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"Etwas mehr Zeit"

6. Juni 2017

Wieder tickt die Uhr. Mitte Juni soll über neue Hellas-Hilfen für entschieden werden. IWF-Chefin Lagarde skizziert jetzt, wie eine Lösung im Streit mit Europas Geldgebern aussehen könnte: Zeit statt Schuldenschnitt.

Christine Lagarde
Bild: Reuters/J. Naegelen

Die Chefin des Internationalen Währungsfonds IWF bietet den Europäern mehr Zeit an, um zu einer von ihr verlangten Reduzierung von Griechenlands Schuldenlast zu kommen. "Wenn die Gläubiger noch nicht so weit sind, dass sie unsere Annahmen respektieren und akzeptieren, wenn sie dafür mehr Zeit benötigen, können wir ihnen etwas mehr Zeit geben", sagte die Französin dem deutschen "Handelsblatt".

Die Eurogruppe hatte eine Entscheidung über einen weiteren Hilfskredit unlängst auf den 15. Juni vertagt. Knackpunkt war zuletzt die Rolle des Internationalen Währungsfonds. Er ist, anders als bei den Hilfsprogrammen zuvor, diesmal noch nicht an den Griechenlandhilfen beteiligt. "Es ist Zeit für den IWF, an Bord zu kommen", hatte Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem Mitte Mai gemahnt. Vor allem der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble besteht auf einer Beteiligung des IWF.

Nicht Schuldenschnitt, aber längere Laufzeiten

Die IWF-Chefin drängt die Europartner Griechenlands allerdings zu schnellen Zusagen für das seit Jahren pleitebedrohte Land. Dabei geht es um - grundsätzlich bereits vor Jahren versprochene - Erleichterungen bei der überbordenden Schuldenlast. Lagarde zum "Handelsblatt": "Dies bedeutet nicht einen Schuldenschnitt, aber eine erhebliche Verlängerung der Laufzeiten und eine Stundung von Zinszahlungen."

Seit 2010 erhält Griechenland internationale Kredite, vor allem weil das massiv überschuldete Land sich seit Jahren nicht mehr zu auskömmlichen Bedingungen Geld am freien Kapitalmarkt leihen kann. Mittlerweile läuft das dritte, im Sommer 2015 vereinbarte Hilfsprogramm mit einem Umfang von bis zu 86 Milliarden Euro. Zahlungen erhält Griechenland allerdings nur in Teilsummen. Ob die einzelnen Tranchen ausgezahlt werden, hängt unter anderem vom Fortschritt der Reformen ab, zu denen sich Athen im Gegenzug verpflichtet hat.

Proteste gegen weitere Sparmaßnahmen in Athen im MaiBild: Getty Images/AFP/L. Gouliamaki

Eine neue Tranche aus dem Hilfspaket braucht Griechenland dringend. Anfang Juli muss Athens Finanzminister Tsakalotos Schulden in Milliardenhöhe begleichen. Gelingt ihm das nicht, gilt Griechenland offiziell als zahlungsunfähig. Es geht um mehr als sieben Milliarden Euro. Der IWF betont seit Monaten, dass die griechische Schuldenlast - zurzeit knapp 180 Prozent des Bruttoinlandproduktes - nicht mehr tragbar sei. Daher rührt die Forderung nach der Zusage weiterer Erleichterungen. Denn ohne das Zeugnis "tragfähige Schuldenlast" darf der IWF nach seinen eigenen Vorschriften kein neues Hilfspaket schnüren.

Stundung bis 2048?

Schuldenerleichterungen für Griechenland könnten die Geldgeber aus den Euro-Ländern nach Berechnungen des Bundesfinanzministeriums um Einnahmen von bis zu 123 Milliarden Euro bringen. Diese Summe komme unter einem pessimistischen Szenario zusammen, wenn die Zinsen bis 2048 gestundet würden, heißt es in einer Hochrechnung des deutschen Finanzministeriums, die der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt.

Das Ministerium hatte berechnet, wie hoch die Belastungen gemäß der Szenarien ausfallen, die der Euro-Rettungsschirm ESM kürzlich entwickelte. Die Höchstsumme kommt dabei im ungünstigsten Fall zusammen, den auch der IWF bereits im Februar als Grundlage genommen hatte. Demnach geht der Primärüberschuss Griechenlands unter Herausrechnung des Schuldendienstes (d.h. Einnahmen minus Ausgaben ohne die Ausgaben für Zinsen und Tilgung) auf langfristig 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung zurück, das Durchschnittswachstum liegt preisbereinigt bei einem Prozent. Trotz der Erleichterungen, auf deren Grundsätze sich die Eurogruppe bereits im Mai 2016 geeinigt hatte, würde es in diesem Fall nicht gelingen, die Tragfähigkeit der griechischen Schulden wieder herzustellen, hieß es in dem ESM-Papier.

Überraschendes Wachstum

Bei höherem Wachstum und einer weniger langen Stundung von Zinsen läge die Belastung der Gläubiger dem Ministeriumspapier zufolge bei bis zu 89 Milliarden Euro. Ganz ohne zusätzliche Maßnahmen kommt Athen nach Berechnung des Ministeriums nur aus, wenn der Überschuss bei 2,6 Prozent der Wirtschaftsleistung liegt und das Wachstum 1,3 Prozent im Schnitt erreicht. 2016 hatte Griechenland einen Primärüberschuss von 3,9 Prozent im Vergleich zur Wirtschaftsleistung vorgelegt.

Zu Jahresbeginn ist Griechenlands Wirtschaft überraschend gewachsen. Das Bruttoinlandsprodukt stieg von Januar bis März um 0,4 Prozent zum Vorquartal, wie das Statistikamt Elstat letzte Woche in Athen mitteilte und damit eine frühere Schätzung kräftig nach oben revidierte. Bisher hatten die Experten ein Schrumpfen von 0,1 Prozent und damit einen Rückfall in die Rezession angenommen. Ende 2016 hatte es einen Rückgang um 1,1  Prozent gegeben. Ökonomen sprechen bei zwei aufeinanderfolgenden Minus-Quartalen von einer Rezession.

ar/wen (dpa, rtr, HB)

  

 

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