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Reise

Lampedusa: Touristenboom auf Flüchtlingsinsel

28. August 2018

Nach dem Untergang eines Flüchtlingsschiffs vor Lampedusa im Jahr 2013 mit hunderten Toten wurde die italienische Insel weltweit zu einem Synonym der Flüchtlingskrise. Inzwischen läuft der Tourismus wieder an.

Italien Lampedusa - Touristenparadies mit Schiffsfriedhof
Bild: picture-alliance/dpa/A. Reuther

Hin und wieder knattert ein Motorroller am Schiffsfriedhof von Lampedusa vorbei. Braungebrannte Urlauber mit Badebeuteln brausen Richtung Strand, den Blick fest auf die Straße gerichtet. Die Wracks sind die Kulisse für dieses seltsame Schauspiel. Sie gammeln hier teils seit Jahren vor sich hin und sind Zeugen der Flüchtlingskrise, die das Schicksal der Mittelmeerinsel in den letzten Jahren so stark geprägt hat.

Rettungswesten, Zahnbürsten, Kaffeebeutel, Wasserflaschen, Milchkartons mit arabischer Aufschrift. All das liegt noch in den Booten, mit denen einst zehntausende Migranten hier ankamen und die nun in der brennenden Sommersonne ein Mahnmal für das Wegschauen der Gesellschaft abgeben. Dem Tourismus tut das keinen Abbruch: Nach einer jahrelangen Flaute kommen jetzt wieder die Urlauber, denn Migranten gibt es kaum noch.

Schiffsfriedhof: Beschlagnahmte Flüchtlingsboote sind an den entlegensten Winkel der Insel gebracht wordenBild: picture-alliance/dpa/A. Reuther

Lampedusa - das ist ein etwa acht Kilometer langer, sonnenverbrannter Fleck Europa im Mittelmeer, nur etwa 80 Seemeilen von Tunesien entfernt. Wegen dieser Lage wurde die sizilianische Insel mit ihren etwa 5000 Einwohnern nach dem Arabischen Frühling 2011 zum Hauptziel von Migranten aus Afrika.

Bei einem Flüchtlingsbootsunglück im Oktober 2013 kamen mehr als 360 Menschen ums Leben; Lampedusa erlangte weltweit traurige Berühmtheit. Der Papst war hier und warf einen Blumenkranz ins türkisblaue Wasser, Politiker aus ganz Europa beklagten hier das Versagen der jeweils anderen Politiker in der Migrationskrise, die Insel galt sogar als Anwärter für den Friedensnobelpreis, und die einstige Bürgermeisterin Giusi Nicolini wurde von Barack Obama im Weißen Haus empfangen. Der Lampedusa-Film "Fuocoammare" (Seefeuer) gewann 2016 bei der Berlinale den Goldenen Bären.

Goldener Bär für "Fuocoammare" des italienischen Regisseurs Gianfranco Rosi, hier mit Berlinale-Jurypräsidentin Meryl StreepBild: picture alliance/dpa/M. Kappeler

Tourismushoch auf Lampedusa

Nachdem die Gästezahlen auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise eingebrochen waren, zieht das Urlaubsgeschäft wieder an. "2017 war ein Rekordjahr", sagt Bürgermeister Salvatore Martello. Ein Paar aus Norditalien erklärt, man habe ihnen versichert, dass "von denen" - also den Migranten - mittlerweile niemand mehr zu sehen sei. Wie in ganz Italien sind die Ankünfte wegen des verschärften Kurses der Regierung in Rom drastisch zurückgegangen.

Statt Flüchtlingsboote sind nun vor allem Touristenschiffe auf dem kristallklaren Wasser unterwegs, forschen in den Buchten nach Meeresschildkröten, die so etwas wie das Wappentier Lampedusas sind. An den Stränden erkennt man den weißen Sand vor lauter Sonnenschirmen und Sonnenliegen nicht mehr. Im Wasser treibt eine aufblasbare Riesenbanane. Ein Jetski zieht jauchzende Menschen über das Meer. Im Hintergrund schaukeln die Boote der italienischen Küstenwache sachte in der Mittagssonne. Sie haben wenig zu tun. Die Einwohner seien froh, dass sie nicht mehr im Zentrum des Medieninteresses stünden, sagt Bürgermeister Martello. Aber auch ihm ist klar, dass sich die Lage jederzeit wieder drehen kann und die Migranten wieder auf Lampedusa landen könnten.

Touristen baden am Strand von GuitgiaBild: picture-alliance/dpa/A. Reuther

Der Tourismus hat zwar wegen der Migration lange Einbußen gehabt, gleichzeitig profitierte die Insel in gewisser Weise auch davon. So sind selbst im Winter Besucher da: Leute von NGOs, Übersetzer, Militärs, Polizisten und Behördenmitarbeiter. Und auch politisch interessierte Urlauber erkunden diesen symbolischen Ort.

Antonio Taranto vor seinem historischen Archiv auf der InselBild: picture-alliance/dpa/A. Reuther

Doch Mahnmale oder Gedenkorte sind schwer zu finden und kaum in Touristenkarten verzeichnet. "Auf Lampedusa müsste es eigentlich ein Museum für Migration geben", sagt Antonino Taranto, der ein kleines historisches Archiv auf der Insel betreibt. Doch die Einwohner und die Kommune wollten dieses Erbe nicht annehmen. Hier sei man einzig an "Autovermietungen und neuen Bars" interessiert, so Taranto.

Wo der "Garten der Erinnerung" zu finden ist, in dem nach dem Schiffsunglück vom 3. Oktober 2013 für jedes der 366 Opfer ein Baum gepflanzt wurde, steht nirgends geschrieben. "Man fragt sich schon, wie es möglich ist, dass man einen Ort der Erinnerung vergessen kann", spottet Taranto. Dafür gibt es ja noch den Schiffsfriedhof. Taranto nennt ihn schlicht: den "Friedhof der Erinnerung".

ar/ fm,ks (dpa)

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