Mehr als 25 Jahre ist es nun schon her, dass die Zuschauer die Frage umtrieb: Wer hat Laura Palmer umgebracht? David Lynchs neueste "Twin Peaks"-Staffel wird garantiert neue Frage aufwerfen.
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Die unverwechselbare Welt von Twin Peaks
Die Serie war zu Beginn der 90er Jahre ein Meilenstein in der TV-Unterhaltung. Nun zeigt Regisseur David Lynch in Cannes die Fortsetzung von "Twin Peaks". Für alle Neulinge zeigen wir, was es zu wissen gibt.
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Die berühmteste Filmleiche aller Zeiten
Das "Geheimnis von Twin Peaks" beginnt mit dem Leichenfund von Laura Palmer, gespielt von Sheryl Lee. Das kleine, verschlafene Dorf wird durch den brutalen Mord an der beliebten Schülerin regelrecht traumatisiert. Doch dann kommt heraus, dass die 16-jährige "prom queen" gar nicht so naiv war, wie alle dachten. Um bei der Klärung des Mordfalls zu helfen, wird das FBI herangezogen.
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Sex, Drugs and Rock 'n' Roll
Offenbar war Laura Palmers Leben voller Verstrickungen: Es stellt sich heraus, dass Drogen und Prostitution ein fester Bestandteil im Alltag der Minderjährigen waren und sie ein Doppelleben führte. Auch die anderen Bewohner der kleinen Gemeinde haben viel zu verbergen. 1992 erschien David Lynchs Prequel "Twin Peaks: Fire Walk With Me", der von den Schattenseiten des Dorfes handelt.
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Vorgegaukelte heile Welt
Natürlich gibt es in Lauras Leben aber auch glückliche Momente. Der Zusammenhalt ihrer Familie wirkt geradezu beispielhaft. Doch wird bei genauerem Hinsehen sichtbar: Auch hier verbergen sich Geheimnisse. Laura's Vater Leland Palmer, gespielt von Ray Wise, unterliegt der Macht des Bösen.
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Die Bosheit in Person
Das Antlitz des Bösen: Bob, eine Art Dämon, verkörpert durch Frank Silva, sucht die Bewohner von Twin Peaks heim und ergreift Besitz über deren Körper, um zu töten. Doch ist Bob nicht die einzige übernatürliche Gestalt in der beliebten Fernsehserie. Eine Schattenwelt mit roten Gardinen, gutmütigen Riesen und tanzenden Zwergen tut sich auf: die "Black Lodge."
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Guter Kaffee und Donuts ohne Ende
Während "Twin Peaks" auf der einen Seite okkulte Kräfte und Mächte offenbart, strotzen andere Szenen vor Kleinbürgerlichkeit und muten irgendwie niedlich an. FBI-Agent Dale B. Cooper (gespielt von Kyle MacLachlan, rechts) zeigt seine fast kindliche Begeisterung für Kaffee und amerikanische Backwaren in jeder Folge. Sheriff Harry S. Truman (Michael Ontkean, links) zieht enthusiastisch mit.
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Träume und Visionen
Cooper's Methoden sind, gelinde gesagt, eher ungewöhnlich: Er vertraut auf seine Instinkte, setzt auf Visionen und interpretiert Nachrichten aus seinen Träumen. So kommt er der "Black Lodge" immer näher, bis er diese Schattenwelt schließlich selbst betritt - und später mit einem bösen Geheimnis zurückkehrt. Auch in der neuen Staffel ist Cooper ein fester Bestandteil der Serie.
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Seiner Zeit voraus?
Das Faszinierende an "Twin Peaks" ist nicht nur die Herangehensweise von David Lynch an den Erzählstoff, sondern auch die Wahl der Themen, mit der er sich in der Serie beschäftigt. So war "Twin Peaks" die Sendung, die auch Transsexualität und Inzest vielfach thematisierte. Doch vielleicht war die Serie ihrer Zeit sogar zu sehr voraus. Nach nur zwei Staffeln wurde "Twin Peaks" abgesetzt.
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David Lynch und sein Meisterwerk
Doch nach 27 Jahren geht es nun weiter. Ob die Serie allerdings auch im 21. Jahrhundert Erfolge feiern kann, ist die große Frage. Manche Fans befürchten, dass das Feeling der ursprünglichen Folgen kaum wieder zu beleben sein wird. David Lynch hält sich sehr bedeckt - es sollen bloß keine Spoiler über die neue Staffel öffentlich werden.
