Man braucht keinen Killerinstinkt, um den WM-Titel zu holen, sagte Lando Norris Anfang 2025. Am Ende der Formel-1-Saison ist der Brite Weltmeister - und sich selbst treu geblieben.
Weltmeister Lando Norris gehört nicht zu den Formel-1-Fahrern, die mit ihrem Verhalten auf und neben der Strecke aneckenBild: Nicolas Economou/SportPix UK/IMAGO
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Lando Norris hat seine Kritiker Lügen gestraft. Der 26 Jahre alte Brite überstand beim letzten Saison-Rennen der Formel 1 in Abu Dhabi eiskalt die Nervenschlacht, wurde Dritter hinter Tagessieger Max Verstappen im Red Bull und McLaren-Teamkollege Oscar Piastri und sicherte sich damit erstmals den Weltmeistertitel.
Es war eine der knappsten Entscheidungen in der Geschichte der Königsklasse des Automobilsports. Am Ende rettete Norris zwei Punkte Vorsprung ins Ziel, vor Verstappen, der zuvor viermal in Serie den Titel geholt hatte.
Die Kritiker des Briten hatten ihm in den vergangenen Jahren vorgehalten, er sei zu weich und zu wenig abgebrüht, um Weltmeister zu werden. "Er war immer ein großes Talent, das war offensichtlich", sagte McLaren-Chef Zak Brown jetzt über seinen Fahrer Norris. "Aber die Art und Weise, wie er gereift ist! Vor allem in der zweiten Saisonhälfte hat er sich wirklich wie ein Champion verhalten."
Norris: "Habe gewonnen, wie ich bin"
Norris bewies, dass man auch König der Formel 1 werden kann, wenn man als Fahrer nicht durch aggressive Manöver auffällt, als Person nett und höflich bleibt - und sich in der Macho-Szene des Motorsports auch seiner Emotionen nicht schämt. Nach der Zieldurchfahrt in Abu Dhabi brach der Rennfahrer in Tränen aus. "Ich dachte, ich würde nicht weinen, aber ich musste", sagte Norris. "Es ist ziemlich surreal. Ich habe so lange davon geträumt."
Norris bescherte McLaren den ersten WM-Fahrertitel seit 2008, als Lewis Hamilton Weltmeister wurdeBild: Nicolas Economou/SportPix UK/IMAGO
Es sei ihm wichtig, dass er sich auf dem Weg zum WM-Titel treu geblieben sei, so der 35. Champion der Formel 1: "Ich habe das Gefühl, dass ich genauso gewonnen habe, wie ich es wollte, nämlich ohne jemand zu sein, der ich nicht bin."
Motorrad-Legende Valentino Rossi als Vorbild
In der Stunde des Triumphs bedankte er sich nicht nur bei seinem Team, sondern auch bei seinen Eltern. "Meine Mutter und mein Vater sind diejenigen, die mich von Anfang an unterstützt haben", sagte Norris.
Der Rennfahrer, der wegen seiner belgischen Mutter nicht nur einen britischen, sondern auch einen belgischen Pass hat, stammt aus einer wohlhabenden Familie. Sein Vater wurde als Manager von Pensionsfonds Multimillionär und setzte sich bereits mit 36 Jahren zur Ruhe.
Mutter Cisca (r.) und Vater Adam (2.v.r) freuen sich mit Lando Norris über dessen ersten WM-TitelBild: Annika Graf/Eibner-Pressefoto/picture alliance
Eigentlich träumte Lando Norris als Kind davon, Motorrad-Rennfahrer zu werden - wie der neunmalige Weltmeister Valentino Rossi, der noch heute sein Vorbild ist. Doch nach einem schweren Sturz mit seinem Bike im Alter von sechs Jahren wechselte Norris zum Kartsport.
