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Politik

Der Tag danach

2. September 2019

Die Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg haben die Kräfteverhältnisse verschoben. Die AfD jubelt, CDU und SPD kühlen ihre blauen Augen, Linke und FDP befinden sich noch im Schock. Wie geht es jetzt weiter?

CDU Gruppenbild ltw19
Blumen für den Herrn: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) zwischen Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer und Bundeskanzlerin Angela MerkelBild: Reuters/H. Hanschke

Landtagswahl: Reaktionen

02:22

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Die Wahlsieger sind etwas früher gekommen. Denn so muss man sie nennen, auch wenn sie nicht regieren werden, nicht in Brandenburg und auch nicht in Sachsen. Schon kurz nach 9 Uhr morgens sitzt die Führungsriege der Rechtspopulisten von der "Alternative für Deutschland" (AfD) im Foyer der Bundespressekonferenz in Berlin. Von allen Seiten werden sie von Fotografen und Kameras umlagert. In Brandenburg haben sie ihren Stimmenanteil gegenüber der letzten Wahl verdoppelt, in Sachsen verdreifacht. 23,5 Prozent in Brandenburg, satte 27,5 Prozent in Sachsen.

Gauland: "Wir bewegen uns in Richtung Lega!"

Bild: Reuters/A. Hilse

"Wir etablieren uns als Volkspartei" sagt Parteichef Alexander Gauland (im Bild Mitte) zu Beginn der Pressekonferenz. Er spricht über die rechtsextreme Lega in Italien, die bis vor kurzem den Innenminister dort stellte: "In diese Richtung bewegen wir uns." Andreas Kalbitz (links) , Spitzenkandidat in Brandenburg, über dessen Verbindungen in rechtsextreme Kreise zuletzt offen berichtet wurde, und der Asylbewerber als "syrische Deserteure" titulierte, gibt sich ganz bürgerlich und lammfromm: Auch er spricht von der AfD als Volkspartei und fügt hinzu: "Der Weg führt jetzt über harte Arbeit als Oppositionspartei, so ist das in der Demokratie!"

Volksparteien kommen mit blauem Auge davon

Das mit der AfD als neuer Volkspartei wollte CDU-Bundestags-Fraktionschef Ralph Brinkhaus nicht direkt kommentieren. Vor Beratungen der CDU an diesem Montag sagte er in Berlin: "Wir müssen auf uns selbst gucken. Es macht jetzt keinen Sinn, nach links oder nach rechts zu schauen." Ansonsten sind CDU und SPD froh, mit einigen blauen Augen davon gekommen zu sein, trotz herber Verluste. Die Analysen der Meinungsforscher sagen: Die beiden Ministerpräsidenten, Michael Kretschmer (CDU) in Sachsen und Dietmar Woidke (SPD) in Brandenburg, haben davon profitiert, dass die Angst vieler Wähler vor einem AfD-Wahlsieg ihnen Stimmen aus dem Lagern der Linken, der Grünen, der FDP beschert hat.

"Innovation statt Verbote"

01:38

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Die Rechtspopulisten bleiben in der Opposition, aber die Ergebnisse in beiden Ländern mit AfD-Resultaten von weit über 20 Prozent sind den anderen Parteien in die Glieder gefahren. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer versucht gar nicht erst, den knappen Sieg in Sachsen für die Bundespartei zu reklamieren. Sie lobt stattdessen CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer, der in den letzten Wochen viel im Land unterwegs war und am Ende knapp als Sieger durchs Ziel ging: "Er hat es geschafft, deutlich zu machen, dass es neben den Rechtspopulisten ein freundliches, ein offenes, ein zukunftsgewandtes Gesicht von Sachsen gibt." Am frühen Nachmittag dann ruft die Parteichefin zur Offensive auf: "Der gestrige Tag ist ein Signal für die CDU, die begonnene Erneuerung weiter voranzutreiben, und zwar mit aller Konsequenz." Kramp-Karrenbauer will den Menschen die Parteikonzepte zum Klimaschutz und zur Digitalisierung besser erklären, und sie setzt auf ein ganz neues Kommunikationskonzept, ohne es näher zu erklären..  