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Die Kult-TV-Serie, die die Fernsehlandschaft für immer verändert hat, ist zurück. Die Erfinder von Twin Peaks, der gefeierte Regisseur David Lynch sowie Drehbuchautor Mark Frost, haben mehr als 25 Jahre gewartet, um in die - nur scheinbar - verschlafene fiktive Kleinstadt im friedlichen Nordwesten der USA zurückzukehren. An einen Ort, an dem - das kann man ohne Zweifel sagen - nichts ist, wie es scheint.
Mit der Veröffentlichung der ersten Episode der neuen Twin-Peaks-Staffel wird eine ganze Generation neuer Zuschauer in eine mysteriöse Welt eingeführt, die ihren Kultstatus über ein Vierteljahrhundert bewahren und vergrößern konnte. Aber was ist es, das Twin Peaks so besonders und einzigartig macht?
Weg vom seichten Unterhaltungs-TV
Für viele Fans hat Twin Peaks den Beginn einer neuen Ära der TV-Unterhaltung markiert. "Twin Peaks hat das Fernsehen, wie wir es kannten, verändert. Es war smart, es war das erste Fernsehformat, das nicht meine Intelligenz beleidigte", sagt Rob Lindley, der Organisator des jährlichen Twin Peaks-Festivals. Lindley, ein Fan der ersten Stunde, glaubt, dass es die Qualität des Drehbuchs ist, die Twin Peaks so erfolgreich gemacht hat. "Die ganzen Handlungsstränge und Nebenhandlungen sind einfach unglaublich. Die Leute hatten so etwas noch nie zuvor im TV gesehen."
"Ein Ort, wundervoll und seltsam zugleich"
David Lynch und Mark Frost ist es gelungen, mit "Twin Peaks" eine Nische zu füllen. Manchmal sonderbar und verrückt, im nächsten Moment dann ausgesprochen gruselig. Die Serie bot dem Betrachter eine cinematographische Welt an, gefüllt mit Verwirrung und unverkennbaren "Americana", die die Standards setzte.
"Ich glaube, die Allgemeingültigkeit dieses Kleinstadt-Settings ist eine der größten Attraktionen des Formats", erklärt Rob Lindley.
"An der Oberfläche sieht alles schön aus, aber sobald man dahinterschaut, wird klar: In Wahrheit leben hier gar keine netten Menschen." Die Serie bediene sich "Themen wie Sex, Drogen und Inzest - absolute Tabuthemen zu der Zeit", und bringe sie ins Fernsehen, ohne dabei aber jemals eines der Wörter zu erwähnen, so Lindley.
Verletzliche Charaktere im Prime-Time-TV
Für Jürgen Müller, Kunsthistoriker an der Technischen Universität Dresden und Experte für TV-Serien, war Twin Peaks das erste TV-Format, das direkt und ohne Umwege die dunkle Seite der menschlichen Natur adressiert habe: "Die Hauptfiguren sind nicht länger alle gut oder alle böse - ihre Persönlichkeiten nehmen viel komplexere Dimensionen an."
"Die Leute können eine Beziehung mit den Charakteren eingehen, sich in ihnen wiederfinden", ergänzt Rob Lindley. Selbst - oder gerade - mit Laura Palmer funktioniere das (sie ist in Twin Peaks die ganze Zeit tot, Anm. d. Red.): "Ein junges Mädchen, das seine Identität finden will, das mit der eigenen Sexualität kämpft, das die Welt verstehen und seinen Platz darin finden will, mit allem Guten wie Bösen darin."
Schwarze Hütten und andere okkulte Referenzen
Twin Peaks illustrierte nicht nur ein weites Spektrum von Aspekten der menschlichen Natur in brutal ehrlicher und expliziter Art und Weise. Auch sein Soundtrack betonte die multidimensionale und oft tiefschwarze Welt, die in der Serie erschaffen wird. Angelo Badalamentis Werk - trügerisch märchenhaft und schlicht zugleich - trug wesentlich zum Erfolg von Twin Peaks bei.
Mit seiner Geschichte, seiner visuellen Umsetzung und seiner Musik erschuf Twin Peaks eine Blaupause, der später viele Formate folgten und die sie kopierten. "Mit Twin Peaks fing alles an", sagt Jürgen Müller und meint vor allem die okkulten und übernatürlichen Elemente: "Wir hatten vorher im Fernsehen noch nie gesehen, wie Zwerge in roten Räumen tanzen und Dämonen harmlose Charaktere heimsuchen."
