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Politik

Lars Klingbeil: Mit Softpower an die SPD-Spitze

8. November 2021

Er gilt als Architekt des SPD-Wahlsiegs, nun soll Lars Klingbeil Parteivorsitzender werden. Zusammen mit Saskia Esken, die das Amt seit 2019 innehat. Was bedeutet das für die SPD? Aus Berlin Sabine Kinkartz.

Wahl-Triell - Nach der TV-Diskussion der Kanzlerkandidaten
Die drei, auf die es in Zukunft ankommt: Olaf Scholz, Lars Klingbeil und Saskia Esken (v.l.)Bild: picture alliance/dpa

Es läuft gut für die Sozialdemokraten. Ende September haben sie die Bundestagswahl gewonnen, jetzt handeln sie gemeinsam mit den Grünen und der FDP einen Koalitionsvertrag aus. Für den 4. Dezember hat die SPD bereits einen Sonderparteitag terminiert, auf dem der Koalitionsvertrag abgesegnet werden soll, am 6. Dezember ist die Wahl der neuen Regierung mit Olaf Scholz als Bundeskanzler geplant.

"Man wechselt die Pferde nicht im Galopp", lautet ein Sprichwort. Die SPD tut es trotzdem. Im Dezember muss der Parteitag turnusmäßig einen neuen Vorstand wählen. Norbert Walter-Borjans, der seit 2019 zusammen mit Saskia Esken die SPD führt, will nicht mehr antreten. Für ihn soll sich der bisherige Generalsekretär Lars Klingbeil zur Wahl stellen. Das beschloss die Parteiführung am Montag einstimmig.

An den Wahlsieg glaubten nur wenige

Der 43-jährige Klingbeil gilt als Architekt des SPD-Wahlerfolgs. Die Kampagne, die komplett auf Kanzlerkandidat Olaf Scholz zugeschnitten war, lief stringent und störungsfrei. Das Willy-Brandt-Haus, die Parteizentrale der SPD, arbeitete effektiv. Die SPD, deren Spitzenpersonal sich in der Vergangenheit oft genug öffentlich stritt und bekämpfte, glänzte im Wahlkampf mit einer nie gekannten Geschlossenheit.

Olaf Scholz bei einem Wahlkampfauftritt in Soltau - dem Wahlkreis von Lars KlingbeilBild: Sabine Kinkartz/DW

Dass es so gut laufen würde, war keineswegs selbstverständlich. Ein halbes Jahr vor der Wahl lag die SPD in den Umfragen noch hoffnungslos zurück, kam selten auf mehr als 15 Prozent. Ein Wahlsieg der SPD schien unvorstellbar, die Siegesgewissheit führender Genossen wirkte manchmal grotesk.

Man tritt nicht auf andere

Doch dann machte der politische Gegner einen Fehler nach dem anderen. Als die SPD nicht umgehend reagierte, musste sich Generalsekretär Lars Klingbeil viel Kritik anhören - auch aus den eigenen Reihen. Er sei "kein Angreifer", habe zu wenig Durchsetzungskraft und sei zu soft. Attribute, die ein Generalsekretär - zuständig für die Attacken gegen den politischen Gegner - traditionell nicht haben sollte.

Lars Klingbeil und Saskia Esken im September in KölnBild: Jens Krick/Flashpic/picture alliance

Doch Klingbeil sah das schon immer anders. "Ich bin schon oft kritisiert worden, dass ich als Generalsekretär zu wenig auf die anderen einprügele", sagte er vor einem Jahr in einem Interview mit der "Zeit". "Das ist weder mein Verständnis von meiner Rolle, noch entspricht es meinem Naturell." Nicht nur in der SPD hätten viele "keinen Bock mehr auf potentes Getue", fügte er hinzu. "Auf andere andauernd draufzutreten ist ein völlig antiquiertes Politikmodell."

Mit Piercing in den Bundestag

Stets freundlich und zugewandt, verbindlich und anpassungsfähig, das ist Lars Klingbeil. Aufgewachsen im niedersächsischen Munster als Sohn eines Berufssoldaten und einer Einzelhandelskauffrau, demonstrierte er als Schüler noch gegen die Bildungspolitik des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder: "Schüler werden immer blöder dank Gerhard Schröder." Als Politikstudent arbeitete er später für Schröder in dessen Wahlkreisbüro in Hannover. Beide sind bis heute befreundet.

