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Langer Weg

Julia Bernstorf2. Juli 2007

Es waren die schwersten Kriegsverbrechen seit dem Zweiten Weltkrieg, die in den 1990er Jahren in Bosnien-Herzegowina begangen wurden. Und sie sind noch längst nicht völlig geklärt.

(AP Photo/Hidajet Delic)
Die Zerstörung von Waffen allein, so wie hier, reicht nicht, um die Narben der Vergangenheit zu heilenBild: AP

"Ich war Soldat in Bosnien während der Belagerung von Sarajevo. Das war die schlimmste Zeit meines Lebens", erzählt Adnan Hasanbegovic. "Aber in gewisser Hinsicht bin ich so überhaupt dazu gekommen, mich mit Friedensbildung zu befassen. Ich habe angefangen, über Gerechtigkeit, Leben und Tod und den Sinn des Lebens nachzudenken. Darüber, warum so viel Gewalt geschieht. Das hat dazu geführt, dass ich nach dem Krieg Friedensaktivist wurde."

Hasanbegovic arbeitet im Zentrum für zivile Konfliktbearbeitung (Center for non-violent action) in Sarajevo. Mit seiner Arbeit will er seinen Teil dazu beitragen, dass Bosnien-Herzegowina eine friedliche und stabile Zukunft hat.

Mord und Vergewaltigung

In Bosnien-Herzegowina kam es in den 1990er Jahren zu den schwersten Kriegsverbrechen seit dem Zweiten Weltkrieg. Allein beim Massaker in Srebrenica wurden 8000 Bosnier ermordet. Auch Vertreibungen und Massenvergewaltigungen gehörten zur Kriegsstrategie der Serben. Seitdem bemühen sich Menschenrechtsaktivisten und Juristen, diese Verbrechen aufzuarbeiten, um einen dauerhaften und stabilen Frieden im Land zu ermöglichen.

Die Chancen dafür, dass Hasanbegovic und seine Mitstreiter ihre Ziele erreichen, stehen besser als in vielen anderen Konfliktgebieten. Denn die Aufarbeitung der Kriegsverbrechen hat hier besonders früh angesetzt. Schon 1993, also noch während des Bosnien-Krieges, wurde in Den Haag das Internationale Kriegsverbrechertribunal (International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia) eingesetzt. An Gerichtsverhandlungen war zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu denken. Aber es sollte ein Zeichen gesetzt werden, dass die Internationale Gemeinschaft die Massaker und Massenvergewaltigungen nicht dulden werde. Inzwischen sind bereits viele Verfahren geführt worden.

Ein Stück Gerechtigkeit

Wie wichtig diese juristische Aufarbeitung ist, betont die frühere UN-Sonderbeauftragte für Bosnien-Herzegowina, Märta Elisabeth Rehn. Sie werde manchmal gefragt, warum es so wichtig sei, dass diese Leute wie Karazdic oder Mladic nach Den Haag gebracht werden. Aber wenn sie sich mit den Frauen von Srebrenica unterhalten, merke sie, wie unglücklich diese darüber seien, dass ihr Leiden niemanden kümmere. "Für sie ist Gerechtigkeit wichtig, damit sie überhaupt weitermachen können und zu einer Versöhnung bereit sind", erzählt Rehn.

Ohne Aufarbeitung eines Konflikts und der Gewalt, die statt gefunden hat, kann es für ein Land keinen dauerhaften Frieden geben, darin sind sich Experten einig. Mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ist ein wichtiges Instrument gegründet worden, nicht nur für Bosnien-Herzegowina, betont Luis Moreno-Ocampo, Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (International Criminal Court). "Dort werden die schlimmsten Verbrecher, die Diktatoren vor Gericht gebracht." Damit werde zu einem dauerhaften Frieden beigetragen.

Recht wird nun also gesprochen. Aber das heißt nicht automatisch, dass auch Gerechtigkeit im Sinne der Opfer erreicht wird, erläutert Rehn: "Als die ersten Prozesse wegen Massenvergewaltigungen stattgefunden hatten, bin ich nach Sarajevo gefahren und habe mich mit Vertreterinnen der Organisation vergewaltigter Frauen getroffen. Und ich habe sie ganz naiv gefragt, ob es nicht gut sei, dass die Täter so hohe Strafen erhalten haben. Sie haben mich angesehen, als käme ich von einem anderen Stern und sagten: Wovon reden Sie? Wir werden unser Leben lang unter diesen Vergewaltigungen leiden. Und sie haben gerade mal 12 oder 20 Jahren bekommen."

Spaltung des Landes

Obwohl die Voraussetzungen gut sind für eine Aufarbeitung des Krieges, meiden die meisten Menschen in Bosnien-Herzegowina das Thema. Mit dem Friedensabkommen von Dayton vor 12 Jahren wurden die Kämpfe beendet. Aber viele Menschen sind traumatisiert. Für sie ist der Krieg noch nicht vorbei. Das Abkommen von Dayton empfinden vor allem viele bosnische Muslime und Kroaten als ungerecht. Ein Friedensschluss, aber eben kein gerechter, sagen sie. Die Aufteilung in zwei Teilrepubliken habe de facto das Land gespalten. Und die Politiker des Landes sind noch nicht so weit, diese Teilung zu überwinden und sich auf ein anderes System zu einigen. Aber es gibt noch einen anderen wichtigen Grund für das Desinteresse an der Aufarbeitung des Krieges: Serbenführer Radovan Karadzic und sein General Radko Mladic sind immer noch nicht gefasst.

Adnan Hasanbegovic glaubt nicht, dass die Gerichte alle Verbrechen werden aufarbeiten können. Schließlich gebe es Tausende, die daran beteiligt waren, und nur einige hundert seien bisher bestraft worden. "Ich glaube aber trotzdem, dass die Arbeit der Gerichte sehr wichtig ist, weil sie überhaupt Verbrecher bestrafen", sagt er. "Und sie sorgen dafür, dass alle Kriegsverbrecher nicht mehr ruhig schlafen können. Sie können sich höchstens wie Karadzic und Mladic ein Loch im Wald suchen, um sich zu verstecken."

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