Kritiker werfen der Serie vor, sie würde genau an dieser Stelle entgleisen und den Fokus verlieren - mit zu viel freier Assoziation des Regisseurs. Diese Diskussion führte 1991, am Ende ihrer zweiten Staffel, zur unerwarteten Absetzung der Serie.
"In 25 Jahren sehe ich euch wieder"
Die Fans sehnten die Fortsetzung umso mehr herbei. Im Kinofilm "Twin Peaks - Fire Walk With Me" versuchte David Lynch, einige der in der Serie lose und offen zurückgelassenen Handlungsstränge ein wenig aufzuräumen. Schade nur, dass die Fans hinterher eher noch mehr Fragezeichen in den Augen hatten.
Wegen des Ärgers mit den TV-Verantwortlichen im Zusammenhang mit dem Absetzen der Serie hatte David Lynch die Idee, das TV-Format fortzusetzen, ausgeschlossen. Stattdessen entschied er sich dafür, die Fans mit einem der schauerlichsten Cliffhanger der TV-Geschichte zurückzulassen.
"Zuerst war ich geschockt, als ich hörte, dass Twin Peaks zurückkommt. Dann fühlte ich Freude. Und dann waren es Tränen der Freude", erinnert sich Rob Lindley.
Noch eine TV-Revolution?
Ganz nach seiner Art sorgte Lynch dafür, dass Details zum Inhalt der dritten Staffel unbekannt blieben. Nicht einmal die Schauspieler bekamen je ein Skript der gesamten Staffel zu lesen, sondern nur kleine Ausschnitte. Hauptdarsteller Kyle MacLachlan, der den Kaffee-Fetischisten und FBI-Agenten Dale Cooper spielt, ist sich trotzdem schon jetzt sicher, die neue Staffel werde "etwas, das ihr noch nie im Fernsehen gesehen habt, ich denke, noch nicht mal im Kino. Das wird die Erde erschüttern."
Rob Lindley fühlt denselben Enthusiasmus und betont, Lynch, der bei allen 18 neuen Episoden Regie führte, habe bei der Produktion noch nie dagewesene Freiheiten genossen: "Die neue Staffel ist kein vom Sender kontrolliertes Fernsehen, das David künstlerisch einschränkt. Er hat alle Freiheiten - und das wird vermutlich zu einer weiteren TV-Revolution führen", sagte Lindley der DW. "Die neue Staffel ist als 18-Stunden-Film in 18 einzelnen Installationen konzipiert. Das alleine schon ist ein komplett neues TV-Konzept."
Große Namen und bekannte Gesichter
Schon ein flüchtiger Blick auf die Darsteller-Riege offenbart, dass viele der Originalschauspieler zurückkehren. Dazu kommen neue prominente Namen wie Amanda Seyfried, Naomi Watts, Ashley Judd und Jim Belushi. Eines ist klar: Lynch will Twin Peaks damit in neue Sphären führen, in der Hoffnung, damit sowohl die alte Fanbasis als auch neue Zuschauer anzusprechen.
Geht sein Plan auf, könnten weitere neue Staffeln folgen. Wenn nicht, dann werden wir wahrscheinlich auch noch in 25 Jahren darüber diskutieren, wer denn jetzt Laura Palmer wirklich umgebracht hat.
Die neuen Episoden von Twin Peaks starten weltweit am 21. und 22. Mai 2017.
David Lynch: Der große Surrealist des Films
Kein anderer amerikanischer Regisseur schuf geheimnisvollere Filme. Werke wie "Blue Velvet" und "Wild at Heart" wurden Welterfolge. Mit "Twin Peaks" revolutionierte David Lynch auch noch das Fernsehen.
Die 1980er und 1990er Jahre gehörten ihm: David Lynch. In dieser Zeit drehte der US-Amerikaner einige einflussreiche Kinofilme und Fernsehserien. Die unnachahmliche Mischung aus Surrealismus und Expressionismus auf der Leinwand grub sich tief in das Gedächtnis der Zuschauer ein.
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Schockdebüt "Eraserhead"
1977 debütierte David Lynch mit seinem ersten langen Spielfilm. "Eraserhead" war eine Art Horrorfilm mit sanftem Einschlag. Mit wenig Geld entstanden, drehte Lynch den Film fast allein. "Eraserhead" entwickelte sich zu einem Überraschungserfolg und machte ihn international bekannt.