2005 zog Lars Klingbeil erstmals für die SPD in den Bundestag ein - damals noch mit Ring in der AugenbraueBild: Steffen Kugler/dpa/picture alliance

Als Lars Klingbeil 2005 mit gerade einmal 27 Jahren zum ersten Mal als Abgeordneter in den Bundestag einzog, hatte er ein Piercing in der linken Augenbraue. Der damalige SPD-Fraktionschef stellte ihn mit den Worten vor: "Der Lars ist Jungsozialist - und das sieht man ihm auch an." Das Piercing legte Klingbeil kurze Zeit später ab.

Generalsekretär für acht Parteivorsitzende

2017 wurde Lars Klingbeil SPD-Generalsekretär. Rechnet man die kommissarischen SPD-Vorsitzenden mit, dann hat er in den vier Jahren acht Parteichefs erlebt und mit allen so geräuschlos zusammengearbeitet, dass die jeweiligen Nachfolger ihn stets behalten wollten.

Martin Schulz, 2017 SPD-Vorsitzender und Kanzlerkandidat, machte Lars Klingbeil zum GeneralsekretärBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

"Ich arbeite sehr gerne und sehr vertrauensvoll mit ihm zusammen und freue mich sehr auf die Zusammenarbeit", sagte die SPD-Vorsitzende Saskia Esken am Montag. Sie schätze "seine positive Ausstrahlung" und "die Freude", mit der er bei der Sache sei. Esken und Klingbeil, so heißt es aus der Partei, seien sich schnell einig gewesen, dass sie gut zusammenpassen.

Die Machtbalance ändert sich

Klingbeil äußerte sich auf der Video-Plattform Youtube zu seiner Nominierung. Als Generalsekretär sei er angetreten mit dem Versprechen, jeden Stein in der damals heftig gebeutelten SPD umzudrehen. Viel habe man geschafft, sich im Wahlkampf unter wahnsinnigem Druck von Platz drei auf eins gekämpft. "Aber ich will, dass es weitergeht. Ein Wahlsieg reicht mir nicht", so Klingbeil.

Doch der Erfolg der SPD wird maßgeblich davon abhängen, ob die Partei die im Wahlkampf gezeigte Einigkeit behält. Wie kann das gelingen, wenn die Machtbalance sich ändert? Esken und Walter-Borjans waren als ausdrücklich linkes Führungs-Duo angetreten. Klingbeil wird dem eher konservativen Parteiflügel zugeordnet. "Ich will die SPD weiter modernisieren und öffnen und auch in Zukunft immer wieder den Markenkern der SPD herausarbeiten", sagte Esken. Der Markenkern, das sind für Esken linke politische Themen.

Auseinandersetzungen werden kommen

Klingbeil tickt politisch anders. Im Bundestag ist er für die Themen Digital- und die Verteidigungspolitik zuständig, hat beispielsweise nichts gegen den Einsatz bewaffneter Drohnen bei der Bundeswehr. Viele Parteilinke lehnen das empört ab.

Die Generalsekretäre von Grünen, SPD und FDP: Michael Keller, Lars Klingbeil und Volker Wissing (v.l.)Bild: Christophe Gateau/dpa/picture alliance

Doch Lars Klingbeil ist einer, der mit anderen auskommt, selbst wenn sie unterschiedliche Interessen verfolgen. So ist er beispielsweise auch gut mit dem frisch in den Bundestag gewählten früheren Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert befreundet, einem ausgewiesenen Parteilinken. Kühnert ist im Gespräch, neuer SPD-Generalsekretär zu werden.

"Wir schießen alle aufs gleiche Tor"

Wenn Olaf Scholz ins Kanzleramt zieht, wird dort ein weiteres sozialdemokratisches Machtzentrum entstehen. Wie verträgt sich das mit dem Machtanspruch der Partei? Nicht ohne Grund hieß es jahrzehntelang, dass Kanzlerschaft und Parteivorsitz am besten in einer Hand sind. Scholz hat allerdings bewusst auf den SPD-Vorsitz verzichtet. Wohl auch, weil er weiß, dass er die Parteilinken in der SPD nicht einbinden kann.

Lars Klingbeil weiß, was auf ihn zukommen wird und schwört die Genossen bereits ein. "Egal auf welcher Position man steht, ob im Kanzleramt, in der Regierung, in der Fraktion, in den Ländern oder in der Partei, wir spielen alle zusammen und wir schießen aufs gleiche Tor", mahnt er in seiner Videobotschaft.

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