Kritik aus der CDU an Kramp-Karrenbauer

Kramp-Karrenbauer weiß, dass ihr als Parteichefin schwere Wochen bevor stehen. Schon melden sich erste Kritiker. So sagte etwa der CDU-Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther, eigentlich ein Unterstützer von Kramp-Karrenbauer, die CDU müsse inhaltlich klarere Punkte setzen. In der Zeitung "Welt" fügte Günther am Montag hinzu: "Es gelingt uns nicht, einen Teil der Menschen gerade in den neuen Bundesländern an uns zu binden." Die Ansprache sei "offenkundig nicht perfekt." Die der AfD aber scheint geklappt zu haben: Satte 226.000 Stimmen bekamen die Rechtspopulisten etwa in Sachsen aus dem Lager der Nichtwähler, was die weitaus stärkste Gruppe bei den Zugewinnen darstellt.

Keine Krise der Großen Koalition

Steht in der Kritik: CDU-Chefin Annegret Kramp-KarrenbauerBild: Reuters/K. al-Mousily

Wochenlang war vor diesen beiden Wahlen spekuliert worden, ob das Berliner Regierungsbündnis von CDU, CSU und SPD mit Kanzlerin Angela Merkel an der Spitze nach diesen beiden Regionalwahlen zerbrechen könnte. Doch davon ist am Montag nichts zu spüren, nicht bei der SPD, nicht bei CDU und CSU. Im Vordergrund steht der Schock, dass die Menschen im Osten sich in so großer Zahl von den etablierten Parteien abwenden und Rechtspopulisten wählen. Die kommissarische SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, fasst das so zusammen: "Was wir brauchen in Ostdeutschland, alle Ministerpräsidenten, egal von welcher Partei: dass der Bund stärker auf uns hört. Denn wir wissen, wo vor Ort der Schuh drückt." SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil gibt sich kämpferisch, trotz bitterer 7,7 Prozent für seine Partei in Sachsen: "Wir nehmen den Kampf um die Wählerinnen und Wähler der AfD auf. Wir werden uns nicht damit zufrieden geben, dass so viele Menschen diese Partei gewählt haben." Es geht also weiter bei Union und SPD, auch zusammen im Bund, vorerst zumindest. Selbst AfD-Chef Alexander Gauland glaubt nicht, dass das Regierungsbündnis jetzt zerbricht. Er sagte der DW: "Ich glaube, dass die Große Koalition jetzt halten wird, weil bei den Wahlergebnissen es jetzt für beide großen Parteien schwierig wäre, Bundestagswahlen durchzustehen."

Grüne: "75 Prozent haben nicht AfD gewählt!"

Die Grünen, in bundesweiten Umfragen seit Monaten weit über der 20-Prozent-Marke, konnten bei beiden Wahlen Stimmen hinzu gewonnen, aber nicht so stark wie erhofft. Die Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner bemühte sich Montag in der DW zunächst einmal, das Ergebnis richtig einzuordnern: "75 Prozent haben nicht die AfD gewählt." Die anderen Parteien seien jetzt in der Pflicht, den AfD-Wählern "zu zeigen, dass Demokratie für sie funktionieren kann und funktionieren wird." Ansonsten seien die Grünen "froh, dass wir unsere Stimmen dazugewonnen haben und zum ersten Mal im Osten Direktmandate gewonnen haben."

Brantner: "75 Prozent haben nicht die AfD gewählt!" Bild: imago/J. Jeske

Katzenjammer herrschte derweil am Montag bei den Liberalen von der FDP und den Linken. Die Verluste der Linken von jeweils um die zehn Prozentpunkte bezeichnete Bundestags-Fraktionschef Dietmar Bartsch als "Desaster". Die Partei müsse ihre gesamte Strategie in Frage stellen. Und die FDP ist in beiden Landtagen weiterhin nicht vertreten.

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