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Reise

Lübecker Weihnachtsmarkt trotz Pandemie

Anja Steinbuch
12. Dezember 2021

Viele Weihnachtsmärkte in Deutschland wurden bereits abgesagt, der Weihnachtsmarkt in Lübeck aber findet unter strengen Hygienevorschriften statt. Wie fühlt sich das an? Ein Besuch.

Deutschland | Weihnachtsmarkt Lübeck
Trotz Pandemie - Lübeck in WeihnachtsstimmungBild: Olaf Malzahn/Lübeck und Travemünde Marketing

Es duftet nach Glühwein und gebrannten Mandeln. Händler bieten Fellmützen, bunte Handpuppen und kunstvoll gefertigtes Holzspielzeug an. Zwischen Rathaus und Marienkirche leuchten Lichterketten heller als ein Sternenhimmel. Alles wie immer? Nein. In Lübeck, der selbsternannten Weihnachtsstadt des Nordens, findet nach einem Jahr pandemiebedingter Pause der traditionelle Weihnachtsmarkt statt – und trotzdem ist auf der Altstadtinsel der Hansestadt alles anders: 2G ist das Motto. Wer zum traditionellen Weihnachtsmarkt rund um historisches Rathaus und Marienkirche will, muss Impf- oder Genesungszertifikat und Personalausweis vorzeigen. Kommt da Weihnachtsstimmung auf?

Einlasskontrolle: Am frühen Abend bilden sich einige Schlangen am Eingang zum historischen Weihnachtsmarkt am Lübecker RathausBild: Anja Steinbuch/DW

Maskenpflicht auf Altstadtinsel

"Besser so, als gar nicht", sagt ein Besucher. Ein anderer kritisiert: "Warum muss ich überall meinen Impfausweis zeigen? Deswegen ist das so leer hier." Wer im Parkhaus in der Altstadt ankommt, wird am Ausgang an die allgemeine Maskenpflicht in der Altstadt erinnert. Das Ordnungsamt kontrolliert. Anstatt Verboten und Vorschriften hat die Stadtverwaltung "Wunschlisten" an Markteingängen und in der Fußgängerzone aufgestellt. Trotzdem lassen sich die Norddeutschen ihre Vorweihnachtsstimmung nicht nehmen. Viele Familien mit Kindern sind unterwegs am ersten Advent. Hier und da hört man sogar ein paar dänische Worte. Es geht gemächlich zu auf dem größten und traditionsreichsten Weihnachtsmarkt Norddeutschlands. Bei Nieselregen und vier Grad Celsius ist ein befürchteter Besucherandrang ausgeblieben.

Stimmungsvoll aber weniger Besucher: Riesenrad auf Lübecker WeihnachtsmarktBild: Anja Steinbuch/DW

"Das schlechte Wetter spielt uns in die Karten", erklärt Doris Schütz von Lübeck-Travemünde Marketing. Dichtes Gedränge, wie man es normalerweise in den geschmückten Gassen, auf den historische Märkten und in den Kirchen der Hansestadt kennt, ist in Pandemiezeiten ein absolutes No-Go. Alle Märkte sind eingezäunt. Und während im Süden und Osten der Republik die großen Traditionsmärkte abgesagt wurden, eröffneten planmäßig am 22. November in der Hansestadt an insgesamt elf Plätzen auf der historischen Altstadtinsel Märchenwald, Maritimer Weihnachtsmarkt, Lübsche Wiehnacht, Kunsthandwerkermärkte sowie die traditionellen Glühwein-, Stockbrot- und Geschenkestände. Die Vorsichtsmaßnahmen werden respektiert: Nachdem ein Aussteller in der St. Jakobikirche positiv getestet wurde, schloss dort der Kunsthandwerkermarkt vorzeitig.

Mehr Tradition, weniger Kommerz - so das Motto auf dem Lübecker WeihnachtsmarktBild: Anja Steinbuch/DW

Lange Tradition

Die erste urkundliche Erwähnung eines Lübecker Weihnachtsmarktes geht auf das Jahr 1648 zurück. Die Holzhütten der Händler und Handwerker standen schon damals auf dem zentral gelegenen Markt am Rathaus. Später durfte auch auf den umliegenden Märkten und Gassen verkauft werden. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war der Weihnachtsmarkt vor allem von Handwerkern und deren Produkten geprägt sowie von Kuchenbäckern und reisenden Musikanten.

