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Lange Gesichter in Brüssel

Alexander Scheibe, zzt. Brüssel14. Dezember 2003

Der EU-Verfassungsgipfel ist an der Frage der Stimmengewichtung gescheitert. Nun soll unter irischer Federführung ein neuer Anlauf genommen werden, die widerspenstigen Spanier und Polen auf europäische Linie zu bringen.

Gute Miene zum bösen Spiel: <br>Silvio BerlusconiBild: AP


Ratlosigkeit und lange Gesichter in Brüssel, wohin man schaut. Um kurz vor 14:00 Uhr am Samstag (13.12.) kam die erste Meldung: der Gipfel sei gescheitert. Die 25 alten und neuen Staats- und Regierungschefs konnten sich nicht einigen. Damit ist die geplante gemeinsame Verfassung erst mal auf Eis gelegt.

Geplatzt war der Gipfel an der Frage der Stimmengewichtung bei Entscheidungen des Ministerrates. Der Verfassungsentwurf sieht die so genannte doppelte Mehrheit vor. Für eine Entscheidung braucht es dazu die Mehrheit der Länder, die gleichzeitig 60 Prozent der Bevölkerung der EU repräsentieren. Ratspräsident Silvio Berlusconi hatte bis zum Schluss in so genannten Beichtstuhlgesprächen versucht, einzeln mit den Teilnehmern zu einem Kompromiss zu kommen.

Wer ist schuld?

Bis zum Schluss waren aber Spanien und Polen gegen die doppelte Mehrheit. Für Klaus Hänsch, Vertreter der SPD im Europarat, war ganz klar: "Es ist die polnische Regierung, die sich keinen Millimeter bewegen wollte." Diese eindeutige Schuldzuweisung sieht Kanzler Schröder so nicht. Er äußerte vielmehr Verständnis für die schwierige innenpolitische Lage, in der sich der polnische Regierungschef befindet. Schröder betonte, dass dieser Gipfel keine negativen Auswirkungen auf das deutsch-polnische Verhältnis haben werde.

Für viele der Sündenbock: Polens Ministerpräsident Leszek MillerBild: AP

Für den polnisches Ministerpräsident Leszek Miller stellt sich die ganze Situation nicht so dramatisch dar. Er sieht sich vielmehr bestätigt. Niemand trage die Schuld, auch Polen nicht. Er sei froh, dass der Gipfel vertagt worden sei. Miller äußerte seine Zuversicht, dass unter der irischen Präsidentschaft eine Entscheidung fallen werde.

Europa der zwei Geschwindigkeiten

Er soll's jetzt richten: der irische Premierminister Bertie AhernBild: AP

Die Probleme sind nun vertagt. Was unter der italienischen Präsident nicht geklappt hat, sollen nun im nächsten halben Jahr die Iren richten. Und der irische Premier Berti Ahern hat schon angekündigt, dass Irland im März eine Zwischenbilanz vorlegen werde.

Viel früher als erwartet ging dieser wahrhaft historische Gipfel in Brüssel zu Ende. Und dieses Scheitern von Brüssel hat auch noch weitere, tiefer gehende Auswirkungen. Die Machtverteilung ist nach wie vor offen, viele Beobachter gehen nun davon aus, dass es in naher Zukunft ein Europa der zwei Geschwindigkeiten geben könnte. Das würde bedeuten, dass Europa in Zukunft getrennte Wege geht, nicht mehr an einem Strang zieht.

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