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Humanistische Tragödie
Drei Jahre später zeigte Lynch, dass er auch die Klaviatur des großen Kinos beherrschte. "Der Elefantenmensch" war eine ungemein eindringliche Studie in Sachen Menschlichkeit. Der in Schwarz/Weiß gedrehte expressionistisch angehauchte Film erzählt die authentische Geschichte des Joseph Merrick, der im London des 19. Jahrhunderts mit schweren körperlichen Deformationen auf die Welt kommt.
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Finanzielles Desaster
David Lynchs dritter Film "Dune" aus dem Jahre 1984 gilt bis heute als sein einziger Misserfolg. Das mit großem finanziellen Aufwand gedrehte Science-Fiction-Opus scheiterte am Anspruch, Kunst und Kommerz miteinander zu verbinden. Viele Szenen des Films faszinieren aber noch heute. Doch fürs ganz große Publikum war "Dune" zu sperrig.
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Schreckensvision "Blue Velvet"
Der bis heute wohl bekannteste Film Lynchs dürfte "Blue Velvet" sein. Hier war der Regisseur wieder ganz bei sich. Ein überschaubares Budget, eine verzwickte, durchgängig geheimnisvolle Story, Darsteller abseits des Mainstreams und ein stilistisches Film-Feuerwerk. "Blue Velvet", der die packende Geschichte des Collegestudenten Jeffrey Beaumont erzählt, begeisterte das Publikum.
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Triumph in Cannes
1990 befand sich David Lynch auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Für seinen fünften langen Spielfilm "Wild at Heart" bekam er bei den Filmfestspielen in Cannes die Goldene Palme. Das mit vielen verschiedenen Genrezutaten erzählte Melodram um ein Pärchen auf der Flucht spaltete allerdings auch die Kritiker: Vielen waren einige Szenen des Films zu brutal und spekulativ.
Parallel zu "Wild at Heart" hatte David Lynch Ende der 1980er Jahre auch noch an einem anderen Projekt gearbeitet. Die Fernsehserie "Twin Peaks" war auch ein Ergebnis gescheiterter Filmprojekte. Doch für den Regisseur wurde sein Ausflug ins Medium Fernsehen zum Triumph. Noch heute wird "Twin Peaks" als Vorläufer für den derzeit grassierenden weltweiten Serienboom gefeiert.
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Lost Highway
Nach einer längeren Pause meldete sich Lynch 1997 auf der Kinoleinwand zurück. "Lost Highway" war - wie auch seine späteren Filme "Mulholland Drive" und "Inland Empire" - eine düstere Reise in das menschliche Unterbewusstsein. Vielen Zuschauern fiel es aber immer schwerer, Lynch auf seinen komplexen filmischen Reisen zu folgen.
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Überraschung mit "The Straight Story"
1999 konnte der US-Amerikaner die Filmwelt allerdings auch noch einmal überraschen. Sein Film "The Straight Story" war der bisher wohl untypischste David-Lynch-Film. Der langsam inszenierte Streifen über einen Farmer, der sich mit seinem Rasenmäher-Traktor auf eine Reise quer durch die Vereinigten Staaten macht, überzeugte mit viel menschlicher Wärme und leisem Humor.
Bild: picture-alliance/dpa/Senator
Rückkehr nach "Twin Peaks"
"Twin Peaks"-Fans und auch Kritiker begeisterte Lynch 2017 mit einer neuen Staffel der Kultserie. Einige der Lynch-typischen visuellen Sequenzen machen "Twin Peaks: The Return" zu einem Kunstwerk fürs Fernsehen. Ähnlich wie die Originalserie endet auch diese neue Produktion mit einem nervenaufreibenden Cliffhanger.
Bild: picture-alliance/Everett Collection
Künstler Lynch
Auch abseits der Kamera war David Lynch schon immer sehr produktiv. Er hat Bildende Kunst studiert und eine große Auswahl an gemischten Materialarbeiten, Fotos und Skizzen gefertigt. Seine Werke zeigen dabei oft verzerrte Menschen mit verdrehten Gliedmaßen, sich selbst verschlingende Monster - und viel Rot.
Bild: Bonnefantenmuseum/David Lynch
Filmlegende David Lynch
Mit seiner Kunst findet er Aufmerksamkeit bei Ausstellungen auf der ganzen Welt. Als bekanntes Gesicht der Transcendental Meditation (TM) Community reist Lynch aber auch zum Thema Meditation durch die Lande - und lebt ansonsten, wie so viele Stars, zurückgezogen in den Hollywood Hills von Los Angeles.