Mit 14 Jahren löste er seinen Landsmann Lewis Hamilton als jüngsten Kart-Weltmeister aller Zeiten ab. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatten die Scouts der großen Rennteams das außergewöhnliche Talent Norris auf dem Zettel. 2017 wurde er Formel-3-Meister und Mitglied des Förderprogramms des Formel-1-Rennstalls McLaren.
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2024 noch hinter, jetzt vor Verstappen
2019 debütierte Norris in der Königsklasse. Seinen Durchbruch feierte er in der Saison 2023, als er sechsmal Zweiter wurde. 2024 lief es noch besser: Norris feierte in Miami seinen ersten Grand-Prix-Sieg und ließ drei weitere folgen. Insgesamt stand er 13-mal auf dem Podest, musste sich aber in der WM-Gesamtwertung noch Verstappen geschlagen geben, der zum vierten Mal in Folge triumphierte.
Das McLaren-Team lässt Lando Norris hochlebenBild: Antoine Lapeyre/ABACAPRESS/IMAGO
In der Saison 2025 konnte sich Norris erstmals gegen den Niederländer durchsetzen: mit 18 Podestplätzen in 24 Rennen, davon sieben Siegen. Verstappen gewann zwar einen Grand Prix mehr, fuhr aber nicht ganz so konstant wie Norris.
Formel 1 vor Umbruch
Ob der Brite seinem ersten Weltmeistertitel weitere folgen lassen kann, ist allerdings ungewiss. In der kommenden Saison gibt es in der Formel 1 eine umfassende Regelreform mit neuen Motoren, neuer Aerodynamik und neuem Treibstoff. Damit starten alle Teams wieder quasi bei Null. Und ab sofort ist Norris nicht mehr der Jäger, sondern der Gejagte.
Dass ihm der Ruhm zu Kopf steigt und er sich charakterlich verändert, ist eher nicht zu erwarten. "Ich möchte einfach mein Leben genießen. Das ist eine Einstellung, die vielleicht nicht unbedingt mit Killerinstinkt gleichzusetzen ist", sagte Norris Anfang dieses Jahres dem "Guardian": "Ich glaube einfach nicht, dass man diesen haben muss, um Weltmeister zu werden." Das hat er 2025 bewiesen.
Knapper Vorsprung: Lando Norris ist Formel-1-Weltmeister!
Im wichtigsten Rennen seines Lebens bewahrte er die Nerven: Beim Saisonfinale in Abu Dhabi reichte dem 26-Jährigen ein 3. Platz zum WM-Sieg. Schon oft entschied das letzte Rennen - und Winzigkeiten gaben den Ausschlag.
Bild: Clive Rose/Getty Images
2025 - Lando Norris gegen Oscar Piastri und Max Verstappen
In einem Dreikampf-Finale hat sich Lando Norris (r.) zum ersten Mal zum Formel-1-Weltmeister gekrönt. Dem McLaren-Piloten reichte beim Saisonfinale in Abu Dhabi Platz drei hinter Titelverteidiger Max Verstappen (Red Bull) und Oscar Piastri (McLaren). Damit rettete der Engländer einen Vorsprung von zwei Punkten im Klassement ins Ziel. Ein Rückblick auf ähnlich knappe Entscheidungen...
Bild: Clive Rose/Getty Images
2021 - Max Verstappen gegen Lewis Hamilton
Im letzten Rennen in Abu Dhabi hat der Mercedes-Star den achten WM-Titel bis zur letzten Runde sicher. Dann trifft Rennleiter Michael Masi eine kontroverse Entscheidung: Nach einem Unfall gibt er das Rennen wieder frei, statt es hinter dem Safety Car zu beenden. Verstappen, vor dem Finale punktgleich mit Hamilton, zieht auf frischen Reifen vorbei und holt seinen ersten von bisher vier WM-Titeln.
