Endlose Regierungsbildung in Deutschland
19. Dezember 2017Und es wird sicherlich noch einige Zeit ins Land gehen, bis eine neue Regierungs steht. Denn die SPD will nun erst am 21. Januar auf einem Sonderparteitag über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU entscheiden. Das teilte der Parteivorsitzende Martin Schulz über den Kurzbotschaftendienst Twitter mit. Zuvor hatten die Sozialdemokraten angepeilt, bereits eine Woche vorher die Sondierungen mit der Union zu bewerten.
Als Grund für die Verschiebung nannte Schulz den Wunsch der CSU, nicht vor einer Klausur der CSU-Bundestagsabgeordneten vom 4. bis 6. Januar im bayerischen Kloster Seeon mit den Sondierungsgesprächen zu beginnen. "Deshalb brauchen wir ein bisschen mehr Zeit", teilte der SPD-Vorsitzende mit.
Zur Vorbereitung und Absprache erster inhaltlicher Punkte für die Sondierungsgespräche treffen sich Kanzlerin Angela Merkel, Schulz, CSU-Chef Horst Seehofer und die Spitzen der Fraktionen an diesem Mittwoch in Berlin.
Hürde: SPD-Parteitag
Der SPD-Sonderparteitag mit 600 Delegierten gilt als eine der entscheidenden Hürden auf dem Weg in Richtung große Koalition. Mit den in den Sondierungen vereinbarten Kernprojekten muss Schulz vor die Delegierten treten und um eine Zustimmung für förmliche Koalitionsverhandlungen werben. Schulz hatte eine erneute große Koalition mehrfach ausgeschlossen. Jetzt herrscht große Skepsis in der SPD, der Thüringer Landesverband hatte sich bereits gegen die "GroKo" ausgesprochen. Somit dürfte sich also die Regierungsbildung, wenn es denn dazu kommt, weit ins kommende Jahr hinziehen. Als Alternative gilt insbesondere bei Vertretern des linken SPD-Flügels eine Kooperationskoalition, die sich nur in einigen Kernbereichen einigt und ansonsten mit wechselnden Mehrheiten im Bundestag arbeitet. Dies lehnt Merkel allerdings ab.
Mit 86 Tagen war bereits 2013 eine Rekordlänge bei der Regierungsbildung erreicht worden, bis die große Koalition zustande kam. 2009 hatte es nur 31 Tage gedauert, bis die damalige schwarz-gelbe Koalition von Union und FDP stand.
Gabriel in der Kritik
In der SPD wächst unterdessen der Unmut über den früheren Parteichef Sigmar Gabriel wegen dessen Kritik am Kurs der Partei. "Bei einigen Aussagen habe ich mir wirklich die Augen gerieben", sagte der SPD-Vizevorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. "Dann habe ich mich gefragt, wer denn in den letzten Jahren Verantwortung als Parteivorsitzender und Wirtschaftsminister getragen hat." Die Bundestagsabgeordnete Ulrike Nissen meinte bei Twitter, Sigmar Gabriel "geht mir immer mehr auf den Senkel". Gabriel hatte in einem Gastbeitrag im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" eine zu starke Distanz der SPD zu ihren klassischen Wählerschichten beklagt und eine grundlegende Kurskorrektur sowie auch ehrliche Debatten über die Begriffe "Heimat" und "Leitkultur" gefordert. Er mahnt seit langem, die Sorgen wegen des Flüchtlingszuzugs ernster zu nehmen.
cgn/se (afp, dpa, rtr)