Weniger Stände, weniger Besucher

Der historische Besuchermagnet, der sonst jedes Jahr zwei Millionen Gäste an die Ostsee lockt, dürfte in diesem Jahr deutlich weniger lukrativ zu Buche schlagen - für die Kunsthandwerker, Stände-Betreiber und die Stadt. Ansturm sieht anders aus. "Es waren deutlich weniger Besucher am ersten Adventswochenende hier", weiß Doris Schütz. Auch das Damoklesschwert der Schließung ist nicht wegzudiskutieren: Lübecks Bürgermeister, Jan Lindenau, warnte am ersten Marktwochenende: "Wir beobachten und bewerten die Lage täglich neu. Sollten die Infektionszahlen weiter deutlich steigen, ziehen wir auch kurzfristige Teilschließungen oder eine Absage der Weihnachtsmärkte in Betracht."

Farbenfroh und optimistisch: Der Verkaufsstand "Leichtsinn" von Simone HeinzBild: Anja Steinbuch/DW

Und so stehen die Buden zum Advent 2021 weniger dicht, hier und da bleibt ein Platz frei - einige Aussteller haben abgesagt. Ziel der Stadtväter: Kein Gedränge. "Trotzdem haben wir am Rathaus nur eine Handvoll Stände weniger als sonst", so Doris Schütz. Auf der Breiten Straße stehen wie gewohnt zusätzliche Verkaufsstände, die ohne 2G-Beschränkung und Kontrolle frei zugänglich sind. Hier verkauft Simone Heinz aus Hamburg an ihrem Stand "Leichtsinn" Handpuppen. Nebenan gibt es Silberschmuck, gegenüber ungarische Teigtaschen, für die angestanden wird. Doris Schütz ist zufrieden. „Wir haben guten Zulauf, weil wir nicht im eingezäunten Bereich stehen", erzählt die Händlerin. Ihre bunte Puppe "Violettchen", die sie trotz Maske mit klarer Stimme zum Leben erweckt, lockt viele Interessierte an. Sie setzt seit einigen Jahren auf den analogen Verkauf auf Märkten, hat damit gute Erfahrung gemacht - auch jetzt in Lübeck: "Manchmal sind plötzlich so viele Besucher auf einmal da, als wenn ein Bus angekommen wäre."

Strenge Vorschriften im Innenbereich

Einhundert Meter weiter Richtung Norden hat sich eine Schlange vor dem Heiligen-Geist-Hospital gebildet, ein ehemaliges Kloster, das heute noch als Altersheim genutzt wird. Es wird gründlich kontrolliert. Nur eine bestimmte Anzahl an Gästen darf sich im Inneren der weiß getünchten Backsteinmauern aufhalten. Kunst, Schmuck, Dekoration und Handgewebtes warten hier auf Käufer. Seit über 50 Jahren organisiert der Deutsche Verband Frau und Kultur diesen besonderen Kunsthandwerkermarkt. Dieses Jahr ist nur die Hälfte an Ständen zu sehen – es waren gerade mal 30 Prozent der Besucher da. "Es stimmt mich traurig", so die erste Vorsitzende Lore Evers. Sie vermisst weihnachtliche Musik und "es fehlen der durch die Gänge ziehende Waffelduft, ein Punsch und ein Weinstand, umlagert von fröhlichen Gästen, und unser Bistro." Trotzdem überwiege bei allen die Freude, dass der Markt überhaupt stattfindet.

Mit viel Tradition aber weniger Ausstellern: Der Markt im Heiligen-Geist-HospitalBild: Anja Steinbuch/DW

Auch Jörg Liebe aus Markranstädt bei Leipzig ist diese Erleichterung anzusehen. Er hat seinen Stand mit Puppenstubenmöbeln und Miniaturspielzeug im Kellergewölbe des Hospitals aufgebaut. Neben ihm verkaufen eine Glasschleiferin, sowie Kunstweber und Hutdesdesigner. Liebe kommt seit 20 Jahren regelmäßig nach Lübeck. Schon im Sommer hatte er sich für den Platz beworben. "Ich bin froh, dass ich nicht in Dresden einen Stand gemietet habe", konstatiert der Sachse. Auch wenn er in diesem Jahr weniger verkauft. "Es ist wichtig, dabei zu sein."