Bild: Tim Goode/empics/picture alliance
2016 - Nico Rosberg gegen Lewis Hamilton
Im dritten gemeinsamen Jahr mit Hamilton als Teamkollege profitiert Rosberg von der Überlegenheit des Mercedes in der Formel 1. Er liefert sich mit seinem ehemaligen Jugendfreund, der mittlerweile eine Art "Lieblingsfeind" geworden ist, ein enges Duell. Am Ende setzt sich der Deutsche mit fünf Punkten Vorsprung durch. Er lässt sich feiern und beendet direkt nach dem Rennen seine Karriere.
Bild: Bratic/nordphoto/picture alliance
2010 - Sebastian Vettel gegen Fernando Alonso und Mark Webber
2010 krönt sich der Deutsche überraschend zum damals jüngsten Formel-1-Weltmeister der Geschichte. Weil seine Konkurrenten - Ex-Weltmeister Alonso und Red-Bull-Teamkollege Webber - zu früh an die Box kommen, bleiben sie anschließend im Verkehr stecken. Vettel, der vor dem Saisonfinale 15 Punkte Rückstand auf Alonso hat, wählt eine andere Taktik, gewinnt das Rennen und ist der lachende Dritte.
Bild: Luca Bruno/AP Photo/picture alliance
2008 - Lewis Hamilton gegen Felipe Massa
Es wäre perfekt gewesen - Weltmeister vor eigenem Publikum in Brasilien! Doch Ferrari-Pilot Massa (Foto) freut sich mit Team und Familie zu früh über den vermeintlichen Titelgewinn. Weil Hamilton mit seinem McLaren in der vorletzten Kurve des Rennens in Sao Paulo noch am Deutschen Timo Glock vorbeikommt, ist er Fünfter und sichert sich mit einem Punkt Vorsprung auf Massa seinen ersten WM-Sieg.
Bild: Gero Breloer/dpa/picture alliance
1997 - Jacques Villeneuve gegen Michael Schumacher
In seinem zweiten Ferrari-Jahr ist Schumacher dem Titel sehr nahe. Mit einem Punkt Vorsprung auf Williams-Pilot Villeneuve reist er zum Saisonfinale nach Jerez. Als der Kanadier riskant überholt, macht Schumacher "die Tür zu" und verursacht eine Kollision. Er scheidet aus, Villeneuve wird Dritter und holt den Titel. Zudem wird Schumacher als Unfallverursacher bestraft und verliert alle WM-Punkte.
Bild: DPPI media/picture alliance
1994 - Michael Schumacher gegen Damon Hill
Seinen ersten von sieben WM-Titeln erringt "Schumi" neben der Strecke. Vor dem letzten Rennen in Adelaide liegt er einen Punkt vor Hill im Williams. Als der Brite nach einem Fahrfehler Schumachers überholen will, kommt es zur Kollision. Der Deutsche rutscht in die Reifenstapel und scheidet aus. Doch auch Hills Bolide ist beschädigt und er muss in der Box aufgeben. Schumacher ist Weltmeister.
Bild: Harry Melchert/dpa/picture alliance
1984 - Niki Lauda gegen Alain Prost
Laudas dritter WM-Titel ist die bislang knappste Entscheidung in der Formel-1-Geschichte. Er beendet die Saison nur einen halben Punkt vor seinem Teamkollegen. Weil das Rennen in Monaco wegen Regens abgebrochen wird, gibt es dort nur die halbe Punktzahl. Vor dem Finale in Portugal liegt Lauda daher 3,5 Punkte vor Prost und fährt von Startplatz elf auf den zweiten Platz hinter Prost. Das reicht.
Bild: Lehtikuva/dpa/picture alliance
1976 - James Hunt gegen Niki Lauda
Lauda dominiert die WM 1976 bis zu seinem Feuerunfall am Nürburgring. 42 Tage später sitzt der Österreicher wieder im Ferrari. Vor dem Saisonfinale im japanischen Fuji hat er noch drei Punkte Vorsprung auf Hunt im McLaren. Bei Starkregen stellt Lauda seinen Wagen aber kurz nach dem Start ab. "Das Leben ist mir wichtiger", sagt er. Hunt wird Dritter und mit einem Punkt Vorsprung Weltmeister.