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PolitikBurundi

Langer Weg zu Versöhnung in Burundi: Dialog und freie Wahlen

Martina Schwikowski
20. Oktober 2023

Die Gräueltaten des Bürgerkrieges zwischen Hutu und Tutsi in Burundi wirken bis heute nach: Nach 30 Jahren ist der Konflikt jedoch eher politischer, nicht ethnischer Natur.

Burundi Proteste in Bujumbura 2015
Versöhnung in Burundi bleibt fragil: Menschenrechtsverletzungen und Unterdrückung der Opposition halten anBild: Jerome Delay/AP/picture alliance

Am frühen Morgen des 21. Oktober 1993 endete die erste kurze Episode der Hutu-Herrschaft in Burundi blutig: Kaum fünf Monate zuvor war Melchior Ndadaye in der ersten demokratischen Wahl des ostafrikanischen Landes zum Präsidenten gewählt worden.

Seit der Unabhängigkeit von Belgien 1962 hatte eine kleine Gruppe von Tutsi-Militärs die Macht unter sich aufgeteilt. Doch in der Amtszeit von  Pierre Buyoya wurde der Druck zu groß; er reformierte das politische System des Landes, was einen Wahlsieg für die "Hutu-Partei" FROBEDU (Front of Democracy in Burundi) mit Ndadaye zur Folge hatte. Das rief wiederum radikale Tutsi auf den Plan.

Vor genau 30 Jahren also stürmten Tutsi-Soldaten den Präsidentenpalast, entführten  und ermordeten Ndadaye. Das Land stürzte in einen blutigen Bürgerkrieg zwischen der Tutsi-dominierten Armee und Hutu-Rebellengruppen, in dem mehr als 300.000 Menschen getötet und Hunderttausende in die Nachbarländer flüchteten.

Mord an Burundis Präsidenten hat Hass geschürt

Der frühere politische Weggefährte Ndadayes, der ehemalige burundische Präsident Sylvestre Ntibantunganya, zieht Bilanz über die Auswirkungen des Konfliktes: "Die Ermordung Ndadayes hat den Hass unter den Burundern geschürt, die sich gegeneinander gewandt und mehr als zehn Jahre einen erbitterten Krieg geführt haben. Das Land hat sich wirtschaftlich zurückentwickelt", sagte er im DW-Interview.

Sylvestre Ntibantunganya zu seiner Zeit als Präsident 1994Bild: PASCAL GUYOT/AFP via Getty Images

In dieser Zeit habe Burundi einen großen Verlust erlitten, findet Ntibantunganya: "Denn soweit ich weiß, war Melchior Ndadaye eine Person, die entschlossen war, die extreme Armut in Burundi zu bekämpfen, und er hatte solide Pläne, um dieses Ziel zu erreichen. Aber auch, um den Burundern zu helfen, in Frieden zusammenzuleben", sagte der Ex-Staatschef.

Der Bürgerkrieg in Burundi, von dem auch Ntibantunganyas Amtszeit (1994-1996) geprägt war, ist mit dem Abkommen von Arusha 2000 beendet worden, aber er hinterließ tiefe Wunden. Der Friedensvertrag legte den Grundstein für eine umfassende Machtteilung zwischen beiden Gruppen in Regierung, Parlament, Verwaltung, Polizei und Armee. Es folgte ein Waffenstilland 2003 und die Regierungspartei National Council for the Defense of Democracy (CNDD-FDD) trat in die 2001 gebildete Übergangsregierung ein.

2003 unterzeichnete der damalige Hutu-Rebellenführer Pierre Nkurunziza (links) ein Friedensabkommen zum Ende des BürgerkriegesBild: Getty Images/AFP/M. Longari

Opposition in Burundi weiter unterdrückt

Durch die in der späteren Verfassung festgelegte Machtteilung wurde die Polarisierung zwischen Hutu und Tutsi in Politik und Alltag stark abgeschwächt. 2014 wurde eine Wahrheits- und Versöhnungskommission zur Aufarbeitung der Gewalttaten eingesetzt. An deren Arbeit gab es jedoch auch Kritik, ihren Auftrag nicht ausreichend erfüllt zu haben: So warf Amnesty International ihr Voreingenommenheit vor.

