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Löws verjüngtes DFB-Team überrascht gegen die Niederlande

24. März 2019

Das neuformierte DFB-Team startet mit einem glücklichen Sieg gegen die Niederlande in die EM-Qualifikation. Dabei überrascht, neben dem unerwarteten Erfolg beim Erzrivalen, der phasenweise dominante Auftritt der Löw-Elf.

EM 2020 Qualifikation - Gruppe C - Niederlande vs Deutschland
Bild: Reuters/P. v. d. Wouw

Ob Joachim Löw vom Ergebnis und der höchstansehnlichen Vorstellung seiner Mannschaft zur Halbzeit in Amsterdam selbst überrascht war, ist nicht überliefert. Anzunehmen ist es jedoch, auch wenn es dem Bundestrainer im Gegensatz zu seinem Kollegen Ronald Koeman, der nach dem 0:2 mit entgeistertem Blick wie versteinert auf der Bank gesessen hatte, nicht so klar anzusehen war. Denn auch wenn Löw öffentlich immer wieder Zweifel an sich, dem eingeleiteten Umbruch und seinen Spielern deutlich entgegengetreten war, so dürfte auch der Bundestrainer mit einem ganz anderen Spiel beim Erzrivalen gerechnet haben.  

Beste Halbzeit seit langem

Doch es kam anders. Vom Anpfiff weg war die Löw-Elf dem Gastgeber in allen Belangen überlegen und zeigte die wohl beste Halbzeit seit längerer Zeit. Gegen unerwartet fahrige Niederländer agierte das DFB-Team sofort hochkonzentriert und zielstrebig. Die Abläufe im Spielaufbau passten genauso wie die Balance zwischen Defensive und Offensive. Vorne erspielte sich das neuformierte Team Chancen, die durch zwei sehenswerte Abschlüsse von Sane (15. Minute) und Gnabry (34.) in einer Konsequenz genutzt wurden, die das Team bei der WM in Russland und auch danach so schmerzlich hatte vermissen lassen. 

Leroy Sane (l.) erzielt das Tor zum 0:1 gegen den niederländischen Torwart Jasper CillessenBild: imago

Und auch die Defensive strahlte bis auf wenige Ausnahmen eine Stabilität aus, die der Nationalmannschaft ebenfalls seit einiger Zeit abhanden gekommen schien. Lediglich Thilo Kehrer, der einmal Ryan Babel aus den Augen verloren hatte, zeigte eine seltene Unsicherheit. Bei den besten Chancen der Niederländer war der ebenfalls nicht unumstrittene Manuel Neuer mit zwei starken Paraden zur Stelle und erinnerte mit seinem blitzschnellen Reflexen an die Form, die ihn zum mehrfachen Welttorhüter des Jahres gemacht hatte. In der Summe stand nach einem überraschenden Spielverlauf ein überraschendes Resultat auf der Anzeige der nach Fußballidol Johan Cruyff, dessen Todestag sich am Spieltag zum dritten Mal jährte, benannten Arena. "Besser kann man die Halbzeit nicht spielen", sagte Löw-Kenner und RTL-Experte Jürgen Klinsmann in der Halbzeitpause der Übertragung aus Amsterdam. 

Unter Druck aus dem Konzept gekommen

Doch dieser Eindruck verflog mit Wiederanpfiff in Windeseile. Zu zögerlich, zu weit weg vom Gegner - was in der ersten Hälfte noch für die Niederlande gegolten hatte, musste man in der zweiten dem DFB-Team attestieren. Dank einer offenbar sehr lauten Pausenansprache und taktischer Umstellung von Bondscoach Ronald Koeman auf eine Dreierkette waren die Gastgeber plötzlich da. Besonders den schnellen Aktionen von Offensivmann Memphis Depay war die Abwehr um Niklas Süle im zweiten Durchgang teilweise schlicht nicht gewachsen. Im deutschen Team, das ohne den laut Löw leicht angeschlagenen Marco Reus ins Spiel gegangen war, fehlten unter dem zunehmenden Druck der Niederländer die Spieler, die verbal und körperlich vorangehen.

Ronald Koemans Halbzeit-Ansprache zeigte WirkungBild: imago

Auf Seiten der Niederländer hatte Memphis Depay mit seinem Tor (63.) und der wunderbaren Torvorbereitung für Matthijs de Ligt (48.) maßgeblichen Anteil daran, dass die Niederlande zurück ins Spiel kamen und die Gäste anschließend teilweise überforderten. Immer wieder hatte die DFB-Elf Probleme gegen die nun konsequent pressenden Niederländer, den Ball überhaupt aus dem eigenen Strafraum zu befördern. Die im ersten Durchgang vor Spielfreude sprühende Elf von Joachim Löw stand plötzlich mit dem Rücken zur Wand, fand in der Offensive nach dem Ausgleich kaum noch statt und hatte viel Mühe, das Unentschieden gegen druckvolle Gastgeber zu halten. Zwar gab es auch auf deutscher Seite nochmal eine Torchance durch Serge Gnabry (84.), doch gefordert war das Team fast nur noch hinten, wo sich allen voran Matthias Ginter mit einigen guten Abwehraktionen auszeichnen konnte. 

Mit Reus kommt der späte Sieg

Und als das Löw-Team, bei dem Marco Reus in der 88. Minute eingewechselt worden war, mit scheinbar letzter Kraft für den Punkt kämpfte, sorgten die Routiniers Ilkay Gündogan und Reus mit einem perfekten Zusammenspiel und dem finalen Pass von Reus auf Torschütze Nico Schulz für den Siegtreffer. Diesen hatten wohl genauso wenige erwartet wie die dominante erste Hälfte, die zusammen mit ein wenig Glück und einer exzellenten Chancenverwertung einen überraschenden Sieg für den in der Kritik stehenden Bundestrainer und sein verjüngtes Team brachte.

"Die erste Halbzeit war klasse für das, was wir bisher in einer Woche erarbeiten konnten", analysierte der Bundestrainer nach dem Spiel bei RTL. Dass er lieber über den ersten als über den zweiten Durchgang, geschweige denn über die qualvolle jüngere Vergangenheit sprechen wollte, war nach dem ersten Pflichtspielsieg in den Niederlanden seit 1996 alles andere als überraschend. 

David Vorholt Redakteur, Reporter und Autor in der DW-Sportredaktion