, Chalil al-Haja, in einem Telefonat. Der Präsident bezeichnete das Attentat auf Hanija in Teheran als einen "Terrorakt", wie die staatliche Nachrichtenagentur Irna meldet.

Tausende bei Trauerzeremonie für Hanija in Teheran

In der iranischen Hauptstadt nahmen unterdessen Tausende Menschen an der staatlich organisierten Trauerzeremonie für den Hamas-Anführer Hanija teil. Anwesend war auch die gesamte politische Elite des Irans, unter anderem Ajatollah Chamenei und der neue Präsident Peseschkian. Vor Hanijas Sarg hielt Chamenei ein Totengebet.

Die iranische Staatsspitze nimmt Abschied von Ismail HanijaBild: Iranian Leader Press Office/Anadolu/picture alliance

Mit Rufen wie "Tod Israel" und "Tod Amerika" bekundete die Menge ihre Unterstützung für Hanija und die Hamas im Gazastreifen sowie ihren Widerstand gegen Israel. Die Führung in Teheran hatte nach der gezielten Tötung des Hamas-Anführers eine dreitägige Staatstrauer angeordnet. Bestattet wird Hanija am Freitag in seiner Wahlheimat Katar.

Angesichts der Zuspitzung in der Region rief Bundesaußenministerin Annalena Baerbock deutsche Staatsbürger im Libanon zur sofortigen Ausreise auf. In der angespannten Lage könne jede Entscheidung Entspannung bedeuten oder Öl ins Feuer gießen.

"Ich rufe alle - insbesondere Iran - zu Zurückhaltung und Deeskalation auf: für die Menschen in der Region", zitierte das Auswärtige Amt die Ministerin. Auch die USA raten US-Amerikanern strikt von einer Reise in den Libanon ab.

Israel bestätigt Tötung des Hamas-Militärchefs Deif

Israel hat den Militärchef der islamistischen Terrororganisation Hamas, Mohammed Deif, für tot erklärt. Deif sei Mitte Juli bei einem massiven Luftangriff im Gazastreifen getötet worden, teilte die Armee mit. Er war Chef der Kassam-Brigaden und Stellvertreter des Hamas-Kommandeurs im Gazastreifen, Jihia al-Sinwar. Zugleich sei der Leiter der Chan-Junis-Brigade der Hamas, Rafa Salama, ums Leben gekommen.

Ein undatiertes Archivfoto von Mohammed DeifBild: -/dpa/picture-alliance

Israelische Kampfflugzeuge hatten demnach ein abgezäuntes Objekt in der humanitären Zone zwischen Chan Junis und Al-Mawasi bombardiert, das nach israelischer Darstellung als Basis für Terroristen diente. Bei der Attacke wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde 90 Menschen getötet, 300 wurden verletzt. 

Deif und Sinwar gelten als maßgebliche Drahtzieher des Massakers der Hamas und weiterer militanter Palästinensergruppen in Israel vom 7. Oktober 2023. Damals wurden rund 1200 Israelis getötet und etwa 250 Menschen in den Gazastreifen verschleppt.

Israel reagierte mit einem massiven Militäreinsatz im Gazastreifen. Dort wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, seither mehr als 39.400 Menschen getötet.

kle/sti/pg (afp, rtr, dpa)

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