Das Land mit seinen elf Millionen Einwohnern ist seitdem nicht frei von Konflikten - allerdings unter anderen Vorzeichen: Anders als in den 1990er-Jahren sind die aktuellen Auseinandersetzungen vor allem politischer und nicht ethnischer Natur. Nach der gewaltsamen Niederschlagung von Protesten 2015 gegen eine verfassungswidrige dritte Amtszeit des damaligen Präsidenten Pierre Nkurunziza war Burundi lange international isoliert, die Opposition und Zivilgesellschaft unterdrückt.

Burundis Präsident Evariste Nayishimiyes Versprechen für mehr politische Toleranz bleiben unerfülltBild: BRENDAN MCDERMID/REUTERS

Der nachfolgende Präsident und aktuelle Amtsinhaber Evariste Ndayishimiye ist seit 2020 an der Macht, hat bisher jedoch keinen entscheidenden Kurswechsel vorgenommen. Viele seiner wiederholten Versprechen, für Gerechtigkeit zu sorgen und politische Toleranz zu fördern, bleiben unerfüllt: Der Präsident hat 2022 laut einem Bericht von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch Hardliner der Regierungspartei in Schlüsselpositionen berufen. Die Regierung komme ihrer Pflicht, die Rechte auf freie Meinungsäußerung, friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit zu gewährleisten nicht nach, heißt es weiter. Die Unterdrückung politischer Gegner sorgt häufig für gewaltsame Proteste im Land.

Menschenrechtslage angespannt

Tötungen, Folter, Misshandlungen, willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen von tatsächlichen oder mutmaßlichen Oppositionellen wurden 2022 von internationalen und burundischen Menschenrechtsgruppen dokumentiert.

Seit dem Regierungswechsel findet eine zunehmende außenpolitische Öffnung statt, aber die Menschenrechtslage bleibt angespannt und der Handlungsspielraum der politischen Opposition, der regierungskritischen Zivilgesellschaft und der Medien ist eingeschränkt.

Burundi 2015: Blutige Proteste gegen die dritte Kandidatur von Präsident Pierre Nkurunziza Bild: Dai Kurokawa/dpa/picture alliance

Der ehemalige Präsident Ntibantunganya glaubt jedoch, dass Burundi seit dem Beginn des Bürgerkriegs vor 30 Jahren aus den bitteren Erfahrungen gelernt hat. Die erste Lektion sei, dass viele Burunder jetzt verstünden, dass es keinen anderen Weg zur Macht gebe, als die Zustimmung des Volkes durch umfassende, freie und faire Wahlen zu suchen.

Er selbst war nie gewählt worden, sondern 1994 zunächst als Übergangspräsident eingesetzt worden, nachdem sein direkter Vorgänger Cyprien Ntaryamira gemeinsam mit seinem ruandischen Amtskollegen Juvénal Habyarimana beim Abschuss ihres Flugzeugs in Kigali ums Leben kamen - das Ereignis bildete den Auftakt zum Genozid an den Tutsi in Ruanda. Im südlichen Nachbarland Burundi war es damals vergleichsweise friedlich, bevor der Bürgerkrieg an Intensität zunahm.

Ex-Präsident Ntibantunganya: Dialogbewusstsein der Burunder ist gewachsen

"Die zweite Lektion ist, dass die Burunder nun die Bedeutung des Mehrparteiensystems und die Rolle der unabhängigen Nichtregierungsorganisationen und der Medien bei der Erhaltung der Grundlagen der Demokratie und der Förderung der Menschenrechte verstehen", betont Ntibantunganya im DW-Gespräch. Die wichtigste Lehre sei, dass sich die Burunder jetzt der Bedeutung des Dialogs bewusst sind, wenn Probleme zwischen ihnen auftreten.

Vor dreißig Jahren sagte Melchior Ndadaye bei Amtsantritt nach seiner Wahl zum Volk: "Frieden wird die erste Priorität der neuen Regierung sein, die Sie gewählt haben. (...) Dieses neue Burundi wird von der Achtung der Menschenrechte für alle geprägt sein. Diese neue Regierung wird sich von Schikanen, Folter, Tyrannei und Mord verabschieden."

Doch der heutige Weg Burundis zu einer stabilen Demokratie bleibt unsicher.

Mitarbeit: Daniel Gakuba