Lamy auf bestem Weg an die WTO-Spitze
13. Mai 2005Noch ist der 58-jährige Thailänder Supachai Panitchpakdi Chef der WTO, doch er gibt sein Amt zum 1. September 2005 ab. Und die Vorentscheidung für seinen Nachfolger ist gefallen: Der frühere EU-Handelskommissar Pascal Lamy soll ihn beerben. Die dreiköpfige Findungskommission, geleitet von der kenianischen WTO-Vertreterin Amina Mohamed, schlug Lamy am Freitag (13.5.2005) der Welthandelsorganisation als Nachfolger vor. Endgültig ernannt wird Lamy aber erst am 26. Mai 2005 im Generalrat der WTO - sofern dessen 148 Mitgliedsstaaten alle zustimmen.
Lamys Vorteil: Gute Kontakte
Außer Lamy gab es noch drei Nachfolge-Kandidaten für Supachai. Uruguay hatte Carlos Perez del Castillo nominiert; der Ex-WTO-Botschafter zog jedoch seine Bewerbung zurück.
Auch der Brasilianer Luis Felipe de Seixas Correa und der Außenminister von Mauritius, Jayen Cuttarree, hatten sich zunächst gemeldet, dann aber einen Rückzieher gemacht.
Experten hatten aber ohnehin Pascal Lamy die besten Chancen eingeräumt. Er habe die Rückendeckung der 25 europäischen WTO-Mitglieder und obendrein einen guten Draht sowohl in die USA als auch nach Afrika. Auch Indien stellte sich hinter Lamy.
Jurist und Marathonläufer
Der Sozialist Lamy (58) gilt als zäh und beharrlich – immerhin läuft der Mann mit den weniger werdenden, millimeterkurzen Haaren in seiner Freizeit Marathon, joggt und spielt Tennis. Außerdem hat der Pariser Jurist eine Musterkarriere hinter sich: Nach dem Abschluss der renommierten Ecole Nationale d'Administration (ENA) ging er in die Finanzverwaltung. 1981 machte ihn der damalige Finanzminister Jacques Delors zu seinem Berater, und als Delors Leiter der EU-Kommission wurde, holte er 1985 Lamy als Kabinettschef zu sich. Nach einem Intermezzo bei der Großbank Crédit Lyonnais (1994-1999) kam Lamy zurück nach Brüssel.
Vermittler und Finanzexperte
Die Suche nach einem neuen WTO-Generaldirektor war nicht ganz einfach - schließlich zählte nicht nur die Kompetenz. "Fachlich ist Lamy am qualifiziertesten", sagt Rolf Langhammer vom Kieler Institut für Weltwirtschaft. "Aber darauf kommt es nicht alleine an. Das ist ja ein Kuhhandel. Ein Gezerre zwischen den Regionen." Ein Afrikaner oder ein Lateinamerikaner habe zum Beispiel noch nie an der WTO-Spitze gestanden, erklärt der Leiter der Abteilung Entwicklungsökonomie und weltwirtschaftliche Integration. Also hätten auch diese Erdteile ein Interesse daran, den Generaldirektor zu stellen.
Handelskenntnisse und ein dickes Adressbuch sind nicht alles, was ein WTO-Generaldirektor mitbringen muss. Georg Koopmann vom Hamburger Weltwirtschafts-Archiv betont: "Er sollte die Qualität eines guten Maklers haben, der Interessen ausgleichen und Leitlinien vorgeben kann." Allerdings habe der WTO-Direktor keine Möglichkeiten, die Mitgliedsstaaten zu irgendetwas zu zwingen - er müsse sie eben überzeugen.
Neuer Mann, neuer Schwung
Dass Lamy diese Überzeugungskraft hat, daran gibt es aber kaum Zweifel. Er müsste als Direktor die so genannte Doha-Runde der WTO (benannt nach der Stadt Doha in Katar) zu Ende bringen, die Regeln schaffen soll, um die Entwicklungsländer besser in den Weltmarkt zu integrieren. Und das wird dem Franzosen durchaus zugetraut.
Der Finanzexperte gilt als überlegter Verhandlungsführer, der den Ausgleich sucht und Konflikte nicht hochspielt. Lamy hat schon reichlich Erfahrung mit kontroversen Handels-Angelegenheiten - von Bananen über Stahl bis zu den Hilfen für Airbus. Egal, wie hart die Auseinandersetzungen auch waren: "Ich benutze nie das Wort Krieg, wenn es um Handel geht", betonte Lamy einmal. "Wir streiten uns."
Ein Auge für die armen Länder
Der französische Handelsfachmann hatte auch die armen Länder im Blick. Er trieb die Initiative "Everything but arms" voran, die Entwicklungsländern zollfreien Zugang zum EU-Markt gewährt. Auch den Kompromiss, der Entwicklungsländern zu günstigen Medikamenten gegen Aids und Malaria verhalf, hat Lamy forciert.
Der amtierende Generaldirektor Supachai Panitchpakdi hat seinen nächsten Job schon gefunden: Er wird Generalsekretär der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD).